Kapitel: | B – Was Gerechtigkeit schützt |
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Antragsteller*in: | Vasili Franco (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg) |
Status: | Geprüft |
Eingereicht: | 16.10.2023, 19:41 |
Ä1 zu EP-FK-3: B – Was Gerechtigkeit schützt
Text
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Vernunftbasierte Drogenpolitik - Cannabis europaweit legalisieren
Jahrzehntelang bringt die Kriminalisierung und der War-on-Drugs mehr Leid als Segen, tausende Drogentote und eine Haupteinnahmequelle für die organisierte Kriminalität. Es braucht eine an der Wissenschaft und risikobasierten Betrachtung ausgerichtete Drogenpolitik. An verschiedenen Orten der Welt ist der Wechsel hin zu einem unideologischen und
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setzt aktuell den Mitgliedstaaten im Umgang mit Cannabis enge Grenzen. Wir streben eine europaweite Legalisierung und kontrollierte Abgabe von Cannabis an. Darüber hinaus wollen wir die gesundheitliche Versorgung von Abhängigen verbessern und Konsument*innen entkriminalisieren. Gesundheitsschutz muss vor Strafverfolgung gehen. Deshalb werden wir uns in Europa dafür einsetzen, dass das europäische und[Zeilenumbruch]
internationale Recht in Bezug auf die Produktion, den VertriebAbgabe und VerkaufWeitergabe von CannabisproduktenSubstanzen entschärft wird und im Rahmen regulierter und kontrollierbarer Regelungen ermöglicht werden kann. Auch die Forschung zum Umgang mit psychoaktiven Substanzen, insbesondere zum medizinischen Nutzen, wollen wir weiter vorantreiben.
Inflation mit steigenden Lebenshaltungskosten, Pandemie und zunehmende
Wetterextreme haben viele Menschen in ganz Europa vor große Herausforderungen
gestellt. Familien und Rentner*innen mussten wegen der gestiegenen
Lebenshaltungskosten schmerzhafte Einschnitte hinnehmen. Für viele
Selbstständige und kleine Betriebe ist die Existenzgrundlage weggebrochen. Und
bis weit in die Mitte der Gesellschaft hinein sorgen gestiegene
Lebenshaltungskosten für akute, bisweilen gar existenzielle Nöte.
Zugleich hat die Krisenbewältigung der letzten Jahre gezeigt, was alles möglich
ist, wenn wir zusammenstehen – in Deutschland und Europa.
Menschen sehnen sich in diesen Zeiten der Krise nach Stabilität und
Zusammenhalt. Europa bietet darauf die Antwort. Die europäische Einigung hat den
Lebensstandard von Millionen von Menschen angehoben und mehr soziale Sicherheit
gebracht. Wir sind überzeugt: Die Menschen in Europa müssen sich gerade in
Krisenzeiten auf einen starken Sozialstaat verlassen können, der wirksam vor
Armut und sozialer Ausgrenzung schützt.
Die Europäische Union (EU) kann einen Schutzraum bieten, der die sozialen Rechte
grenzüberschreitend und für die gesamte Breite der Gesellschaft sichert. Die EU
kann zugleich für die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sorgen, die gerechten
Wohlstand überhaupt erst ermöglichen. Ein Wohlstand, der bei denen ankommen
muss, die ihn erarbeiten. Ein Wohlstand für die Vielen. Indem wir europaweit die
Infrastruktur für klimaneutrales Wirtschaften bauen, erzeugen wir Wertschöpfung,
erhalten und schaffen gute Jobs für Millionen von Menschen: Wirtschaftliche und
soziale Infrastruktur gehen Hand in Hand und bedingen einander.
Das starke und gerechte Europa, das wir gestalten wollen, zielt im Kern auf den
Schutz jeder und jedes Einzelnen, auf den Respekt vor der Leistung aller. Es
schützt die Rechte der Arbeitnehmer*innen gegen Ausbeutung. Es reduziert
Ungleichheit. Es sichert den Anspruch der Bürger*innen auf wirksame Medikamente
und den Zugang zu hochwertiger Gesundheitsversorgung. Es sorgt dafür, dass
Verbraucher*innen ihre Ansprüche durchsetzen können. Es trägt dazu bei, dass
Familien besser abgesichert sind und Kinder eine gute Zukunft haben.
Europa ist mehr als ein Wirtschaftsraum. Die Europäische ist auch eine soziale
Union, die sich dem sozialen Fortschritt verschrieben hat. Das Versprechen von
einem Leben in Würde und Freiheit, von guten Arbeits- und Lebensbedingungen, von
gleichen Chancen und einem Auskommen ohne Armut, Ausgrenzung oder
Diskriminierung zeichnet Europa aus – ein Gerechtigkeitsversprechen an die
Breite der Gesellschaft.
Wir setzen uns dafür ein, dass dieses Versprechen nun auch überall eingelöst
wird. Dafür wollen wir die soziale Dimension der EU weiter stärken. Wir wollen
die Bedingungen dafür verbessern, dass alle Europäer*innen noch einfacher und
sicherer überall in der Union leben und arbeiten können. So wird soziale
Sicherheit zu einem Mehr an Freiheit.
Dazu wollen wir ein Europa, das verbindliche Standards setzt – für faire Löhne
und starke Gewerkschaften, gegen Willkür und Ausbeutung. Davon profitieren
letztlich alle in der EU, egal ob in wohlhabenden oder ärmeren Regionen. So
ergänzt die soziale Infrastruktur die wirtschaftliche; so erfüllen wir den
europäischen Anspruch an eine Infrastrukturunion für alle; so schaffen wir
Zusammenhalt über den ganzen Kontinent hinweg. Denn klare Mindeststandards
beugen einem Wettlauf nach unten bei der sozialen Sicherung wirksam vor.
Wir stehen für ein starkes soziales Europa, das die Menschen vor Krisen schützt
und vor Ort einen echten Unterschied macht. Wenn wir über die europäische
Souveränität sprechen, dann geht es uns auch um die Ausgestaltung und die
Verteidigung des europäischen Sozialmodells, das sich in einer globalisierten
Welt behauptet – und für Wohlstand und materielle Sicherheit, gute Arbeit und
hohe Sozialstandards steht. Dies gilt umso mehr, als die Herausforderung der
Klimaneutralität, technologischer Fortschritt und der demografische Wandel die
Arbeitswelt verändern.
In der Europäischen Säule sozialer Rechte sind die Grundsätze für ein soziales
Europa angelegt. Sie ist ein wichtiger Meilenstein einer europäisch abgestimmten
sozialen Politik. Doch bei Grundsätzen und Empfehlungen darf es nicht bleiben.
Wir wollen rechtsverbindliche und einklagbare Arbeits- und Sozialstandards
daraus ableiten. Auch wenn der Sozialstaat institutionell in erster Linie in den
Mitgliedstaaten verankert ist, darf soziale Gerechtigkeit nicht an Landesgrenzen
haltmachen.
Wir wollen ein gerechtes Europa bauen. Das gerechte Europa ist ein Gemeinwesen,
das solidarisch finanziert wird, ohne Steuerschlupflöcher für Superreiche. Das
gerechte Europa ist ein Kontinent, auf dem jede und jeder gut leben kann – ob im
Großraum Mailand, in der Lausitz oder im ländlichen Rumänien. Das gerechte
Europa bietet Zugang zu fair bezahlter Arbeit und öffentlichen Dienstleistungen,
zu guter Bildung und intakter Natur.
Kurzum: Das gerechte Europa ist ein Raum der Chancen und der Solidarität. Es
bekämpft soziale Ausgrenzung und Diskriminierungen. Es fördert soziale
Gerechtigkeit, die Gleichstellung von Frauen und Männern, den Zusammenhalt
zwischen den Generationen, Familien und den Schutz der Rechte des Kindes. So ist
es im Gründungsvertrag der EU angelegt. Für diese Gerechtigkeit streiten wir.
Dieses Europa wollen wir sein.
1. Gute Arbeit und soziale Sicherheit
Faire Löhne erreichen
Gute Arbeit mit fairen und verlässlichen Arbeitsbedingungen und einer wirksamen
Mitsprache gibt gerade in Zeiten des wirtschaftlichen Umbruchs Sicherheit und
Rückhalt. Wer von seiner Arbeit verlässlich leben und seinen Arbeitsplatz aktiv
mitgestalten kann, kann sich auch bei Veränderungen einbringen. Das stärkt auch
die Demokratie. Wir wollen gute Standards in ganz Europa gestalten und prekäre
Beschäftigung und Ausbeutung unterbinden. Eine starke Sozialpartnerschaft und
eine hohe Reichweite von Tarifverträgen sind wichtige Grundlagen für gute
Arbeit.
Ein konkreter Erfolg des sozialen Europas ist die Mindestlohnrichtlinie. Sie
schützt Wert und Würde von Arbeit. Und sie trägt dazu bei, dass viele Millionen
Beschäftigte in Europa künftig ein höheres Einkommen haben werden – wie die
Bundesregierung auch auf unsere Initiative mit der deutlichen Erhöhung des
gesetzlichen Mindestlohns vorgemacht hat. Die Richtlinie verpflichtet die
Mitgliedstaaten dazu, angemessene Mindestlöhne nach klaren Kriterien festzulegen
und das Ergreifen wirksamer Maßnahmen nachzuweisen. Wir wollen, dass die
Mindestlohnrichtlinie in Deutschland konsequent umgesetzt wird, sodass der
gesetzliche Mindestlohn steigt und auch in Zukunft einen effektiven
Mindestschutz für Beschäftigte bietet. Darüber hinaus soll mit der Richtlinie
die Tarifbindung verbindlich gestärkt werden: Mitgliedstaaten mit einer
tarifvertraglichen Abdeckung von weniger als 80 Prozent müssen einen Aktionsplan
vorlegen. Das werden wir auch in Deutschland umsetzen und damit Gerechtigkeit in
der Mitte der Gesellschaft stärken. Denn hierzulande ist die Reichweite von
Tarifverträgen in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen. Damit die
Mindestlohnrichtlinie in allen Mitgliedstaaten tatsächlich greift, muss ein
wirksames Monitoring erfolgen. So wirkt Europa konkret gegen Dumpinglöhne, damit
Arbeit sich immer lohnt.
Wir wollen Demokratie und Mitbestimmung am Arbeitsplatz länderübergreifend
ausbauen, indem wir die Europäischen Betriebsräte stärken. Bereits seit Jahren
fordern wir an der Seite der Gewerkschaften, dass die EU-Kommission endlich die
bestehende Richtlinie zu den Europäischen Betriebsräten überarbeitet und
Ausnahmeregeln beendet. Dabei wollen wir die Rechtssicherheit, den Rechtszugang
und Durchsetzungsmöglichkeiten für Europäische Betriebsräte verbessern. Um
Schlupflöcher zu schließen, sollen auch Franchise-Unternehmen in die Richtlinie
einbezogen werden. Zudem setzen wir uns für eine stärkere Vertretung von Frauen
sowie jungen Beschäftigten und Auszubildenden in den Europäischen Betriebsräten
ein. Um die Mitbestimmung in der gesamten EU zu stärken, setzen wir uns für eine
neue Rahmenrichtlinie zur Unterrichtung, Anhörung und Beteiligung von
Arbeitnehmer*innen ein, die auf die verschiedenen europäischen
Gesellschaftsformen von Unternehmen abgestimmt ist.
Darüber hinaus kämpfen wir für einen zeitgemäßen Arbeitsschutz in Europa – in
einer sich rasant beschleunigenden digitalen Arbeitswelt, die für viele
Beschäftigte mit ständiger Erreichbarkeit, Arbeitsverdichtung und Stress
einhergeht. Wir wollen daher den Schutz der Arbeitnehmer*innen vor psychischen
und körperlichen Belastungen voranbringen.
Beschäftigte in der digitalen Arbeitswelt stärken
Neue Technologien bieten große Chancen: Mit neuen Geschäftsfeldern und -modellen
entstehen neue Jobs, digitalisierte Prozesse bringen Produktivitätsgewinne,
Arbeiten wird flexibler, beispielsweise durch Homeoffice-Regelungen. Ausbeutung
darf auch in der digitalen Arbeitswelt kein Geschäftsmodell sein. Deshalb setzen
wir uns für starke Rechte von Arbeitnehmer*innen im digitalen Zeitalter ein.
EU-weit arbeiten rund 28 Millionen Menschen für Unternehmen, die digitale
Dienste anbieten und zusammenführen, sogenannte Plattformunternehmen. Die EU-
Kommission schätzt, dass 4 Millionen davon Scheinselbstständige sind. In der
laufenden europäischen Gesetzgebung zu Arbeitsbedingungen auf digitalen
Plattformen setzen wir uns dafür ein, Scheinselbstständigkeiten, die zu
schlechten Arbeitsbedingungen und zu unzureichender sozialer Absicherung führen,
europaweit einen Riegel vorzuschieben. Es braucht zudem bessere Möglichkeiten,
die Regeln durchzusetzen. Dazu wollen wir unter anderem Arbeitsinspektionen
stärken.
Viele Unternehmen setzen Software ein, um automatisiert Aufgaben zuzuteilen und
Arbeitnehmer*innen zu überprüfen, zu evaluieren und zu disziplinieren oder auch
Einstellungsentscheidungen zu treffen – das sogenannte algorithmische
Management. Die ständige Überwachung, der Wegfall persönlicher
Planungssicherheit im Alltag und der übermäßige Arbeitsdruck, die mit seinem
Einsatz einhergehen können, wollen wir beenden. Um die Rechte der
Arbeitnehmer*innen zu stärken und Missbrauch vorzubeugen, setzen wir uns für
eine neue EU-Richtlinie zum algorithmischen Management am Arbeitsplatz ein.
Freizügigkeit einfacher machen
Dass EU-Bürger*innen in jedem Mitgliedstaat arbeiten und leben können, ist ein
Grundprinzip der EU. Das eröffnet Freiheiten und fördert gleiche Chancen für
alle in der EU. Damit das für die Beschäftigten im Alltag funktioniert, setzen
wir uns für eine bessere Koordinierung der nationalen Sozialversicherungssysteme
ein.
Es ist eine große Errungenschaft, dass Bürger*innen der EU
Sozialversicherungsansprüche, die sie in einem anderen EU-Land erworben haben,
über die Grenzen mitnehmen können (Portabilität). Doch die Realität löst dieses
Versprechen noch nicht immer ein: Die Unterschiede der nationalen
Sicherungssysteme, aber auch die Bürokratie machen die Handhabung kompliziert,
und Lücken in den Leistungen lassen einige zurück. Wir wollen deshalb mehr
Koordinierung zwischen den nationalen Sozialversicherungssystemen, um soziale
Leistungsansprüche leichter von einem Land in das andere übertragen zu können
und die bestehenden Lücken gerade für Grenzpendler*innen abzubauen.
Auch die Langzeitpflege, beispielsweise für Rentner*innen oder Menschen mit
chronischen Krankheiten oder Behinderungen, soll auf diese Weise abgedeckt
werden. Ein Europäischer Sozialversicherungsausweis (ESSPASS) ist ein Beitrag
dazu. Er soll die Übertragbarkeit von Ansprüchen über Grenzen hinweg verbessern
und durch digitale Überprüfung entbürokratisieren. Wir wollen darüber hinaus die
sogenannte A1-Bescheinigung durch ein digitales Echtzeitregister ersetzen, um
grenzüberschreitende Arbeitsausbeutung zu verhindern und einen wirksamen
Sozialschutz zu gewährleisten.
Das Arbeiten im Homeoffice gehörte in der Coronakrise für sehr viele
Beschäftigte zum Alltag und wird spätestens seitdem von mehr und mehr
Arbeitnehmer*innen geschätzt. Wir wollen, dass auch das mobile Arbeiten nicht an
den europäischen Grenzen haltmacht, sondern prinzipiell auch aus einem anderen
Land als dem Beschäftigungsland möglich ist. Deshalb setzen wir uns dafür ein,
dass es eine Richtlinie für Homeoffice gibt, die es erleichtert, EU-weit im
Homeoffice zu arbeiten.
Ausbeutung bekämpfen
Damit Freizügigkeit für alle Arbeitnehmer*innen funktioniert, ist darüber hinaus
ein wirksamer Schutz vor Ausbeutung unerlässlich. Egal ob eine Arbeitnehmerin
aus Österreich in Frankreich arbeitet oder ein Saisonarbeiter aus Georgien in
Rumänien: Unionsbürger*innen und Menschen aus Drittstaaten brauchen umfassenden
Schutz vor Diskriminierung und Ausbeutung, wenn sie in einem anderen EU-Land
arbeiten.
Das führen nicht zuletzt die Skandale in der Fleischindustrie, bei Lkw-
Fernfahrer*innen, bei Saisonarbeiter*innen oder im Baugewerbe deutlich vor
Augen. Wir sagen diesen Formen der Ausbeutung den Kampf an. Ein wirksames Mittel
sind regelmäßig stattfindende Arbeitsinspektionen, für die die Mitgliedstaaten
das Personal aufstocken sowie Schulungen in europäischer Gesetzgebung und
grenzüberschreitenden Angelegenheiten verbessern sollten. Auch eine bessere
Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden und der Europäischen
Arbeitsbehörde (ELA) ist nötig. Sie sollte zudem eine stärkere Rolle für
gemeinsame koordinierte Inspektionen erhalten.
Wir wollen weitere Maßnahmen ergreifen, um missbräuchliche Praktiken von
Subunternehmen zu unterbinden, beispielsweise die gesamtschuldnerische Haftung
rechtlich verankern. Immer wieder werden Arbeiter*innen zu katastrophalen
Bedingungen untergebracht, in überfüllten Zimmern, unter schlechten hygienischen
Bedingungen und mit überteuerter Miete, die direkt vom Lohn einbehalten wird.
Die Verpflichtung zu angemessener Unterbringung wollen wir deshalb rechtlich
absichern und wirksam durchsetzen.
Eine wirksame Bekämpfung der Arbeitsausbeutung beginnt damit, dass sich
Betroffene einfach und in der eigenen Sprache über ihre Rechte informieren
können – und für deren Durchsetzung Hilfe erhalten. Wir setzen uns für eine
langfristige und verlässliche Finanzierung für die Schaffung und europaweite
Vernetzung entsprechender Beratungs- und Unterstützungsstrukturen ein. Die
Gewerkschaften sind mit ihrer fachlichen Expertise wertvolle Partnerinnen in der
Entwicklung und Durchführung solcher Angebote. Wir begrüßen, dass europäische
Zahlungen im Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik künftig von der Einhaltung von
Arbeitsnormen in der Landwirtschaft abhängig gemacht werden. Diese sogenannte
soziale Konditionalität muss nun effektiv umgesetzt werden.
Kinderarmut abbauen
Jedes vierte Kind in Europa ist von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht – das
entspricht fast 20 Millionen Kindern, die an gesunder Ernährung, Sport, Bildung
und Kultur nur sehr eingeschränkt teilhaben können. Kinderarmut bedeutet
einerseits existenziellen Mangel im Hier und Jetzt, andererseits weniger Chancen
auf ein selbstbestimmtes und erfolgreiches Leben in der Zukunft. Wir wollen,
dass alle Kinder gut ins Leben starten können. Dazu brauchen sie eine bessere
finanzielle Absicherung sowie den Zugang zu einer gut ausgebauten Betreuung und
sozialen Infrastruktur. Mit der Kindergrundsicherung hat die Bundesregierung auf
unsere Initiative in Deutschland ein zentrales Instrument im Kampf gegen
Kinderarmut auf den Weg gebracht. Armutsgefährdeten Kindern wird es besser
gehen, Armut nicht mehr versteckt sein und Eltern sorgen- und angstfreier leben
können, weil sie und ihre Kinder abgesichert sind.
Auch die EU unterstützt die Mitgliedstaaten im Kampf gegen Kinderarmut. Mit der
Europäischen Kindergarantie gibt es seit 2021 erstmals ein europaweites
Instrument, um Kinder aus benachteiligten Verhältnissen zu unterstützen; das
reicht vom kostenlosen Zugang zu Bildung über gesunde Ernährung bis hin zu
angemessener Unterbringung. Bei der Umsetzung der Kindergarantie in Deutschland
binden wir auch die Zivilgesellschaft aktiv ein.
Soziale Mindeststandards verankern
Über 95 Mio. Menschen in der EU sind von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht.
Hohe Lebenshaltungskosten haben die soziale Lage der Menschen zum Teil
existenziell verschärft. Wir wollen, dass sich alle Menschen in Europa auf
starke Sozialsysteme verlassen können, die sie vor Armut schützen. Dafür
brauchen die Sozialstaaten der Mitgliedsländer verbindliche Mindeststandards.
Wir wollen die bisherige europäische Empfehlung für angemessene
Mindestsicherungssysteme zu einer verbindlichen Richtlinie weiterentwickeln und
die darin festgelegten Standards mit einem sozialen Rechtsanspruch für
Betroffene in den Mitgliedstaaten verbinden. In diesem Zuge sollen alle
Mitgliedstaaten ihre Sozialsysteme stufenweise gemäß ihrem jeweiligen
Wohlstandsniveau armutsfest ausgestalten, nachhaltige Integration in gute Arbeit
fördern und die soziale Infrastruktur ausbauen. Das bedeutet auch für
Deutschland Rückenwind für einen starken Sozialstaat und mehr soziale
Gerechtigkeit.
Soziale Sicherung krisenfest machen
Der Sozialstaat muss sich gerade in Krisenzeiten bewähren. Eine bessere Vorsorge
gegen wirtschaftliche und soziale Folgen externer Schocks muss daher eine
zentrale Lehre aus den Krisen der letzten Jahre sein. Die Sozialsysteme der
Mitgliedstaaten müssen krisenfest gemacht werden und in Notlagen schnellen und
wirksamen Schutz für die Menschen ermöglichen. Krisenbedingte
Massenarbeitslosigkeit mit hohen sozialen Folgekosten und Härten aber
überfordert viele Mitgliedstaaten der EU. Ihre Folgen destabilisieren die ganze
EU. Mit dem europäischen Kriseninstrument SURE wurden den Mitgliedstaaten
während der Coronapandemie finanzielle Darlehen und Garantien bereitgestellt, um
Arbeitsplätze durch den Einsatz von Kurzarbeitergeld zu retten – ein großer
Erfolg. Mit dem Instrument konnten allein im Jahr 2020 in Europa schätzungsweise
1,5 Millionen Jobs gerettet werden. Aufbauend auf dieser Erfahrung wollen wir
mit einer Arbeitslosenrückversicherung für die Mitgliedstaaten ein dauerhaftes
Kriseninstrument schaffen, das die nationalen Arbeitslosenversicherungen – und
damit die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt – in schweren ökonomischen
Ausnahmesituationen durch kreditbasierte Soforthilfen stabilisiert und
Arbeitsplätze sichert.
Wohnen bezahlbar machen
Wohnen ist eine der zentralen sozialen Fragen unserer Zeit. Es muss als Teil der
Daseinsvorsorge verstanden werden. In gesicherten Wohnverhältnissen zu leben,
ist für alle Menschen existenziell. Knapper Wohnraum in den Städten, vielerorts
steigende Mieten und ein rückläufiger Bestand an Sozialwohnungen belasten
Mieter*innen bis in die Mitte der Gesellschaft und führen zu Verdrängung und
Unsicherheit. Wir wollen mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen und steigende Mieten
begrenzen. Investor*innen, die europaweit im erheblichen Umfang städtische
Wohnimmobilien aufkaufen, treiben vielerorts Immobilien- und Mietpreise in die
Höhe. Wir wollen die bestehenden europäischen Regelungen den Prüfstand stellen,
um Mieter*innen in den Mitgliedstaaten besser vor steigenden Preisen zu
schützen.
Obdach- und Wohnungslosigkeit verletzt die Menschenwürde und gehört zu den
extremsten Ausprägungen von Armut. Die EU hat sich das Ziel gesetzt,
Wohnungslosigkeit bis 2030 zu beenden und eine Europäische Plattform zur
Bekämpfung der Obdachlosigkeit ins Leben gerufen. Der Dialog zwischen den
Mitgliedstaaten muss weiter gestärkt werden, damit sie voneinander lernen können
und bewährte Konzepte wie Housing First adaptieren können. Ferner wollen wir die
Unterstützung der betroffenen Menschen vor Ort stärken. Die europäischen
Fördermittel für entsprechende Vorhaben und Projekte wollen wir angemessen
ausgestalten.
2. Starke Regionen
Kommunen stärken
Die Stärke und Attraktivität der EU liegt auch in der Vielfalt ihrer Regionen
und Kommunen. Sie sind das Fundament der EU. Hier leben, lernen und arbeiten die
Menschen. Starke Kommunen florieren in einem starken Europa, das kommunalen
Bedürfnissen und der kommunalen Gestaltungsfreiheit eine besondere Bedeutung
beimisst. Das Subsidiaritätsprinzip – also Entscheidungen möglichst bürgernah zu
treffen – ist die Grundlage für ein Europa, das schützt und ermöglicht. Dieses
Prinzip wollen wir stärken.
Dazu gehört auch, dass die EU mit ihren Möglichkeiten da unterstützend wirken
soll, wo Kommunen an ihre Grenzen stoßen. In den Kommunen Europas findet das
Alltagsleben der Bürger*innen statt. Hier wird gewohnt und gearbeitet, werden
Kinder betreut und das Ehrenamt gepflegt. Kommunen bieten die Basis unseres
gesellschaftlichen Zusammenlebens und mit einer funktionierenden Grundversorgung
auch attraktive Standorte für Unternehmen und Arbeitnehmer*innen aus ganz
Europa. Die Umsetzung der Wettbewerbsregeln darf nicht dazu führen, dass
Kommunen zur Privatisierung öffentlicher Güter gezwungen werden. Es braucht
deshalb gutes Vergabe- und Konzessionsrecht, das soziale und ökologische
Kriterien in den Mittelpunkt stellt – und dabei die öffentliche Hand stärkt. Es
fördert die Rechtssicherheit und ermöglicht Kommunen, sich für qualitativ
hochwertige Angebote zu entscheiden. So können Kommunen selbst die Wertschöpfung
aus öffentlicher Infrastruktur stärken. Indem wir in der EU die
Rekommunalisierung vergangener Privatisierungen ermöglichen, sorgen wir für neue
Entscheidungsspielräume vor Ort. Eine EU, die die kommunalen
Gestaltungsspielräume verteidigt und ausbaut, sichert Lebensqualität und
sozialen Zusammenhalt.
Insbesondere der Zugang zu sauberem und günstigem Trinkwasser ist eine
existenzielle Grundlage für ein gesundes Leben. Europa garantiert durch den
Erfolg der Bürgerinitiative Right2Water die weltweit höchsten Standards für
Trinkwasser. Die Versorgung mit Trinkwasser soll weiterhin in kommunaler Hand
bleiben und nicht nach rein marktwirtschaftlichen Interessen bestimmt werden.
Wir verteidigen daher die Ausnahme der Wasserversorgung aus der
Konzessionsrichtlinie und schützen das Recht auf Trinkwasser in der EU.
Europa muss vor Ort gelebt werden. Kommunen, Regionen, Unternehmen und die
Zivilgesellschaft brauchen mehr Mitspracherecht bei der Gestaltung europäischer
Politik. Deshalb wollen wir den Europäischen Ausschuss der Regionen und den
Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss stärken. Die grenzüberschreitende
europäische Zusammenarbeit wie die Städtepartnerschaften oder Initiativen zur
Stärkung der grenzüberschreitenden regionalen Wettbewerbsfähigkeit (INTERREG-
Programme) stärken die Kommunen und Regionen. Sie wollen wir ausweiten. Die
Ebene der europäischen Regionen (Euregios und Eurodistrikte) soll
entbürokratisiert und flexibler gestaltet werden. Sie tragen mit
grenzüberschreitenden Programmen wie etwa einer Beratung für Grenzpendler*innen,
der Zusammenarbeit der Handwerkskammern oder der gemeinsamen Raumentwicklung
maßgeblich und nah am Alltag der Bürger*innen zum Gelingen der Europäischen
Union bei.
Zusammenhalt vor Ort fördern
Der Erfolg des Green Deal und der Zusammenhalt der EU entscheiden sich vor Ort:
in den europäischen Regionen und anhand konkreter Projekte. Eine effiziente
Förderpolitik in der EU ist an den Chancen und Herausforderungen des digitalen
und ökologischen Wandels ausgerichtet. Wir stellen dabei die wirtschaftliche und
soziale Annäherung der Regionen in Europa in den Vordergrund. Der Umfang der
Fonds und Förderprogramme soll sich in seiner Größe an den Herausforderungen
orientieren.
Europäische Regionen sind bislang unterschiedlich stark auf diese
Herausforderungen vorbereitet. Das gilt sowohl innerhalb als auch zwischen den
europäischen Mitgliedstaaten. Eine konsistente und an klaren Kriterien
ausgerichtete Förderpolitik wird bei der Bewältigung dieser Herausforderungen zu
Antrieb und Kompass zugleich. Strukturschwache und ländliche Regionen, sowie
Regionen mit industrieller Prägung und Modernisierungsherausforderungen, wollen
wir bei der Auszahlung in den Mittelpunkt stellen, um gleichwertige
Lebensverhältnisse für alle Menschen zu schaffen.
Gerade in strukturschwachen Regionen stellt der demografische Wandel eine große
Herausforderung dar. Die Abwanderung von Fachkräften, insbesondere jungen
Menschen und Frauen, führt diese Regionen in eine Spirale der
Perspektivlosigkeit. Dem muss die EU-Förderpolitik entgegenwirken. So stärken
wir die Gestalter*innen der Zukunft vor Ort und schaffen gute Perspektiven für
die Regionen.
Große Herausforderungen brauchen eine große Kraftanstrengung und gleichzeitig
Effizienz und Zielgenauigkeit im Einsatz der Mittel. Das stellen wir sicher,
indem wir die Fördermittel an Kriterien im Sinne des europäischen Green Deal
ausrichten. Der Europäische Sozialfonds (ESF+) spielt dabei eine bedeutende
Rolle. Durch ihn werden auch bei uns zahlreiche Gründer*innen und Angestellte
beraten, unterstützt und lebenslang weiter gebildet. Wir statten den ESF+ mit
ausreichend Mitteln aus, um über ihn unter anderem aktive Beschäftigungspolitik
und soziale Teilhabe zu fördern. Dabei setzen wir uns dafür ein, dass die
Bedingungen guter Arbeit eine große Rolle spielen und die Mittel zu Treibern für
eine gerechte EU werden. Durch ein starkes Bekenntnis zu Tarifen, einen guten
Arbeits- und Gesundheitsschutz und vielfältige Möglichkeiten, Aus- und
Weiterbildungen wahrzunehmen, werden attraktive Arbeitsplätze für die
geförderten Regionen zum Standortvorteil.
Europäische Fördermittel bieten eine große Chance, innovative Projekte zu
entwickeln. Die Beantragung der Mittel ist jedoch oft zu kompliziert. Das
reduziert die Zahl der Anträge und manche gute Projekte werden nicht
verwirklicht. Das ändern wir, indem wir uns dafür einsetzen, den Zugang zu
Fördermitteln zu vereinfachen und die Umsetzung zu erleichtern. Dabei stellen
wir die Zielgenauigkeit sicher. Gleichzeitig erhalten wir die nötige
Flexibilität, um auf neue Herausforderungen reagieren zu können. Um
bürokratische Hürden abzubauen, wollen wir unter anderem bei kleineren
Fördersummen mehr Pauschalen einführen und ehrenamtliche Antragsteller*innen
nach Projektbewilligung von der Vorfinanzierung befreien. Bürokratieabbau
schafft so mehr Effizienz.
Jede wichtige Veränderung braucht die Beteiligung der Bürger*innen und der
Zivilgesellschaft vor Ort. Eine Politik des Gehörtwerdens nutzt die lokale
Expertise und schafft gegenseitiges Verständnis. Dieses Wissen kann durch die
Partnerschaft für Bürgerbeteiligung (Partnerschaftsprinzip) einfließen.
Mechanismen wie Bürgerdialoge, öffentliche Beratungen oder Foren sollen Teil der
Prozesse zur Mittelvergabe in allen Mitgliedstaaten sein. So sichern wir
Mitbestimmung und demokratisieren die Förderpolitik der EU.
Chancen in ländlichen Räumen nutzen
Ländliche Räume sind Zukunfts- und Chancenräume. Ihre Entwicklung entscheidet
erheblich über den Erfolg einer EU, die zusammenhält. Die Verkehrswende kann die
ländlichen Räume näher zusammenbringen. Die Energiewende kann neue Wertschöpfung
und finanziell gestärkte Kommunen schaffen. Die Entwicklung aller ländlichen
Räume ist für uns ein zentrales Ziel. Alle Menschen sollen mitentscheiden und
davon profitieren können. Dazu brauchen sie eine verlässliche Daseinsvorsorge
und Orte, an denen sie sich begegnen und austauschen können. Wir wollen die
Daseinsvorsorge stärken, indem wir Bürgergenossenschaften und multifunktionale
Einrichtungen unterstützen. Um das zu erreichen, wollen wir Förderansätze wie
LEADER und den EU-Multifondsansatz in der Strukturpolitik weiter stärken.
Energie wird wieder zunehmend in der Fläche erzeugt, das schafft zusätzliche
Wertschöpfung auf dem Land. Den Flächenverbrauch wollen wir dabei minimieren und
konsequent Mehrfachnutzen mitdenken, beispielsweise über Agri-Photovoltaik-
Anlagen, Biodiversitäts-Photovoltaik oder mehr erneuerbare Stromerzeugung über
versiegelten Flächen. Den Ausbau der Erneuerbaren und die Modernisierung von
Wirtschaft und Gesellschaft werden wir durch den gezielten Einsatz von
Förderungen so unterstützen, dass die Menschen vor Ort davon profitieren. Wir
setzen uns dementsprechend dafür ein, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für
die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) in die Kohäsionsmittel zu
integrieren und es auszubauen.
Vergaberecht modernisieren
Eine echte Infrastrukturunion, ein starker europäischer Markt und die Umsetzung
des Green Deal in ganz Europa gehen Hand in Hand mit massiven Investitionen in
eine sichere Zukunft, auf nationaler wie europäischer Ebene. Mit einem an
sozialen und nachhaltigen Kriterien ausgerichteten Vergaberecht werden diese
Investitionen einmal mehr zum Motor für eine gerechte und zukunftsfeste EU.
Besonders dort, wo wir in eine stabile europäische Infrastruktur, in effiziente
Stromnetze, ein zuverlässiges Bahnnetz oder ein am Menschen ausgerichtetes
Gesundheitssystem investieren, können wir viel bewirken. Die europäische
Infrastrukturunion anzukurbeln, hat positive Effekte auf den europäischen
Arbeitsmarkt: Es entstehen gerade in diesen Sektoren neue Jobs. Diese Jobs
sollen auch gute Jobs werden. Ein starkes Vergaberecht sichert die Zukunft
vieler Arbeitnehmer*innen in ganz Europa.
Der Staat ist selbst ein großer wirtschaftlicher Akteur, diesen riesigen Hebel
wollen wir nutzen. Egal ob Dienstleistungen oder Waren: Öffentliche
Beschaffungen sollten in der EU konsequent nachhaltig erfolgen. Daher wollen wir
die Richtlinie für öffentliches Beschaffungswesen modernisieren und auf
Nachhaltigkeitskriterien ausrichten.
Dabei bleiben Transparenz, Digitalisierung, Entbürokratisierung und
unkomplizierte Verfahren unsere Leitlinien. Jedes Unternehmen soll sich einfach
und erfolgreich um die Vergabe öffentlicher Aufträge bewerben können.
Geldverschwendung wird durch eine klare Beschaffungspolitik minimiert. Die
einfache Kommunikation der Regeln und eine aktive Unterstützung für kleine und
lokale Anbieter, beispielsweise mit Hinweisen auf die rechtlichen
Rahmenbedingungen, sorgen dabei für Gerechtigkeit. Die Vergabe öffentlicher
Aufträge wird so zum Wettbewerb um die besten Konditionen.
3. Eine verlässliche Gesundheitsversorgung
Gesundheitskrisen europäisch bewältigen
Wir wollen ein Europa, das gemeinsam die Gesundheit aller Menschen schützt.
Die Coronapandemie hat einmal mehr gezeigt, dass die großen Herausforderungen
für unsere Gesundheit keine nationalen Grenzen kennen. Sie hat uns auch gezeigt,
dass wir ihnen gemeinsam besser begegnen können. Die schnelle Entwicklung und
Verfügbarkeit der Coronaimpfstoffe zum Beispiel war auch ein europäischer
Erfolg, der durch langjährige Forschung, innovative Unternehmen und
grenzüberschreitende Zusammenarbeit zustande gekommen ist. Die EU hat in der
Pandemie die gemeinsame Beschaffung von Schutzausrüstungen und Impfstoffen
vorangetrieben, gemeinsame Forschungstätigkeit gestärkt, bei Grenzschließungen
Freizügigkeiten und Warenlieferungen koordiniert sowie ökonomische
Notsituationen abgefedert. Auch die Kompetenzen des Europäischen Zentrums für
die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) wurden erweitert, um den
Austausch mit und zwischen den Mitgliedstaaten zu stärken sowie
Gesundheitskrisen früher zu erkennen und zu bewältigen.
Um grenzüberschreitende Gesundheitskrisen besser zu bewältigen und die
Krisenvorsorge zu stärken, wollen wir noch enger auf europäischer und globaler
Ebene zusammenarbeiten. Die EU hat hier eine wichtige Rolle, um nationale
Maßnahmen zu unterstützen und zu ergänzen. Sie kann auch global einen wichtigen
Einfluss ausüben. Auf internationaler Ebene setzen wir uns dafür ein, die
Weltgesundheitsorganisation (WHO) und multilaterale Gesundheitsinitiativen
politisch, finanziell und personell zu stärken sowie den globalen Zugang zu
bezahlbaren Medikamenten zu verbessern. Das ist eine Frage der Solidarität, denn
Gesundheitskrisen treffen die Ärmsten häufig am stärksten. Es liegt aber auch in
unserem Eigeninteresse, denn Pandemien sind globale Herausforderungen. Wir
setzen uns für einen aktiven Technologie- und Wissenstransfer bezüglich der
Herstellung entscheidender Arzneimittel ein. Monopole auf geistiges Eigentum zur
Bekämpfung von Krankheiten dürfen den Zugang zu überlebenswichtigen
Schutzmaterialien, Gesundheitstechnologien, Impfstoffen und Medikamenten nicht
verhindern.
Lehren aus der Pandemie ziehen
Auch wenn mit den Ausgangsbeschränkungen oder der Maskenpflicht die sichtbarsten
Zeichen der Coronapandemie verschwunden sind, leiden noch immer viele Menschen
unter den Folgen von Covid-19. Betroffene von myalgischer Enzephalomyelitis bzw.
dem chronischen Erschöpfungssyndrom (ME/CFS), von Post-Vac oder von Long Covid
finden nicht die notwendige Aufmerksamkeit, werden fehldiagnostiziert oder
treffen auf Vorurteile. Deshalb wollen wir auf europäischer Ebene
Forschungsgelder zur Diagnostik dieser Krankheitsbilder sowie zu
Heilungsmethoden bereitstellen. Zudem braucht es mehr europäischen Austausch,
beispielsweise durch ein EU-Sachverständigennetzwerk.
Covid-19 ist – neben beispielsweise Aids oder Ebola – ein weiterer Fall einer
sogenannten Zoonose, also einer Krankheit, die von Tieren auf den Menschen
übertragen wurde. Damit unterstreicht die Coronapandemie einmal mehr, dass die
menschliche Gesundheit nicht isoliert betrachtet werden sollte, sondern in engem
Zusammenhang mit der Umwelt und der Tiergesundheit steht. Deshalb ist der One-
Health-Ansatz ein Leitbild für unsere Gesundheitspolitik: Ausreichend Raum für
die Natur hilft im Kampf gegen Zoonosen; weniger Antibiotika in der
Massentierhaltung führt zu weniger Antibiotikaresistenzen; saubere Luft und
weniger Giftstoffe in der Umwelt retten Menschenleben.
Mentale Gesundheit in den Fokus nehmen
Krieg, Inflation, Klimakrise, Pandemie – die vergangenen Jahre waren unruhig,
konfliktreich und geprägt von Krisen und Umbrüchen, die an niemandem spurlos
vorbeigegangen sind. Diese Zeit ist für viele Menschen auch eine seelische
Belastung. Gerade auch bei vielen jungen Menschen haben sich psychische Probleme
verschärft. Im Gegensatz zur körperlichen wird der seelischen Gesundheit im
öffentlichen Gesundheitswesen aber oft nicht die nötige Aufmerksamkeit zuteil.
Das wollen wir auch mit der Unterstützung aus Europa ändern. Wir setzen uns
sowohl für eine verbesserte europaweite Prävention ein als auch dafür, die
bisherigen Ansätze um die psychische Gesundheit zu verbessern und Erkrankungen
besser zu behandeln. Wir treten für eine Vernetzung von Expert*innen in Europa
ein und wollen zusammen mit den Mitgliedstaaten umfassende Lösungsstrategien
entwickeln. Da die Ursachen für mentale Gesundheitsprobleme vielfältig sind,
müssen wir sie auch auf allen Ebenen angehen. Darum setzen wir uns dafür ein,
dass die Auswirkungen auf die mentale Gesundheit übergreifend in allen
relevanten Politikfeldern mitgedacht werden. Dafür braucht es ein größeres
Problembewusstsein in der EU und ihren Institutionen. Wir begrüßen in dieser
Hinsicht die Strategie der EU-Kommission für psychische Gesundheit und setzen
uns für eine möglichst rasche und umfassende Umsetzung ein.
Auch Einsamkeit erfahren immer mehr Menschen in Europa. Das ist für die
Betroffenen häufig ein sehr belastender Zustand. Gerade auch ältere Menschen
sind davon betroffen. Die Pandemie hat die Situation für viele Menschen
diesbezüglich weiter verschärft. Wir setzen uns mit unserer Politik für mehr
gesellschaftlichen Zusammenhalt, Teilhabe und Integration ein.
Arzneimittelversorgung sicherstellen
Die Herausforderungen für die europäischen Gesundheitssysteme sind immens:
alternde Gesellschaften, eine steigende Zahl chronischer Erkrankungen und
Epidemien. Die Coronapandemie hat zudem deutlich gemacht, dass die EU bei
Arzneimitteln und ihren Wirkstoffen zu sehr von Importen aus Drittstaaten
abhängig ist – und damit häufig auch eine Produktion unter schlechten
Arbeitsbedingungen und schlechten Umweltstandards in Kauf nimmt.
Um die großen Herausforderungen für den Gesundheitsbereich zu adressieren, hat
die EU-Kommission ein Gesetzespaket zur Reform des Pharmasektors vorgelegt. Wir
begrüßen die Vorschläge, die darauf abzielen, Lieferketten zu diversifizieren
und nachhaltiger zu machen sowie Pharmaunternehmen zu verpflichten,
Arzneimittelengpässen besser vorzubeugen und diese früher zu melden.
Um Unternehmen zu ermutigen, Arzneimittel und Wirkstoffe in Europa zu entwickeln
und zu produzieren, braucht es Anreize und weniger bürokratische Verfahren.
Dabei setzen wir zwei Prioritäten: Zum einen müssen kritische Arzneimittel, die
jederzeit unentbehrlich sind, beispielsweise wichtige Antibiotika, durch eine
Produktion in Europa zuverlässig verfügbar sein. Zum anderen wollen wir hier
Wirkstoffe für Krankheiten entwickeln, für die es bislang keine oder nur
unbefriedigende Diagnose- oder Therapiemöglichkeiten gibt. Die Anreize für
Forschung und Entwicklung sowie der Schutz von geistigem Eigentum dürfen
zugleich aber nicht die Bezahlbarkeit von essenziellen Arzneimitteln gefährden
und den Markteintritt von Generika unverhältnismäßig verzögern. Zudem setzen wir
uns für geschlechterspezifische Forschung und Medizin ein, damit Unterschiede
bei Diagnose und Behandlung zwischen Frauen und Männern besser berücksichtigt
werden.
Es ist viel zu undurchsichtig, wie Preise für Arzneimittel festgesetzt werden.
Der Mangel an Transparenz und Rechenschaftspflichten in diesem Bereich führt
teilweise zu immensen Preisanstiegen. Gerade wenn öffentliche Mittel für die
Arzneimittelentwicklung eingesetzt werden, sollte das mit Transparenz über die
Kosten für Forschung und Entwicklung sowie die Preisgestaltung einhergehen.
Gesundheitsdaten sicher nutzen
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen hat große Vorteile für die
gesundheitliche Versorgung von Patient*innen und die Forschung. Krankheiten
können besser diagnostiziert, Krankheitsursachen erforscht, Doppeluntersuchungen
vermieden und die Behandlung von Patient*innen zwischen verschiedenen Ärzt*innen
und Krankenhäusern grenzüberschreitend in ganz Europa vereinfacht werden. Der
europäische Gesundheitsdatenraum soll deshalb europaweit den Zugang zu digitalen
Patient*innen-Akten ermöglichen.
Wir wollen dabei durch effektiven Datenschutz die Rechte der Patient*innen
stärken. Eine Weitergabe der Daten erfolgt dabei nicht gegen den Willen der
Patient*innen, eine Rückverfolgbarkeit der Daten muss ausgeschlossen werden. Sie
sollen Zugang zu den Daten bekommen, die über sie gespeichert sind. Auch die
Bedürfnisse vulnerabler Gruppen müssen umfassend berücksichtigt werden.
Wir möchten die anonymisierten bzw. pseudonymisierten Gesundheitsdaten auch für
die Forschung und für öffentliche Stellen zur besseren Einschätzung von
Notsituationen in der Gesundheitsversorgung zugänglich machen. Dies stellt einen
wichtigen Paradigmenwechsel in der Gesundheitsdatennutzung dar, den wir
gestalten wollen. Der Zugang zu größeren Datenmengen und deren Analyse fördert
Innovationspotenzial und kann damit die Versorgung der Patient*innen verbessern.
Wichtig ist dabei, dass dies rechtssicher und unter Wahrung des Datenschutzes
erfolgen darf, denn die Informationen zur eigenen Gesundheit gehören zu den
sensibelsten und persönlichsten Daten überhaupt.
Grundlegend für den Erfolg der Digitalisierung im Gesundheitswesen ist eine
einheitliche technische Sprache, um eine Zusammenführung von Daten und eine
grenzüberschreitende Nutzung in Europa zu ermöglichen. Daher wollen wir die
Entwicklung und verpflichtende Nutzung von international gebräuchlichen
Datenstandards und interoperablen Schnittstellen durch die Softwaresysteme von
Beginn an sicherstellen.
Antibiotikaresistenzen eindämmen
Antibiotika können Menschenleben retten Das soll auch in Zukunft gewährleistet
sein. Daher müssen Maßnahmen ergriffen werden, um ihre Wirksamkeit dauerhaft zu
garantieren. Durch einen verantwortungsvollen Umgang mit Antibiotika wollen wir
die Entstehung und Verbreitung multiresistenter Keime verhindern. Denn diese
sind eine der größten gesundheitlichen Herausforderungen der Menschheit.
Besonders bei Menschen mit schwachen Immunsystemen wie Älteren, Kindern oder
Menschen mit Erkrankungen führen sie jedes Jahr zu Hunderttausenden Todesfällen
weltweit. Darum ist es wichtig, dass Antibiotika nur dort eingesetzt werden, wo
es sie wirklich braucht. Das muss besonders die Landwirtschaft in den Blick
nehmen. Wir wollen den umsichtigen Einsatz von Antibiotika in der Humanmedizin
stärken und die Forschung fördern. Zudem sollten schnelle Diagnosetests, die vor
einer Verschreibung überprüfen, ob die Behandlung mit Antibiotika geboten ist,
in ausreichender Menge verfügbar sein.
Wir wollen die EU-Liste für Reserveantibiotika, die für die Humanmedizin
vorbehalten bleiben und nicht in der industriellen Tierhaltung eingesetzt werden
dürfen, an den entsprechenden Kriterien der WHO ausrichten. Außerdem wollen wir
den Import von tierischen Produkten beenden, bei denen in der EU verbotene
Antibiotika eingesetzt wurden. Durch Maßnahmen für bessere Hygiene und
Abwasserentsorgung wollen wir den Eintrag von Antibiotikarückständen in die
Umwelt verringern. Wir wollen die Entwicklung neuer Antibiotika und wirksamer
alternativer Behandlungsmethoden durch Anreize fördern.
Der Pflege den Rücken stärken
Ein starkes öffentliches Gesundheitswesen und eine bedarfsgerechte Pflege sind
unverzichtbar, um die menschliche Würde zu schützen und Selbstbestimmung zu
fördern. Der Mangel an Pflegefachpersonen spitzt sich immer weiter zu, in der EU
und auch hier in Deutschland. Deshalb wollen wir die Attraktivität des
Pflegeberufs steigern, die berufliche Freizügigkeit innerhalb der EU in diesem
Bereich erleichtern und die Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals verbessern.
Unser Ziel sind einfachere Anerkennungsverfahren für Studienabschlüsse sowie für
Aus- und Weiterbildungen von Pflegefachpersonen innerhalb der EU und aus dem
Ausland. Im Rahmen der EU-Pflegestrategie setzen wir uns für wettbewerbsfähige
Arbeitsbedingungen und Gehälter der professionellen Pflege gegenüber anderen
Branchen ein. Zudem braucht es mehr Investitionen in Pflegeeinrichtungen sowie
in die Aus- und Weiterbildung von Pflegefachpersonen. Auch ein stärkeres
Engagement der EU in Forschungs- und Modellprojekten sowie ein Wissens- und
Erfahrungstransfer zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Gesundheits- und
Pflegeeinrichtungen der Mitgliedstaaten wollen wir fördern.
Um die Situation der Pflegekräfte in der häuslichen Betreuung zu verbessern,
fordern wir eine Überarbeitung der Rechtsvorschriften für Sicherheit und
Gesundheitsschutz bei der Arbeit, um sicherzustellen, dass auch angestellte
Pflegekräfte in privaten Haushalten einbezogen werden und gute
Arbeitsbedingungen haben.
Vernunftbasierte Drogenpolitik -
Cannabis europaweit legalisieren
Jahrzehntelang bringt die Kriminalisierung und der War-on-Drugs mehr Leid als Segen, tausende Drogentote und eine Haupteinnahmequelle für die organisierte Kriminalität. Es braucht eine an der Wissenschaft und risikobasierten Betrachtung ausgerichtete Drogenpolitik.
An verschiedenen Orten der Welt ist der Wechsel hin zu einem unideologischen und
zeitgemäßen Umgang mit Cannabis bereits gelungen. Wir setzen uns auch in Europa
für eine zeitgemäße Drogenpolitik ein, die Gesundheit und Jugendschutz in den
Vordergrund stellt und die kriminellen Strukturen hinter dem Drogenhandel
effektiv bekämpft. Mit einem ersten großen Schritt bei der Legalisierung von
Cannabis in Deutschland macht die Ampelkoalition endlich Schluss mit der
gescheiterten Drogenpolitik der letzten Jahrzehnte und setzt auf Vernunft statt
Kriminalisierung. Wir entlasten Polizei und Justiz und stärken die
Konsument*innen in ihrer freien bewussten Entscheidung.
Indem wir kontrollierte, aber legale Bezugswege für Cannabis schaffen, stärken
wir die Verbraucher*innen und dämmen den Schwarzmarkt ein. Gleichzeitig stärken
wir Prävention und Verbraucherschutz. Das europäische und internationale Recht
setzt aktuell den Mitgliedstaaten im Umgang mit Cannabis enge Grenzen. Wir
streben eine europaweite Legalisierung und kontrollierte Abgabe von Cannabis an. Darüber hinaus wollen wir die gesundheitliche Versorgung von Abhängigen verbessern und Konsument*innen entkriminalisieren. Gesundheitsschutz muss vor Strafverfolgung gehen.
Deshalb werden wir uns in Europa dafür einsetzen, dass das europäische und
internationale Recht in Bezug auf die Produktion, den VertriebAbgabe und VerkaufWeitergabe von
CannabisproduktenSubstanzen entschärft wird und im Rahmen regulierter und kontrollierbarer Regelungen ermöglicht werden kann. Auch die Forschung zum Umgang mit psychoaktiven Substanzen, insbesondere zum medizinischen Nutzen, wollen wir weiter vorantreiben.
4. Bildung und Chancen
Europas Hochschulen besser vernetzen
Europas Hochschulen sind die Grundlage für Chancen und Innovation. Wenn wir sie
vernetzen, können wir ihre vielfältigen Kompetenzen und Profile noch besser für
den ganzen Kontinent nutzen. Wir haben uns deshalb lange für die Gründung von
europäischen Hochschulen oder Hochschulnetzwerken eingesetzt – und begrüßen,
dass nach einer Pilotphase 2018 jetzt bereits zwei Ausschreibungsrunden
stattfinden konnten. Wir setzen uns für weitere Ausschreibungsrunden sowie eine
engere Zusammenarbeit der Hochschulnetzwerke ein.
Wir unterstützen die Idee eines europäischen Hochschulabschlusses (European
Degree). Ein European Degree kann ein zusätzliches Qualitätssiegel darstellen,
das binationale, trinationale bzw. europäische und internationale Abschlüsse als
zusätzliches Qualitätssiegel aufwertet und damit Anreize für die
Internationalisierung von Studiengängen schafft.
Egal in welchem Land: Studierende haben selten viel Geld zur Verfügung. Besuche
in Museen, Theatern, aber auch beispielsweise Ausflüge in andere Städte eröffnen
neue Horizonte. Viele dieser Einrichtungen bieten Rabatte für Studierende an.
Aber gerade für Studierende aus anderen Ländern ist es oft schwierig, diese
Vergünstigungen mit ihren heimischen Studierendenausweisen zu erhalten. Die EU
hat mit der European Student Card (ESC) und dem digitalen Studierendenausweis in
der Erasmus+-App bereits erste Schritte für einen europäischen
Studierendenausweis unternommen, aber nur für einen sehr begrenzten
Personenkreis. Wir wollen, dass alle Studierenden an europäischen Universitäten
und Hochschulen einen (digitalen) europäischen Studierendenausweis bekommen
können.
Berufsabschlüsse europaweit anerkennen
Die Möglichkeit, in jedem europäischen Land zu studieren oder zu arbeiten,
eröffnet viele neue Perspektiven. Wenn es aber konkret wird, wird es oft
schwierig: Zwar haben wir mit Bachelor und Master im Bologna-Prozess ein
vergleichbares Abschlusssystem in der EU geschaffen. Aber es ist kein
Automatismus, dass zum Beispiel der Bachelor aus einem Land in einem anderen
Land für ein Masterstudium anerkannt wird. Studierende und Absolvent*innen
müssen in dem jeweiligen Land eine oftmals noch sehr bürokratische Prozedur
durchlaufen. Teils wird dann der heimische Abschluss geringwertiger eingestuft,
teils ist die Anerkennung sehr kostspielig. Darum setzen wir uns dafür ein, dass
Universitätsabschlüsse einfacher und schneller in jedem Land der EU anerkannt
werden.
Noch schwieriger wird es bei Berufsabschlüssen. Hier ist die Anerkennung oft
kompliziert, langwierig und teuer. In Zeiten des Fachkräftemangels ist das
besonders kontraproduktiv. Für eine Handvoll Berufe können Menschen deshalb den
Europäischen Berufsausweis (EBA) in ihrem Heimatland beantragen. Mit diesem
elektronischen Verfahren ist es leichter, sich die Qualifikation in einem
reglementierten Beruf in einem anderen EU-Land anerkennen lassen zu können. Wir
wollen die Anzahl der Berufe, für die der EBA möglich ist, deutlich erweitern.
Politische Bildung gegen Desinformation
Unsere Demokratien und unsere Werte sind stetigen Angriffen autoritärer und
demokratiefeindlicher Strömungen aus dem In- und Ausland ausgesetzt. Ihre
Mittel: Desinformationen und Fake News. Sie operieren immer mehr
grenzüberschreitend und versuchen, den Zusammenhalt in der EU und unsere
europäischen Werte zu unterminieren. Ihre Verschwörungsmythen säen Hass und
Ausgrenzung. Dem müssen wir stärker und europäisch koordiniert entgegenwirken.
Wir wollen daher eine Europäische Zentrale für politische Bildung gründen, einen
Anlaufpunkt für politische Bildung, der gezielt die europäische Dimension von
Desinformation adressiert. Sie soll sich vor allem an Jugendliche und junge
Erwachsene wenden, zugleich aber allen Bürger*innen als Informationsquelle zur
Verfügung stehen und breite Angebote im digitalen Raum schaffen.
Sie kann den europäischen Gedanken und komplexe europäische Prozesse
zielgruppengerecht erklären. Diese Zentrale soll zudem die digitale
Medienkompetenz der Menschen in Zeiten von Desinformation und Fake News stärken.
Dazu kann sie in der Forschung und Aufklärung auch eine Vernetzung der
europäischen Akteure vorantreiben. Sie soll unabhängig und nach klaren
wissenschaftlichen und ethischen Kriterien arbeiten können. So fördern wir
unsere demokratischen Werte und stärken den Einsatz gegen Diskriminierung.
Mit Erasmus Europa kennenlernen
Erasmus+ ist für viele die erste und oft auch persönlichste Begegnung mit der
EU. Über Erasmus+ wird gelebte europäische Gemeinschaft gefördert und der
akademische und berufliche Austausch ermöglicht.
Im Zentrum des Programms steht der Studierendenaustausch: Wir wollen, dass mehr
Menschen diese Erfahrungen machen können, vor allem aus Familien, denen das Geld
für Urlaub oder Austauschzeit im Ausland fehlt. Für viele ist es ein großer
Schritt, von zuhause ins Ausland zu gehen, und die Aussicht, sich in dieser Zeit
keinen Besuch bei der Familie leisten zu können, eine Hemmschwelle. Deshalb
wollen wir ein Mobilitätsticket für Erasmus-Teilnehmer*innen einführen, das es
ihnen ermöglicht, einmal pro Halbjahr kostenlos nach Hause und zurück zu fahren.
Wir wollen, dass sich auch Menschen mit Behinderung für eine wertvolle Erasmus+-
Erfahrung entscheiden können. Deshalb wollen wir die Beratungsangebote ausbauen
sowie Informationen barrierefrei zur Verfügung stellen. Wir wollen mit
Großbritannien Wege finden, wie Menschen auf beiden Seiten nach dem Brexit
wieder vom Austausch profitieren können.
Für viele Studierende ist Erasmus+ ein Begriff. Bei Auszubildenden aber ist das
Programm noch nicht ausreichend bekannt. Das wollen wir ändern. Denn es bietet
viele Möglichkeiten, neue fachliche Kompetenzen zu lernen und neue Erfahrungen
zu sammeln. Mit besseren Informationen, mehr Beratung sowie einfacheren Anträgen
und Anerkennungen wollen wir Erasmus+ für Auszubildende stärken.
Erasmus+ ist eine der europäischen Erfolgsgeschichten, auch für die
Jugendarbeit. Mit Blick auf die Verhandlungen zum Mehrjährigen Finanzrahmen ab
2028 werden wir uns dafür einsetzen, die Mittel für Erasmus+ zu verdoppeln.
5. Europas Jugend
Jugend beteiligen
Europa lebt durch Gemeinschaft, Begegnungen, Toleranz und Verständnis
füreinander. Um dies zu ermöglichen, spielt europäische und internationale
Jugendarbeit eine außerordentliche Rolle. Sie ermöglicht es jungen Menschen,
über den Tellerrand hinauszuschauen und europaweit Freundschaften zu schließen.
Jugendverbände und Jugendgruppen sind Grundlage für die Gestaltung von Freizeit
und Bildung von Millionen Jugendlichen in Europa. In unserer Zivilgesellschaft
muss sichergestellt werden, dass ehrenamtliches Engagement von Jugendlichen
wertgeschätzt wird und Jugendarbeit nicht an bürokratischen Hürden scheitert.
Wir sprechen uns daher für eine Stärkung und Vereinfachung der Projektförderung
über Erasmus+ aus.
Viele reden über Jugendliche und ihre Bedürfnisse. Wir wollen, dass sie selbst
zu Wort kommen und ein Mitspracherecht für das Europa haben, in dem sie leben.
Sie sind derzeit im politischen Geschehen massiv unterrepräsentiert. Darum ist
es gut, dass jetzt in Deutschland Jugendliche ab 16 Jahren erstmals bei der
Europawahl wählen können. Wir setzen uns dafür ein, dass dies in allen
Mitgliedstaaten und in Deutschland auf allen Ebenen Wirklichkeit wird.
Auch über das Wahlrecht hinaus wollen wir die Jugendbeteiligung in Europa
strukturell weiter stärken. Über den EU-Jugenddialog hat die Europäische Union
einen direkten Kanal für die Beteiligung junger Menschen und Jugendverbände auf
europäischer Ebene geschaffen, dieser soll weiter gestärkt und bei anderen
Beteiligungsformaten integriert werden. Die Ergebnisse dieser Beratungen sollen
zukünftig noch stärker in die Arbeit der EU-Kommission einfließen und junge
Menschen und ihre Interessenvertreter*innen künftig regelmäßig im Europäischen
Parlament angehört werden. Wir unterstützen zudem den EU Youth Check, mit dem
die Auswirkungen von EU-Entscheidungen auf junge Menschen überprüft werden
sollen. In der EU-Jugendstrategie werden die Leitlinien für europäische
Jugendpolitik gezogen. Wir wollen sicherstellen, dass eine Weiterentwicklung der
EU-Jugendstrategie die Interessen junger Menschen in allen Politikbereichen
stärkt. Wir setzen uns außerdem dafür ein, dass die Stelle der EU-
Jugendkoordinatorin aufgewertet wird.
Freiwilligendienste ausbauen
Eine Gemeinschaft ist so stark wie das Engagement ihrer Mitglieder. Der
Zivilgesellschaft kommt hierbei eine besondere Rolle zu. Gerade das Engagement
von jungen Europäer*innen ist elementar – zum Beispiel für die Flüchtlingshilfe
oder, Projekte der Demokratieförderung, Klimaschutz oder soziale Gerechtigkeit.
Darum wollen wir eine Million Plätze im Europäischen Freiwilligendienst
schaffen, gerade auch für Jugendliche aus Elternhäusern mit niedrigem Einkommen.
Für sie müssen wir bessere Rahmenbedingungen schaffen, damit Engagement etwas
ist, das sich jede und jeder leisten kann. Für die Durchführung von
Freiwilligendiensten braucht es aber auch Vereine, Verbände und Organisationen,
die sie anbieten. Diese wollen wir stärken, denn sie schaffen Orte der
Demokratie und des zivilgesellschaftlichen Engagements.
Diese Idee wollen wir nicht nur für Jugendliche anbieten. Wir wollen auch die
Erfahrungen, das Wissen und das Engagement von Senior*innen in ganz Europa
fruchtbar machen: Viele von ihnen haben Kenntnisse, die sie auch im Rentenalter
noch einsetzen wollen. Mit einem europäischen Programm wollen wir den Rahmen
bereitstellen, mit dem Senior*innen überall in der EU an Projekten in
Ausbildung, Vermittlung oder Zivilgesellschaft mitarbeiten können.
Europa entdecken
Mit dem DiscoverEU-Programm können 18-Jährige die EU praktisch erleben. Zweimal
im Jahr werden unter jungen Menschen sogenannte TravelPasses verlost, mit denen
sie dann in einem bestimmten Zeitraum 30 Tage lang mit dem Zug durch Europa
reisen können. Gemeinsam mit anderen jungen Menschen aus unterschiedlichen
Ländern können sie entdecken, wie vielfältig Europa ist. Daher unterstützen wir
das DiscoverEU-Programm und wollen es zukünftig noch ausbauen. Unser Ziel ist
es, aus vielen parallelen Reisen mehr gemeinsame Erlebnisse zu schaffen. Wir
wollen das Programm bekannter machen, besonders unter jungen Menschen aus
weniger wohlhabenden Elternhäusern. Außerdem wollen wir Anreize dafür setzen,
dass Gruppen aus mehreren europäischen Ländern zusammen verreisen.
6. Verbraucherschutz
Verbraucherschutz als Standortvorteil begreifen
Der Rechtsschutz der Verbraucher*innen macht die EU zu einer Union der starken
Bürger*innen. Die Freiheiten für Waren, Kapital, Dienstleistungen und Personen
im europäischen Binnenmarkt gehören zu den größten Standortvorteilen der EU. Der
Verbraucherschutz sichert Konsum, Gesundheit und Freiheiten weitreichend ab und
macht die EU damit weltweit zur Vorreiterin: Gebührenfreies Roaming, ein
nutzer*innenfreundlicher Strommarkt, moderne Infrastruktur oder sichere und
langlebige Konsumgüter sind nur einige wenige Beispiele.
Und es funktioniert: So verspricht etwa ein einheitliches Ladekabel für mobile
Endgeräte, den Kabelsalat in unzähligen Schubladen zu beenden. Der verbindliche
europäische Standard stärkt die europäische Kreislaufwirtschaft, verringert
Elektroabfall und erleichtert merklich das Leben der Verbraucher*innen. Wir
wollen dabei das ganze Spektrum digitaler Endgeräte wie Smartwatches, E-Reader
oder Kopfhörer abdecken und auch kabellose Ladetechnologien mit einschließen.
Das verbindliche Ökodesign, also die Produktion nach Kriterien der Haltbarkeit,
Reparierbarkeit und ökologischen Verträglichkeit, beschert den Verbraucher*innen
bessere Produkte. Wir setzen uns für eine schnelle Umsetzung der Richtlinien
ein, sodass relevante Produktgruppen wie Spielzeug, Möbel oder Kleidung zeitnah
umfasst werden.
Geht ein Produkt doch mal kaputt, verspricht das europäische Recht auf Reparatur
Konsument*innen den langfristigen Zugang zu Ersatzteilen und
Reparaturanleitungen. Ein kaputter Handyakku, Drucker oder Staubsauger müssen
noch lange keine Neuanschaffung bedeuten. Die Lebensdauer von teuren oder lieb
gewonnenen Anschaffungen verlängert sich mit dem Recht auf Reparatur erheblich.
So werden langlebige und reparierbare Produkte die Geldbeutel der Bürger*innen
entlasten.
Produkte des Alltags sicher nutzen zu können, wird mit der EU zur
Selbstverständlichkeit. Von Essen über Kleidung bis hin zu Kosmetika, Spielzeug
und einfachen Gebrauchsgegenständen geht Sicherheit vor. Schadstoffe,
Nanopartikel und Rückstände gesundheitsschädlicher Halb- oder Schwermetalle
kommen in vielen dieser Verbrauchs- und Konsumgüter vor. Um Sicherheit und
Transparenz zu gewährleisten, weiten wir die Risikoforschung aus und schaffen
ein Register für Nanopartikel.
Auch das Design des europäischen Strommarkts wollen wir im Sinne der
Verbraucher*innen gestalten. Mit geringen Infrastrukturkosten sowie intelligent
aufeinander abgestimmten Mechaniken von Stromverbrauch und -erzeugung bleibt der
Vorteil der günstigen Stromerzeugung bei ihnen. Wir stärken die Teilhabe von
Verbraucher*innen durch die einfache Integration von Wärmepumpen oder Wallboxen
für Elektroautos in den Strommarkt.
Fahrgastrechte garantieren
Die Reisefreiheit in der EU soll für alle Bürger*innen komfortabel und sicher
nutzbar sein. Fahrgäste sollen bei ihren Reisen durch Europa in ihren Rechten
geschützt werden – ganz egal, ob mit Bus, Bahn oder Flugzeug. Auch deshalb
wollen wir ein europaweites einheitliches Ticketsystem einführen, das Reisen mit
dem Zug attraktiver macht und den Planungsaufwand erheblich senkt.
Wir setzen uns für einen durchgehenden Schutz der Fahrgastrechte ein. Die
Entschädigung für Bahnverspätungen sollte auf 50 Prozent des Fahrpreises nach 60
Minuten und 75 Prozent nach 90 Minuten angehoben werden, wie es das Europäische
Parlament fordert.
Auch wer sich für eine Flugreise entscheidet, soll sicher und pünktlich am Ziel
ankommen. Die Novellierung der Fluggastrechte soll die bestehenden Lücken im
Verbraucherschutz bei Flugreisen schließen und die Rechte weiter ausbauen. Wir
stärken den Anspruch der Verbraucher*innen auf Entschädigungen bei Verspätungen
oder Verschiebungen von Flugreisen. Ansprüche der Reisenden sollen bei einer
großen Verspätung ab drei Stunden in die Verordnung aufgenommen werden. Bei
einer Verschiebung von Flügen soll die Frist zur Information der Reisenden auf
vier Wochen vor Reisebeginn verlängert werden. So stärken wir den Anspruch der
Verbraucher*innen auf Entschädigungen.
Besonders für Reisende, die nur gelegentlich fliegen, und Familien sind die
Regelungen zur Mitnahme von Gepäck häufig intransparent und kompliziert. Wir
setzen uns für eine einheitliche Regelung für die Maße von Handgepäck und eine
transparente Preisgestaltung für alle Gepäckvarianten ein.
Ausfälle dürfen nicht zulasten der Reisenden gehen. Deswegen wollen wir, dass
alle Fluggesellschaften sich gegen Insolvenz versichern müssen.
Vor Kostenfallen schützen
Verträge online abzuschließen, ist für viele Menschen längst Alltag und eine
erhebliche Erleichterung. Genauso unkompliziert wie der Abschluss sollte die
Kündigung sein. Verbraucher*innen finden oft keine Möglichkeit, online
abgeschlossene Verträge zu kündigen, oder haben keine Sicherheit über den
Eingang und die Rechtssicherheit der Kündigung. Die Bindung an ungewollte oder
nicht mehr benötigte Verträge wird so schnell zur Kostenfalle. Bei langfristigen
Verträgen, die online abgeschlossen werden können, wollen wir einen leicht
zugänglichen Kündigungsbutton auf der Webseite der Unternehmen einführen. Wir
sorgen so für ein europaweit hohes Verbraucherschutzniveau nach deutschem
Vorbild. Damit wird die europaweite Nutzung von Dienstleistungen vereinfacht und
sicherer gemacht. Die Beweislast für die ordnungsgemäße Umsetzung soll dabei bei
den Unternehmen liegen. Ist diese nicht rechtssicher ausgestaltet, geht das
nicht zulasten der Verbraucher*innen: Verträge sollen dann jederzeit, ohne
Einhaltung einer Kündigungsfrist, aufgehoben werden können. Wir setzen uns für
die Ergänzung der entsprechenden Verbraucherrichtlinie ein und geben Kund*innen
so die Kontrolle über ihre Verträge zurück.
Von Zeile 603 bis 605 einfügen:
Vernunftbasierte Drogenpolitik - Cannabis europaweit legalisieren
Jahrzehntelang bringt die Kriminalisierung und der War-on-Drugs mehr Leid als Segen, tausende Drogentote und eine Haupteinnahmequelle für die organisierte Kriminalität. Es braucht eine an der Wissenschaft und risikobasierten Betrachtung ausgerichtete Drogenpolitik. An verschiedenen Orten der Welt ist der Wechsel hin zu einem unideologischen und
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setzt aktuell den Mitgliedstaaten im Umgang mit Cannabis enge Grenzen. Wir streben eine europaweite Legalisierung und kontrollierte Abgabe von Cannabis an. Darüber hinaus wollen wir die gesundheitliche Versorgung von Abhängigen verbessern und Konsument*innen entkriminalisieren. Gesundheitsschutz muss vor Strafverfolgung gehen. Deshalb werden wir uns in Europa dafür einsetzen, dass das europäische und[Zeilenumbruch]
internationale Recht in Bezug auf die Produktion, den VertriebAbgabe und VerkaufWeitergabe von CannabisproduktenSubstanzen entschärft wird und im Rahmen regulierter und kontrollierbarer Regelungen ermöglicht werden kann. Auch die Forschung zum Umgang mit psychoaktiven Substanzen, insbesondere zum medizinischen Nutzen, wollen wir weiter vorantreiben.
Inflation mit steigenden Lebenshaltungskosten, Pandemie und zunehmende
Wetterextreme haben viele Menschen in ganz Europa vor große Herausforderungen
gestellt. Familien und Rentner*innen mussten wegen der gestiegenen
Lebenshaltungskosten schmerzhafte Einschnitte hinnehmen. Für viele
Selbstständige und kleine Betriebe ist die Existenzgrundlage weggebrochen. Und
bis weit in die Mitte der Gesellschaft hinein sorgen gestiegene
Lebenshaltungskosten für akute, bisweilen gar existenzielle Nöte.
Zugleich hat die Krisenbewältigung der letzten Jahre gezeigt, was alles möglich
ist, wenn wir zusammenstehen – in Deutschland und Europa.
Menschen sehnen sich in diesen Zeiten der Krise nach Stabilität und
Zusammenhalt. Europa bietet darauf die Antwort. Die europäische Einigung hat den
Lebensstandard von Millionen von Menschen angehoben und mehr soziale Sicherheit
gebracht. Wir sind überzeugt: Die Menschen in Europa müssen sich gerade in
Krisenzeiten auf einen starken Sozialstaat verlassen können, der wirksam vor
Armut und sozialer Ausgrenzung schützt.
Die Europäische Union (EU) kann einen Schutzraum bieten, der die sozialen Rechte
grenzüberschreitend und für die gesamte Breite der Gesellschaft sichert. Die EU
kann zugleich für die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sorgen, die gerechten
Wohlstand überhaupt erst ermöglichen. Ein Wohlstand, der bei denen ankommen
muss, die ihn erarbeiten. Ein Wohlstand für die Vielen. Indem wir europaweit die
Infrastruktur für klimaneutrales Wirtschaften bauen, erzeugen wir Wertschöpfung,
erhalten und schaffen gute Jobs für Millionen von Menschen: Wirtschaftliche und
soziale Infrastruktur gehen Hand in Hand und bedingen einander.
Das starke und gerechte Europa, das wir gestalten wollen, zielt im Kern auf den
Schutz jeder und jedes Einzelnen, auf den Respekt vor der Leistung aller. Es
schützt die Rechte der Arbeitnehmer*innen gegen Ausbeutung. Es reduziert
Ungleichheit. Es sichert den Anspruch der Bürger*innen auf wirksame Medikamente
und den Zugang zu hochwertiger Gesundheitsversorgung. Es sorgt dafür, dass
Verbraucher*innen ihre Ansprüche durchsetzen können. Es trägt dazu bei, dass
Familien besser abgesichert sind und Kinder eine gute Zukunft haben.
Europa ist mehr als ein Wirtschaftsraum. Die Europäische ist auch eine soziale
Union, die sich dem sozialen Fortschritt verschrieben hat. Das Versprechen von
einem Leben in Würde und Freiheit, von guten Arbeits- und Lebensbedingungen, von
gleichen Chancen und einem Auskommen ohne Armut, Ausgrenzung oder
Diskriminierung zeichnet Europa aus – ein Gerechtigkeitsversprechen an die
Breite der Gesellschaft.
Wir setzen uns dafür ein, dass dieses Versprechen nun auch überall eingelöst
wird. Dafür wollen wir die soziale Dimension der EU weiter stärken. Wir wollen
die Bedingungen dafür verbessern, dass alle Europäer*innen noch einfacher und
sicherer überall in der Union leben und arbeiten können. So wird soziale
Sicherheit zu einem Mehr an Freiheit.
Dazu wollen wir ein Europa, das verbindliche Standards setzt – für faire Löhne
und starke Gewerkschaften, gegen Willkür und Ausbeutung. Davon profitieren
letztlich alle in der EU, egal ob in wohlhabenden oder ärmeren Regionen. So
ergänzt die soziale Infrastruktur die wirtschaftliche; so erfüllen wir den
europäischen Anspruch an eine Infrastrukturunion für alle; so schaffen wir
Zusammenhalt über den ganzen Kontinent hinweg. Denn klare Mindeststandards
beugen einem Wettlauf nach unten bei der sozialen Sicherung wirksam vor.
Wir stehen für ein starkes soziales Europa, das die Menschen vor Krisen schützt
und vor Ort einen echten Unterschied macht. Wenn wir über die europäische
Souveränität sprechen, dann geht es uns auch um die Ausgestaltung und die
Verteidigung des europäischen Sozialmodells, das sich in einer globalisierten
Welt behauptet – und für Wohlstand und materielle Sicherheit, gute Arbeit und
hohe Sozialstandards steht. Dies gilt umso mehr, als die Herausforderung der
Klimaneutralität, technologischer Fortschritt und der demografische Wandel die
Arbeitswelt verändern.
In der Europäischen Säule sozialer Rechte sind die Grundsätze für ein soziales
Europa angelegt. Sie ist ein wichtiger Meilenstein einer europäisch abgestimmten
sozialen Politik. Doch bei Grundsätzen und Empfehlungen darf es nicht bleiben.
Wir wollen rechtsverbindliche und einklagbare Arbeits- und Sozialstandards
daraus ableiten. Auch wenn der Sozialstaat institutionell in erster Linie in den
Mitgliedstaaten verankert ist, darf soziale Gerechtigkeit nicht an Landesgrenzen
haltmachen.
Wir wollen ein gerechtes Europa bauen. Das gerechte Europa ist ein Gemeinwesen,
das solidarisch finanziert wird, ohne Steuerschlupflöcher für Superreiche. Das
gerechte Europa ist ein Kontinent, auf dem jede und jeder gut leben kann – ob im
Großraum Mailand, in der Lausitz oder im ländlichen Rumänien. Das gerechte
Europa bietet Zugang zu fair bezahlter Arbeit und öffentlichen Dienstleistungen,
zu guter Bildung und intakter Natur.
Kurzum: Das gerechte Europa ist ein Raum der Chancen und der Solidarität. Es
bekämpft soziale Ausgrenzung und Diskriminierungen. Es fördert soziale
Gerechtigkeit, die Gleichstellung von Frauen und Männern, den Zusammenhalt
zwischen den Generationen, Familien und den Schutz der Rechte des Kindes. So ist
es im Gründungsvertrag der EU angelegt. Für diese Gerechtigkeit streiten wir.
Dieses Europa wollen wir sein.
1. Gute Arbeit und soziale Sicherheit
Faire Löhne erreichen
Gute Arbeit mit fairen und verlässlichen Arbeitsbedingungen und einer wirksamen
Mitsprache gibt gerade in Zeiten des wirtschaftlichen Umbruchs Sicherheit und
Rückhalt. Wer von seiner Arbeit verlässlich leben und seinen Arbeitsplatz aktiv
mitgestalten kann, kann sich auch bei Veränderungen einbringen. Das stärkt auch
die Demokratie. Wir wollen gute Standards in ganz Europa gestalten und prekäre
Beschäftigung und Ausbeutung unterbinden. Eine starke Sozialpartnerschaft und
eine hohe Reichweite von Tarifverträgen sind wichtige Grundlagen für gute
Arbeit.
Ein konkreter Erfolg des sozialen Europas ist die Mindestlohnrichtlinie. Sie
schützt Wert und Würde von Arbeit. Und sie trägt dazu bei, dass viele Millionen
Beschäftigte in Europa künftig ein höheres Einkommen haben werden – wie die
Bundesregierung auch auf unsere Initiative mit der deutlichen Erhöhung des
gesetzlichen Mindestlohns vorgemacht hat. Die Richtlinie verpflichtet die
Mitgliedstaaten dazu, angemessene Mindestlöhne nach klaren Kriterien festzulegen
und das Ergreifen wirksamer Maßnahmen nachzuweisen. Wir wollen, dass die
Mindestlohnrichtlinie in Deutschland konsequent umgesetzt wird, sodass der
gesetzliche Mindestlohn steigt und auch in Zukunft einen effektiven
Mindestschutz für Beschäftigte bietet. Darüber hinaus soll mit der Richtlinie
die Tarifbindung verbindlich gestärkt werden: Mitgliedstaaten mit einer
tarifvertraglichen Abdeckung von weniger als 80 Prozent müssen einen Aktionsplan
vorlegen. Das werden wir auch in Deutschland umsetzen und damit Gerechtigkeit in
der Mitte der Gesellschaft stärken. Denn hierzulande ist die Reichweite von
Tarifverträgen in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen. Damit die
Mindestlohnrichtlinie in allen Mitgliedstaaten tatsächlich greift, muss ein
wirksames Monitoring erfolgen. So wirkt Europa konkret gegen Dumpinglöhne, damit
Arbeit sich immer lohnt.
Wir wollen Demokratie und Mitbestimmung am Arbeitsplatz länderübergreifend
ausbauen, indem wir die Europäischen Betriebsräte stärken. Bereits seit Jahren
fordern wir an der Seite der Gewerkschaften, dass die EU-Kommission endlich die
bestehende Richtlinie zu den Europäischen Betriebsräten überarbeitet und
Ausnahmeregeln beendet. Dabei wollen wir die Rechtssicherheit, den Rechtszugang
und Durchsetzungsmöglichkeiten für Europäische Betriebsräte verbessern. Um
Schlupflöcher zu schließen, sollen auch Franchise-Unternehmen in die Richtlinie
einbezogen werden. Zudem setzen wir uns für eine stärkere Vertretung von Frauen
sowie jungen Beschäftigten und Auszubildenden in den Europäischen Betriebsräten
ein. Um die Mitbestimmung in der gesamten EU zu stärken, setzen wir uns für eine
neue Rahmenrichtlinie zur Unterrichtung, Anhörung und Beteiligung von
Arbeitnehmer*innen ein, die auf die verschiedenen europäischen
Gesellschaftsformen von Unternehmen abgestimmt ist.
Darüber hinaus kämpfen wir für einen zeitgemäßen Arbeitsschutz in Europa – in
einer sich rasant beschleunigenden digitalen Arbeitswelt, die für viele
Beschäftigte mit ständiger Erreichbarkeit, Arbeitsverdichtung und Stress
einhergeht. Wir wollen daher den Schutz der Arbeitnehmer*innen vor psychischen
und körperlichen Belastungen voranbringen.
Beschäftigte in der digitalen Arbeitswelt stärken
Neue Technologien bieten große Chancen: Mit neuen Geschäftsfeldern und -modellen
entstehen neue Jobs, digitalisierte Prozesse bringen Produktivitätsgewinne,
Arbeiten wird flexibler, beispielsweise durch Homeoffice-Regelungen. Ausbeutung
darf auch in der digitalen Arbeitswelt kein Geschäftsmodell sein. Deshalb setzen
wir uns für starke Rechte von Arbeitnehmer*innen im digitalen Zeitalter ein.
EU-weit arbeiten rund 28 Millionen Menschen für Unternehmen, die digitale
Dienste anbieten und zusammenführen, sogenannte Plattformunternehmen. Die EU-
Kommission schätzt, dass 4 Millionen davon Scheinselbstständige sind. In der
laufenden europäischen Gesetzgebung zu Arbeitsbedingungen auf digitalen
Plattformen setzen wir uns dafür ein, Scheinselbstständigkeiten, die zu
schlechten Arbeitsbedingungen und zu unzureichender sozialer Absicherung führen,
europaweit einen Riegel vorzuschieben. Es braucht zudem bessere Möglichkeiten,
die Regeln durchzusetzen. Dazu wollen wir unter anderem Arbeitsinspektionen
stärken.
Viele Unternehmen setzen Software ein, um automatisiert Aufgaben zuzuteilen und
Arbeitnehmer*innen zu überprüfen, zu evaluieren und zu disziplinieren oder auch
Einstellungsentscheidungen zu treffen – das sogenannte algorithmische
Management. Die ständige Überwachung, der Wegfall persönlicher
Planungssicherheit im Alltag und der übermäßige Arbeitsdruck, die mit seinem
Einsatz einhergehen können, wollen wir beenden. Um die Rechte der
Arbeitnehmer*innen zu stärken und Missbrauch vorzubeugen, setzen wir uns für
eine neue EU-Richtlinie zum algorithmischen Management am Arbeitsplatz ein.
Freizügigkeit einfacher machen
Dass EU-Bürger*innen in jedem Mitgliedstaat arbeiten und leben können, ist ein
Grundprinzip der EU. Das eröffnet Freiheiten und fördert gleiche Chancen für
alle in der EU. Damit das für die Beschäftigten im Alltag funktioniert, setzen
wir uns für eine bessere Koordinierung der nationalen Sozialversicherungssysteme
ein.
Es ist eine große Errungenschaft, dass Bürger*innen der EU
Sozialversicherungsansprüche, die sie in einem anderen EU-Land erworben haben,
über die Grenzen mitnehmen können (Portabilität). Doch die Realität löst dieses
Versprechen noch nicht immer ein: Die Unterschiede der nationalen
Sicherungssysteme, aber auch die Bürokratie machen die Handhabung kompliziert,
und Lücken in den Leistungen lassen einige zurück. Wir wollen deshalb mehr
Koordinierung zwischen den nationalen Sozialversicherungssystemen, um soziale
Leistungsansprüche leichter von einem Land in das andere übertragen zu können
und die bestehenden Lücken gerade für Grenzpendler*innen abzubauen.
Auch die Langzeitpflege, beispielsweise für Rentner*innen oder Menschen mit
chronischen Krankheiten oder Behinderungen, soll auf diese Weise abgedeckt
werden. Ein Europäischer Sozialversicherungsausweis (ESSPASS) ist ein Beitrag
dazu. Er soll die Übertragbarkeit von Ansprüchen über Grenzen hinweg verbessern
und durch digitale Überprüfung entbürokratisieren. Wir wollen darüber hinaus die
sogenannte A1-Bescheinigung durch ein digitales Echtzeitregister ersetzen, um
grenzüberschreitende Arbeitsausbeutung zu verhindern und einen wirksamen
Sozialschutz zu gewährleisten.
Das Arbeiten im Homeoffice gehörte in der Coronakrise für sehr viele
Beschäftigte zum Alltag und wird spätestens seitdem von mehr und mehr
Arbeitnehmer*innen geschätzt. Wir wollen, dass auch das mobile Arbeiten nicht an
den europäischen Grenzen haltmacht, sondern prinzipiell auch aus einem anderen
Land als dem Beschäftigungsland möglich ist. Deshalb setzen wir uns dafür ein,
dass es eine Richtlinie für Homeoffice gibt, die es erleichtert, EU-weit im
Homeoffice zu arbeiten.
Ausbeutung bekämpfen
Damit Freizügigkeit für alle Arbeitnehmer*innen funktioniert, ist darüber hinaus
ein wirksamer Schutz vor Ausbeutung unerlässlich. Egal ob eine Arbeitnehmerin
aus Österreich in Frankreich arbeitet oder ein Saisonarbeiter aus Georgien in
Rumänien: Unionsbürger*innen und Menschen aus Drittstaaten brauchen umfassenden
Schutz vor Diskriminierung und Ausbeutung, wenn sie in einem anderen EU-Land
arbeiten.
Das führen nicht zuletzt die Skandale in der Fleischindustrie, bei Lkw-
Fernfahrer*innen, bei Saisonarbeiter*innen oder im Baugewerbe deutlich vor
Augen. Wir sagen diesen Formen der Ausbeutung den Kampf an. Ein wirksames Mittel
sind regelmäßig stattfindende Arbeitsinspektionen, für die die Mitgliedstaaten
das Personal aufstocken sowie Schulungen in europäischer Gesetzgebung und
grenzüberschreitenden Angelegenheiten verbessern sollten. Auch eine bessere
Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden und der Europäischen
Arbeitsbehörde (ELA) ist nötig. Sie sollte zudem eine stärkere Rolle für
gemeinsame koordinierte Inspektionen erhalten.
Wir wollen weitere Maßnahmen ergreifen, um missbräuchliche Praktiken von
Subunternehmen zu unterbinden, beispielsweise die gesamtschuldnerische Haftung
rechtlich verankern. Immer wieder werden Arbeiter*innen zu katastrophalen
Bedingungen untergebracht, in überfüllten Zimmern, unter schlechten hygienischen
Bedingungen und mit überteuerter Miete, die direkt vom Lohn einbehalten wird.
Die Verpflichtung zu angemessener Unterbringung wollen wir deshalb rechtlich
absichern und wirksam durchsetzen.
Eine wirksame Bekämpfung der Arbeitsausbeutung beginnt damit, dass sich
Betroffene einfach und in der eigenen Sprache über ihre Rechte informieren
können – und für deren Durchsetzung Hilfe erhalten. Wir setzen uns für eine
langfristige und verlässliche Finanzierung für die Schaffung und europaweite
Vernetzung entsprechender Beratungs- und Unterstützungsstrukturen ein. Die
Gewerkschaften sind mit ihrer fachlichen Expertise wertvolle Partnerinnen in der
Entwicklung und Durchführung solcher Angebote. Wir begrüßen, dass europäische
Zahlungen im Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik künftig von der Einhaltung von
Arbeitsnormen in der Landwirtschaft abhängig gemacht werden. Diese sogenannte
soziale Konditionalität muss nun effektiv umgesetzt werden.
Kinderarmut abbauen
Jedes vierte Kind in Europa ist von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht – das
entspricht fast 20 Millionen Kindern, die an gesunder Ernährung, Sport, Bildung
und Kultur nur sehr eingeschränkt teilhaben können. Kinderarmut bedeutet
einerseits existenziellen Mangel im Hier und Jetzt, andererseits weniger Chancen
auf ein selbstbestimmtes und erfolgreiches Leben in der Zukunft. Wir wollen,
dass alle Kinder gut ins Leben starten können. Dazu brauchen sie eine bessere
finanzielle Absicherung sowie den Zugang zu einer gut ausgebauten Betreuung und
sozialen Infrastruktur. Mit der Kindergrundsicherung hat die Bundesregierung auf
unsere Initiative in Deutschland ein zentrales Instrument im Kampf gegen
Kinderarmut auf den Weg gebracht. Armutsgefährdeten Kindern wird es besser
gehen, Armut nicht mehr versteckt sein und Eltern sorgen- und angstfreier leben
können, weil sie und ihre Kinder abgesichert sind.
Auch die EU unterstützt die Mitgliedstaaten im Kampf gegen Kinderarmut. Mit der
Europäischen Kindergarantie gibt es seit 2021 erstmals ein europaweites
Instrument, um Kinder aus benachteiligten Verhältnissen zu unterstützen; das
reicht vom kostenlosen Zugang zu Bildung über gesunde Ernährung bis hin zu
angemessener Unterbringung. Bei der Umsetzung der Kindergarantie in Deutschland
binden wir auch die Zivilgesellschaft aktiv ein.
Soziale Mindeststandards verankern
Über 95 Mio. Menschen in der EU sind von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht.
Hohe Lebenshaltungskosten haben die soziale Lage der Menschen zum Teil
existenziell verschärft. Wir wollen, dass sich alle Menschen in Europa auf
starke Sozialsysteme verlassen können, die sie vor Armut schützen. Dafür
brauchen die Sozialstaaten der Mitgliedsländer verbindliche Mindeststandards.
Wir wollen die bisherige europäische Empfehlung für angemessene
Mindestsicherungssysteme zu einer verbindlichen Richtlinie weiterentwickeln und
die darin festgelegten Standards mit einem sozialen Rechtsanspruch für
Betroffene in den Mitgliedstaaten verbinden. In diesem Zuge sollen alle
Mitgliedstaaten ihre Sozialsysteme stufenweise gemäß ihrem jeweiligen
Wohlstandsniveau armutsfest ausgestalten, nachhaltige Integration in gute Arbeit
fördern und die soziale Infrastruktur ausbauen. Das bedeutet auch für
Deutschland Rückenwind für einen starken Sozialstaat und mehr soziale
Gerechtigkeit.
Soziale Sicherung krisenfest machen
Der Sozialstaat muss sich gerade in Krisenzeiten bewähren. Eine bessere Vorsorge
gegen wirtschaftliche und soziale Folgen externer Schocks muss daher eine
zentrale Lehre aus den Krisen der letzten Jahre sein. Die Sozialsysteme der
Mitgliedstaaten müssen krisenfest gemacht werden und in Notlagen schnellen und
wirksamen Schutz für die Menschen ermöglichen. Krisenbedingte
Massenarbeitslosigkeit mit hohen sozialen Folgekosten und Härten aber
überfordert viele Mitgliedstaaten der EU. Ihre Folgen destabilisieren die ganze
EU. Mit dem europäischen Kriseninstrument SURE wurden den Mitgliedstaaten
während der Coronapandemie finanzielle Darlehen und Garantien bereitgestellt, um
Arbeitsplätze durch den Einsatz von Kurzarbeitergeld zu retten – ein großer
Erfolg. Mit dem Instrument konnten allein im Jahr 2020 in Europa schätzungsweise
1,5 Millionen Jobs gerettet werden. Aufbauend auf dieser Erfahrung wollen wir
mit einer Arbeitslosenrückversicherung für die Mitgliedstaaten ein dauerhaftes
Kriseninstrument schaffen, das die nationalen Arbeitslosenversicherungen – und
damit die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt – in schweren ökonomischen
Ausnahmesituationen durch kreditbasierte Soforthilfen stabilisiert und
Arbeitsplätze sichert.
Wohnen bezahlbar machen
Wohnen ist eine der zentralen sozialen Fragen unserer Zeit. Es muss als Teil der
Daseinsvorsorge verstanden werden. In gesicherten Wohnverhältnissen zu leben,
ist für alle Menschen existenziell. Knapper Wohnraum in den Städten, vielerorts
steigende Mieten und ein rückläufiger Bestand an Sozialwohnungen belasten
Mieter*innen bis in die Mitte der Gesellschaft und führen zu Verdrängung und
Unsicherheit. Wir wollen mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen und steigende Mieten
begrenzen. Investor*innen, die europaweit im erheblichen Umfang städtische
Wohnimmobilien aufkaufen, treiben vielerorts Immobilien- und Mietpreise in die
Höhe. Wir wollen die bestehenden europäischen Regelungen den Prüfstand stellen,
um Mieter*innen in den Mitgliedstaaten besser vor steigenden Preisen zu
schützen.
Obdach- und Wohnungslosigkeit verletzt die Menschenwürde und gehört zu den
extremsten Ausprägungen von Armut. Die EU hat sich das Ziel gesetzt,
Wohnungslosigkeit bis 2030 zu beenden und eine Europäische Plattform zur
Bekämpfung der Obdachlosigkeit ins Leben gerufen. Der Dialog zwischen den
Mitgliedstaaten muss weiter gestärkt werden, damit sie voneinander lernen können
und bewährte Konzepte wie Housing First adaptieren können. Ferner wollen wir die
Unterstützung der betroffenen Menschen vor Ort stärken. Die europäischen
Fördermittel für entsprechende Vorhaben und Projekte wollen wir angemessen
ausgestalten.
2. Starke Regionen
Kommunen stärken
Die Stärke und Attraktivität der EU liegt auch in der Vielfalt ihrer Regionen
und Kommunen. Sie sind das Fundament der EU. Hier leben, lernen und arbeiten die
Menschen. Starke Kommunen florieren in einem starken Europa, das kommunalen
Bedürfnissen und der kommunalen Gestaltungsfreiheit eine besondere Bedeutung
beimisst. Das Subsidiaritätsprinzip – also Entscheidungen möglichst bürgernah zu
treffen – ist die Grundlage für ein Europa, das schützt und ermöglicht. Dieses
Prinzip wollen wir stärken.
Dazu gehört auch, dass die EU mit ihren Möglichkeiten da unterstützend wirken
soll, wo Kommunen an ihre Grenzen stoßen. In den Kommunen Europas findet das
Alltagsleben der Bürger*innen statt. Hier wird gewohnt und gearbeitet, werden
Kinder betreut und das Ehrenamt gepflegt. Kommunen bieten die Basis unseres
gesellschaftlichen Zusammenlebens und mit einer funktionierenden Grundversorgung
auch attraktive Standorte für Unternehmen und Arbeitnehmer*innen aus ganz
Europa. Die Umsetzung der Wettbewerbsregeln darf nicht dazu führen, dass
Kommunen zur Privatisierung öffentlicher Güter gezwungen werden. Es braucht
deshalb gutes Vergabe- und Konzessionsrecht, das soziale und ökologische
Kriterien in den Mittelpunkt stellt – und dabei die öffentliche Hand stärkt. Es
fördert die Rechtssicherheit und ermöglicht Kommunen, sich für qualitativ
hochwertige Angebote zu entscheiden. So können Kommunen selbst die Wertschöpfung
aus öffentlicher Infrastruktur stärken. Indem wir in der EU die
Rekommunalisierung vergangener Privatisierungen ermöglichen, sorgen wir für neue
Entscheidungsspielräume vor Ort. Eine EU, die die kommunalen
Gestaltungsspielräume verteidigt und ausbaut, sichert Lebensqualität und
sozialen Zusammenhalt.
Insbesondere der Zugang zu sauberem und günstigem Trinkwasser ist eine
existenzielle Grundlage für ein gesundes Leben. Europa garantiert durch den
Erfolg der Bürgerinitiative Right2Water die weltweit höchsten Standards für
Trinkwasser. Die Versorgung mit Trinkwasser soll weiterhin in kommunaler Hand
bleiben und nicht nach rein marktwirtschaftlichen Interessen bestimmt werden.
Wir verteidigen daher die Ausnahme der Wasserversorgung aus der
Konzessionsrichtlinie und schützen das Recht auf Trinkwasser in der EU.
Europa muss vor Ort gelebt werden. Kommunen, Regionen, Unternehmen und die
Zivilgesellschaft brauchen mehr Mitspracherecht bei der Gestaltung europäischer
Politik. Deshalb wollen wir den Europäischen Ausschuss der Regionen und den
Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss stärken. Die grenzüberschreitende
europäische Zusammenarbeit wie die Städtepartnerschaften oder Initiativen zur
Stärkung der grenzüberschreitenden regionalen Wettbewerbsfähigkeit (INTERREG-
Programme) stärken die Kommunen und Regionen. Sie wollen wir ausweiten. Die
Ebene der europäischen Regionen (Euregios und Eurodistrikte) soll
entbürokratisiert und flexibler gestaltet werden. Sie tragen mit
grenzüberschreitenden Programmen wie etwa einer Beratung für Grenzpendler*innen,
der Zusammenarbeit der Handwerkskammern oder der gemeinsamen Raumentwicklung
maßgeblich und nah am Alltag der Bürger*innen zum Gelingen der Europäischen
Union bei.
Zusammenhalt vor Ort fördern
Der Erfolg des Green Deal und der Zusammenhalt der EU entscheiden sich vor Ort:
in den europäischen Regionen und anhand konkreter Projekte. Eine effiziente
Förderpolitik in der EU ist an den Chancen und Herausforderungen des digitalen
und ökologischen Wandels ausgerichtet. Wir stellen dabei die wirtschaftliche und
soziale Annäherung der Regionen in Europa in den Vordergrund. Der Umfang der
Fonds und Förderprogramme soll sich in seiner Größe an den Herausforderungen
orientieren.
Europäische Regionen sind bislang unterschiedlich stark auf diese
Herausforderungen vorbereitet. Das gilt sowohl innerhalb als auch zwischen den
europäischen Mitgliedstaaten. Eine konsistente und an klaren Kriterien
ausgerichtete Förderpolitik wird bei der Bewältigung dieser Herausforderungen zu
Antrieb und Kompass zugleich. Strukturschwache und ländliche Regionen, sowie
Regionen mit industrieller Prägung und Modernisierungsherausforderungen, wollen
wir bei der Auszahlung in den Mittelpunkt stellen, um gleichwertige
Lebensverhältnisse für alle Menschen zu schaffen.
Gerade in strukturschwachen Regionen stellt der demografische Wandel eine große
Herausforderung dar. Die Abwanderung von Fachkräften, insbesondere jungen
Menschen und Frauen, führt diese Regionen in eine Spirale der
Perspektivlosigkeit. Dem muss die EU-Förderpolitik entgegenwirken. So stärken
wir die Gestalter*innen der Zukunft vor Ort und schaffen gute Perspektiven für
die Regionen.
Große Herausforderungen brauchen eine große Kraftanstrengung und gleichzeitig
Effizienz und Zielgenauigkeit im Einsatz der Mittel. Das stellen wir sicher,
indem wir die Fördermittel an Kriterien im Sinne des europäischen Green Deal
ausrichten. Der Europäische Sozialfonds (ESF+) spielt dabei eine bedeutende
Rolle. Durch ihn werden auch bei uns zahlreiche Gründer*innen und Angestellte
beraten, unterstützt und lebenslang weiter gebildet. Wir statten den ESF+ mit
ausreichend Mitteln aus, um über ihn unter anderem aktive Beschäftigungspolitik
und soziale Teilhabe zu fördern. Dabei setzen wir uns dafür ein, dass die
Bedingungen guter Arbeit eine große Rolle spielen und die Mittel zu Treibern für
eine gerechte EU werden. Durch ein starkes Bekenntnis zu Tarifen, einen guten
Arbeits- und Gesundheitsschutz und vielfältige Möglichkeiten, Aus- und
Weiterbildungen wahrzunehmen, werden attraktive Arbeitsplätze für die
geförderten Regionen zum Standortvorteil.
Europäische Fördermittel bieten eine große Chance, innovative Projekte zu
entwickeln. Die Beantragung der Mittel ist jedoch oft zu kompliziert. Das
reduziert die Zahl der Anträge und manche gute Projekte werden nicht
verwirklicht. Das ändern wir, indem wir uns dafür einsetzen, den Zugang zu
Fördermitteln zu vereinfachen und die Umsetzung zu erleichtern. Dabei stellen
wir die Zielgenauigkeit sicher. Gleichzeitig erhalten wir die nötige
Flexibilität, um auf neue Herausforderungen reagieren zu können. Um
bürokratische Hürden abzubauen, wollen wir unter anderem bei kleineren
Fördersummen mehr Pauschalen einführen und ehrenamtliche Antragsteller*innen
nach Projektbewilligung von der Vorfinanzierung befreien. Bürokratieabbau
schafft so mehr Effizienz.
Jede wichtige Veränderung braucht die Beteiligung der Bürger*innen und der
Zivilgesellschaft vor Ort. Eine Politik des Gehörtwerdens nutzt die lokale
Expertise und schafft gegenseitiges Verständnis. Dieses Wissen kann durch die
Partnerschaft für Bürgerbeteiligung (Partnerschaftsprinzip) einfließen.
Mechanismen wie Bürgerdialoge, öffentliche Beratungen oder Foren sollen Teil der
Prozesse zur Mittelvergabe in allen Mitgliedstaaten sein. So sichern wir
Mitbestimmung und demokratisieren die Förderpolitik der EU.
Chancen in ländlichen Räumen nutzen
Ländliche Räume sind Zukunfts- und Chancenräume. Ihre Entwicklung entscheidet
erheblich über den Erfolg einer EU, die zusammenhält. Die Verkehrswende kann die
ländlichen Räume näher zusammenbringen. Die Energiewende kann neue Wertschöpfung
und finanziell gestärkte Kommunen schaffen. Die Entwicklung aller ländlichen
Räume ist für uns ein zentrales Ziel. Alle Menschen sollen mitentscheiden und
davon profitieren können. Dazu brauchen sie eine verlässliche Daseinsvorsorge
und Orte, an denen sie sich begegnen und austauschen können. Wir wollen die
Daseinsvorsorge stärken, indem wir Bürgergenossenschaften und multifunktionale
Einrichtungen unterstützen. Um das zu erreichen, wollen wir Förderansätze wie
LEADER und den EU-Multifondsansatz in der Strukturpolitik weiter stärken.
Energie wird wieder zunehmend in der Fläche erzeugt, das schafft zusätzliche
Wertschöpfung auf dem Land. Den Flächenverbrauch wollen wir dabei minimieren und
konsequent Mehrfachnutzen mitdenken, beispielsweise über Agri-Photovoltaik-
Anlagen, Biodiversitäts-Photovoltaik oder mehr erneuerbare Stromerzeugung über
versiegelten Flächen. Den Ausbau der Erneuerbaren und die Modernisierung von
Wirtschaft und Gesellschaft werden wir durch den gezielten Einsatz von
Förderungen so unterstützen, dass die Menschen vor Ort davon profitieren. Wir
setzen uns dementsprechend dafür ein, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für
die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) in die Kohäsionsmittel zu
integrieren und es auszubauen.
Vergaberecht modernisieren
Eine echte Infrastrukturunion, ein starker europäischer Markt und die Umsetzung
des Green Deal in ganz Europa gehen Hand in Hand mit massiven Investitionen in
eine sichere Zukunft, auf nationaler wie europäischer Ebene. Mit einem an
sozialen und nachhaltigen Kriterien ausgerichteten Vergaberecht werden diese
Investitionen einmal mehr zum Motor für eine gerechte und zukunftsfeste EU.
Besonders dort, wo wir in eine stabile europäische Infrastruktur, in effiziente
Stromnetze, ein zuverlässiges Bahnnetz oder ein am Menschen ausgerichtetes
Gesundheitssystem investieren, können wir viel bewirken. Die europäische
Infrastrukturunion anzukurbeln, hat positive Effekte auf den europäischen
Arbeitsmarkt: Es entstehen gerade in diesen Sektoren neue Jobs. Diese Jobs
sollen auch gute Jobs werden. Ein starkes Vergaberecht sichert die Zukunft
vieler Arbeitnehmer*innen in ganz Europa.
Der Staat ist selbst ein großer wirtschaftlicher Akteur, diesen riesigen Hebel
wollen wir nutzen. Egal ob Dienstleistungen oder Waren: Öffentliche
Beschaffungen sollten in der EU konsequent nachhaltig erfolgen. Daher wollen wir
die Richtlinie für öffentliches Beschaffungswesen modernisieren und auf
Nachhaltigkeitskriterien ausrichten.
Dabei bleiben Transparenz, Digitalisierung, Entbürokratisierung und
unkomplizierte Verfahren unsere Leitlinien. Jedes Unternehmen soll sich einfach
und erfolgreich um die Vergabe öffentlicher Aufträge bewerben können.
Geldverschwendung wird durch eine klare Beschaffungspolitik minimiert. Die
einfache Kommunikation der Regeln und eine aktive Unterstützung für kleine und
lokale Anbieter, beispielsweise mit Hinweisen auf die rechtlichen
Rahmenbedingungen, sorgen dabei für Gerechtigkeit. Die Vergabe öffentlicher
Aufträge wird so zum Wettbewerb um die besten Konditionen.
3. Eine verlässliche Gesundheitsversorgung
Gesundheitskrisen europäisch bewältigen
Wir wollen ein Europa, das gemeinsam die Gesundheit aller Menschen schützt.
Die Coronapandemie hat einmal mehr gezeigt, dass die großen Herausforderungen
für unsere Gesundheit keine nationalen Grenzen kennen. Sie hat uns auch gezeigt,
dass wir ihnen gemeinsam besser begegnen können. Die schnelle Entwicklung und
Verfügbarkeit der Coronaimpfstoffe zum Beispiel war auch ein europäischer
Erfolg, der durch langjährige Forschung, innovative Unternehmen und
grenzüberschreitende Zusammenarbeit zustande gekommen ist. Die EU hat in der
Pandemie die gemeinsame Beschaffung von Schutzausrüstungen und Impfstoffen
vorangetrieben, gemeinsame Forschungstätigkeit gestärkt, bei Grenzschließungen
Freizügigkeiten und Warenlieferungen koordiniert sowie ökonomische
Notsituationen abgefedert. Auch die Kompetenzen des Europäischen Zentrums für
die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) wurden erweitert, um den
Austausch mit und zwischen den Mitgliedstaaten zu stärken sowie
Gesundheitskrisen früher zu erkennen und zu bewältigen.
Um grenzüberschreitende Gesundheitskrisen besser zu bewältigen und die
Krisenvorsorge zu stärken, wollen wir noch enger auf europäischer und globaler
Ebene zusammenarbeiten. Die EU hat hier eine wichtige Rolle, um nationale
Maßnahmen zu unterstützen und zu ergänzen. Sie kann auch global einen wichtigen
Einfluss ausüben. Auf internationaler Ebene setzen wir uns dafür ein, die
Weltgesundheitsorganisation (WHO) und multilaterale Gesundheitsinitiativen
politisch, finanziell und personell zu stärken sowie den globalen Zugang zu
bezahlbaren Medikamenten zu verbessern. Das ist eine Frage der Solidarität, denn
Gesundheitskrisen treffen die Ärmsten häufig am stärksten. Es liegt aber auch in
unserem Eigeninteresse, denn Pandemien sind globale Herausforderungen. Wir
setzen uns für einen aktiven Technologie- und Wissenstransfer bezüglich der
Herstellung entscheidender Arzneimittel ein. Monopole auf geistiges Eigentum zur
Bekämpfung von Krankheiten dürfen den Zugang zu überlebenswichtigen
Schutzmaterialien, Gesundheitstechnologien, Impfstoffen und Medikamenten nicht
verhindern.
Lehren aus der Pandemie ziehen
Auch wenn mit den Ausgangsbeschränkungen oder der Maskenpflicht die sichtbarsten
Zeichen der Coronapandemie verschwunden sind, leiden noch immer viele Menschen
unter den Folgen von Covid-19. Betroffene von myalgischer Enzephalomyelitis bzw.
dem chronischen Erschöpfungssyndrom (ME/CFS), von Post-Vac oder von Long Covid
finden nicht die notwendige Aufmerksamkeit, werden fehldiagnostiziert oder
treffen auf Vorurteile. Deshalb wollen wir auf europäischer Ebene
Forschungsgelder zur Diagnostik dieser Krankheitsbilder sowie zu
Heilungsmethoden bereitstellen. Zudem braucht es mehr europäischen Austausch,
beispielsweise durch ein EU-Sachverständigennetzwerk.
Covid-19 ist – neben beispielsweise Aids oder Ebola – ein weiterer Fall einer
sogenannten Zoonose, also einer Krankheit, die von Tieren auf den Menschen
übertragen wurde. Damit unterstreicht die Coronapandemie einmal mehr, dass die
menschliche Gesundheit nicht isoliert betrachtet werden sollte, sondern in engem
Zusammenhang mit der Umwelt und der Tiergesundheit steht. Deshalb ist der One-
Health-Ansatz ein Leitbild für unsere Gesundheitspolitik: Ausreichend Raum für
die Natur hilft im Kampf gegen Zoonosen; weniger Antibiotika in der
Massentierhaltung führt zu weniger Antibiotikaresistenzen; saubere Luft und
weniger Giftstoffe in der Umwelt retten Menschenleben.
Mentale Gesundheit in den Fokus nehmen
Krieg, Inflation, Klimakrise, Pandemie – die vergangenen Jahre waren unruhig,
konfliktreich und geprägt von Krisen und Umbrüchen, die an niemandem spurlos
vorbeigegangen sind. Diese Zeit ist für viele Menschen auch eine seelische
Belastung. Gerade auch bei vielen jungen Menschen haben sich psychische Probleme
verschärft. Im Gegensatz zur körperlichen wird der seelischen Gesundheit im
öffentlichen Gesundheitswesen aber oft nicht die nötige Aufmerksamkeit zuteil.
Das wollen wir auch mit der Unterstützung aus Europa ändern. Wir setzen uns
sowohl für eine verbesserte europaweite Prävention ein als auch dafür, die
bisherigen Ansätze um die psychische Gesundheit zu verbessern und Erkrankungen
besser zu behandeln. Wir treten für eine Vernetzung von Expert*innen in Europa
ein und wollen zusammen mit den Mitgliedstaaten umfassende Lösungsstrategien
entwickeln. Da die Ursachen für mentale Gesundheitsprobleme vielfältig sind,
müssen wir sie auch auf allen Ebenen angehen. Darum setzen wir uns dafür ein,
dass die Auswirkungen auf die mentale Gesundheit übergreifend in allen
relevanten Politikfeldern mitgedacht werden. Dafür braucht es ein größeres
Problembewusstsein in der EU und ihren Institutionen. Wir begrüßen in dieser
Hinsicht die Strategie der EU-Kommission für psychische Gesundheit und setzen
uns für eine möglichst rasche und umfassende Umsetzung ein.
Auch Einsamkeit erfahren immer mehr Menschen in Europa. Das ist für die
Betroffenen häufig ein sehr belastender Zustand. Gerade auch ältere Menschen
sind davon betroffen. Die Pandemie hat die Situation für viele Menschen
diesbezüglich weiter verschärft. Wir setzen uns mit unserer Politik für mehr
gesellschaftlichen Zusammenhalt, Teilhabe und Integration ein.
Arzneimittelversorgung sicherstellen
Die Herausforderungen für die europäischen Gesundheitssysteme sind immens:
alternde Gesellschaften, eine steigende Zahl chronischer Erkrankungen und
Epidemien. Die Coronapandemie hat zudem deutlich gemacht, dass die EU bei
Arzneimitteln und ihren Wirkstoffen zu sehr von Importen aus Drittstaaten
abhängig ist – und damit häufig auch eine Produktion unter schlechten
Arbeitsbedingungen und schlechten Umweltstandards in Kauf nimmt.
Um die großen Herausforderungen für den Gesundheitsbereich zu adressieren, hat
die EU-Kommission ein Gesetzespaket zur Reform des Pharmasektors vorgelegt. Wir
begrüßen die Vorschläge, die darauf abzielen, Lieferketten zu diversifizieren
und nachhaltiger zu machen sowie Pharmaunternehmen zu verpflichten,
Arzneimittelengpässen besser vorzubeugen und diese früher zu melden.
Um Unternehmen zu ermutigen, Arzneimittel und Wirkstoffe in Europa zu entwickeln
und zu produzieren, braucht es Anreize und weniger bürokratische Verfahren.
Dabei setzen wir zwei Prioritäten: Zum einen müssen kritische Arzneimittel, die
jederzeit unentbehrlich sind, beispielsweise wichtige Antibiotika, durch eine
Produktion in Europa zuverlässig verfügbar sein. Zum anderen wollen wir hier
Wirkstoffe für Krankheiten entwickeln, für die es bislang keine oder nur
unbefriedigende Diagnose- oder Therapiemöglichkeiten gibt. Die Anreize für
Forschung und Entwicklung sowie der Schutz von geistigem Eigentum dürfen
zugleich aber nicht die Bezahlbarkeit von essenziellen Arzneimitteln gefährden
und den Markteintritt von Generika unverhältnismäßig verzögern. Zudem setzen wir
uns für geschlechterspezifische Forschung und Medizin ein, damit Unterschiede
bei Diagnose und Behandlung zwischen Frauen und Männern besser berücksichtigt
werden.
Es ist viel zu undurchsichtig, wie Preise für Arzneimittel festgesetzt werden.
Der Mangel an Transparenz und Rechenschaftspflichten in diesem Bereich führt
teilweise zu immensen Preisanstiegen. Gerade wenn öffentliche Mittel für die
Arzneimittelentwicklung eingesetzt werden, sollte das mit Transparenz über die
Kosten für Forschung und Entwicklung sowie die Preisgestaltung einhergehen.
Gesundheitsdaten sicher nutzen
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen hat große Vorteile für die
gesundheitliche Versorgung von Patient*innen und die Forschung. Krankheiten
können besser diagnostiziert, Krankheitsursachen erforscht, Doppeluntersuchungen
vermieden und die Behandlung von Patient*innen zwischen verschiedenen Ärzt*innen
und Krankenhäusern grenzüberschreitend in ganz Europa vereinfacht werden. Der
europäische Gesundheitsdatenraum soll deshalb europaweit den Zugang zu digitalen
Patient*innen-Akten ermöglichen.
Wir wollen dabei durch effektiven Datenschutz die Rechte der Patient*innen
stärken. Eine Weitergabe der Daten erfolgt dabei nicht gegen den Willen der
Patient*innen, eine Rückverfolgbarkeit der Daten muss ausgeschlossen werden. Sie
sollen Zugang zu den Daten bekommen, die über sie gespeichert sind. Auch die
Bedürfnisse vulnerabler Gruppen müssen umfassend berücksichtigt werden.
Wir möchten die anonymisierten bzw. pseudonymisierten Gesundheitsdaten auch für
die Forschung und für öffentliche Stellen zur besseren Einschätzung von
Notsituationen in der Gesundheitsversorgung zugänglich machen. Dies stellt einen
wichtigen Paradigmenwechsel in der Gesundheitsdatennutzung dar, den wir
gestalten wollen. Der Zugang zu größeren Datenmengen und deren Analyse fördert
Innovationspotenzial und kann damit die Versorgung der Patient*innen verbessern.
Wichtig ist dabei, dass dies rechtssicher und unter Wahrung des Datenschutzes
erfolgen darf, denn die Informationen zur eigenen Gesundheit gehören zu den
sensibelsten und persönlichsten Daten überhaupt.
Grundlegend für den Erfolg der Digitalisierung im Gesundheitswesen ist eine
einheitliche technische Sprache, um eine Zusammenführung von Daten und eine
grenzüberschreitende Nutzung in Europa zu ermöglichen. Daher wollen wir die
Entwicklung und verpflichtende Nutzung von international gebräuchlichen
Datenstandards und interoperablen Schnittstellen durch die Softwaresysteme von
Beginn an sicherstellen.
Antibiotikaresistenzen eindämmen
Antibiotika können Menschenleben retten Das soll auch in Zukunft gewährleistet
sein. Daher müssen Maßnahmen ergriffen werden, um ihre Wirksamkeit dauerhaft zu
garantieren. Durch einen verantwortungsvollen Umgang mit Antibiotika wollen wir
die Entstehung und Verbreitung multiresistenter Keime verhindern. Denn diese
sind eine der größten gesundheitlichen Herausforderungen der Menschheit.
Besonders bei Menschen mit schwachen Immunsystemen wie Älteren, Kindern oder
Menschen mit Erkrankungen führen sie jedes Jahr zu Hunderttausenden Todesfällen
weltweit. Darum ist es wichtig, dass Antibiotika nur dort eingesetzt werden, wo
es sie wirklich braucht. Das muss besonders die Landwirtschaft in den Blick
nehmen. Wir wollen den umsichtigen Einsatz von Antibiotika in der Humanmedizin
stärken und die Forschung fördern. Zudem sollten schnelle Diagnosetests, die vor
einer Verschreibung überprüfen, ob die Behandlung mit Antibiotika geboten ist,
in ausreichender Menge verfügbar sein.
Wir wollen die EU-Liste für Reserveantibiotika, die für die Humanmedizin
vorbehalten bleiben und nicht in der industriellen Tierhaltung eingesetzt werden
dürfen, an den entsprechenden Kriterien der WHO ausrichten. Außerdem wollen wir
den Import von tierischen Produkten beenden, bei denen in der EU verbotene
Antibiotika eingesetzt wurden. Durch Maßnahmen für bessere Hygiene und
Abwasserentsorgung wollen wir den Eintrag von Antibiotikarückständen in die
Umwelt verringern. Wir wollen die Entwicklung neuer Antibiotika und wirksamer
alternativer Behandlungsmethoden durch Anreize fördern.
Der Pflege den Rücken stärken
Ein starkes öffentliches Gesundheitswesen und eine bedarfsgerechte Pflege sind
unverzichtbar, um die menschliche Würde zu schützen und Selbstbestimmung zu
fördern. Der Mangel an Pflegefachpersonen spitzt sich immer weiter zu, in der EU
und auch hier in Deutschland. Deshalb wollen wir die Attraktivität des
Pflegeberufs steigern, die berufliche Freizügigkeit innerhalb der EU in diesem
Bereich erleichtern und die Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals verbessern.
Unser Ziel sind einfachere Anerkennungsverfahren für Studienabschlüsse sowie für
Aus- und Weiterbildungen von Pflegefachpersonen innerhalb der EU und aus dem
Ausland. Im Rahmen der EU-Pflegestrategie setzen wir uns für wettbewerbsfähige
Arbeitsbedingungen und Gehälter der professionellen Pflege gegenüber anderen
Branchen ein. Zudem braucht es mehr Investitionen in Pflegeeinrichtungen sowie
in die Aus- und Weiterbildung von Pflegefachpersonen. Auch ein stärkeres
Engagement der EU in Forschungs- und Modellprojekten sowie ein Wissens- und
Erfahrungstransfer zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Gesundheits- und
Pflegeeinrichtungen der Mitgliedstaaten wollen wir fördern.
Um die Situation der Pflegekräfte in der häuslichen Betreuung zu verbessern,
fordern wir eine Überarbeitung der Rechtsvorschriften für Sicherheit und
Gesundheitsschutz bei der Arbeit, um sicherzustellen, dass auch angestellte
Pflegekräfte in privaten Haushalten einbezogen werden und gute
Arbeitsbedingungen haben.
Vernunftbasierte Drogenpolitik -
Cannabis europaweit legalisieren
Jahrzehntelang bringt die Kriminalisierung und der War-on-Drugs mehr Leid als Segen, tausende Drogentote und eine Haupteinnahmequelle für die organisierte Kriminalität. Es braucht eine an der Wissenschaft und risikobasierten Betrachtung ausgerichtete Drogenpolitik.
An verschiedenen Orten der Welt ist der Wechsel hin zu einem unideologischen und
zeitgemäßen Umgang mit Cannabis bereits gelungen. Wir setzen uns auch in Europa
für eine zeitgemäße Drogenpolitik ein, die Gesundheit und Jugendschutz in den
Vordergrund stellt und die kriminellen Strukturen hinter dem Drogenhandel
effektiv bekämpft. Mit einem ersten großen Schritt bei der Legalisierung von
Cannabis in Deutschland macht die Ampelkoalition endlich Schluss mit der
gescheiterten Drogenpolitik der letzten Jahrzehnte und setzt auf Vernunft statt
Kriminalisierung. Wir entlasten Polizei und Justiz und stärken die
Konsument*innen in ihrer freien bewussten Entscheidung.
Indem wir kontrollierte, aber legale Bezugswege für Cannabis schaffen, stärken
wir die Verbraucher*innen und dämmen den Schwarzmarkt ein. Gleichzeitig stärken
wir Prävention und Verbraucherschutz. Das europäische und internationale Recht
setzt aktuell den Mitgliedstaaten im Umgang mit Cannabis enge Grenzen. Wir
streben eine europaweite Legalisierung und kontrollierte Abgabe von Cannabis an. Darüber hinaus wollen wir die gesundheitliche Versorgung von Abhängigen verbessern und Konsument*innen entkriminalisieren. Gesundheitsschutz muss vor Strafverfolgung gehen.
Deshalb werden wir uns in Europa dafür einsetzen, dass das europäische und
internationale Recht in Bezug auf die Produktion, den VertriebAbgabe und VerkaufWeitergabe von CannabisproduktenSubstanzen entschärft wird und im Rahmen regulierter und kontrollierbarer Regelungen ermöglicht werden kann. Auch die Forschung zum Umgang mit psychoaktiven Substanzen, insbesondere zum medizinischen Nutzen, wollen wir weiter vorantreiben.
4. Bildung und Chancen
Europas Hochschulen besser vernetzen
Europas Hochschulen sind die Grundlage für Chancen und Innovation. Wenn wir sie
vernetzen, können wir ihre vielfältigen Kompetenzen und Profile noch besser für
den ganzen Kontinent nutzen. Wir haben uns deshalb lange für die Gründung von
europäischen Hochschulen oder Hochschulnetzwerken eingesetzt – und begrüßen,
dass nach einer Pilotphase 2018 jetzt bereits zwei Ausschreibungsrunden
stattfinden konnten. Wir setzen uns für weitere Ausschreibungsrunden sowie eine
engere Zusammenarbeit der Hochschulnetzwerke ein.
Wir unterstützen die Idee eines europäischen Hochschulabschlusses (European
Degree). Ein European Degree kann ein zusätzliches Qualitätssiegel darstellen,
das binationale, trinationale bzw. europäische und internationale Abschlüsse als
zusätzliches Qualitätssiegel aufwertet und damit Anreize für die
Internationalisierung von Studiengängen schafft.
Egal in welchem Land: Studierende haben selten viel Geld zur Verfügung. Besuche
in Museen, Theatern, aber auch beispielsweise Ausflüge in andere Städte eröffnen
neue Horizonte. Viele dieser Einrichtungen bieten Rabatte für Studierende an.
Aber gerade für Studierende aus anderen Ländern ist es oft schwierig, diese
Vergünstigungen mit ihren heimischen Studierendenausweisen zu erhalten. Die EU
hat mit der European Student Card (ESC) und dem digitalen Studierendenausweis in
der Erasmus+-App bereits erste Schritte für einen europäischen
Studierendenausweis unternommen, aber nur für einen sehr begrenzten
Personenkreis. Wir wollen, dass alle Studierenden an europäischen Universitäten
und Hochschulen einen (digitalen) europäischen Studierendenausweis bekommen
können.
Berufsabschlüsse europaweit anerkennen
Die Möglichkeit, in jedem europäischen Land zu studieren oder zu arbeiten,
eröffnet viele neue Perspektiven. Wenn es aber konkret wird, wird es oft
schwierig: Zwar haben wir mit Bachelor und Master im Bologna-Prozess ein
vergleichbares Abschlusssystem in der EU geschaffen. Aber es ist kein
Automatismus, dass zum Beispiel der Bachelor aus einem Land in einem anderen
Land für ein Masterstudium anerkannt wird. Studierende und Absolvent*innen
müssen in dem jeweiligen Land eine oftmals noch sehr bürokratische Prozedur
durchlaufen. Teils wird dann der heimische Abschluss geringwertiger eingestuft,
teils ist die Anerkennung sehr kostspielig. Darum setzen wir uns dafür ein, dass
Universitätsabschlüsse einfacher und schneller in jedem Land der EU anerkannt
werden.
Noch schwieriger wird es bei Berufsabschlüssen. Hier ist die Anerkennung oft
kompliziert, langwierig und teuer. In Zeiten des Fachkräftemangels ist das
besonders kontraproduktiv. Für eine Handvoll Berufe können Menschen deshalb den
Europäischen Berufsausweis (EBA) in ihrem Heimatland beantragen. Mit diesem
elektronischen Verfahren ist es leichter, sich die Qualifikation in einem
reglementierten Beruf in einem anderen EU-Land anerkennen lassen zu können. Wir
wollen die Anzahl der Berufe, für die der EBA möglich ist, deutlich erweitern.
Politische Bildung gegen Desinformation
Unsere Demokratien und unsere Werte sind stetigen Angriffen autoritärer und
demokratiefeindlicher Strömungen aus dem In- und Ausland ausgesetzt. Ihre
Mittel: Desinformationen und Fake News. Sie operieren immer mehr
grenzüberschreitend und versuchen, den Zusammenhalt in der EU und unsere
europäischen Werte zu unterminieren. Ihre Verschwörungsmythen säen Hass und
Ausgrenzung. Dem müssen wir stärker und europäisch koordiniert entgegenwirken.
Wir wollen daher eine Europäische Zentrale für politische Bildung gründen, einen
Anlaufpunkt für politische Bildung, der gezielt die europäische Dimension von
Desinformation adressiert. Sie soll sich vor allem an Jugendliche und junge
Erwachsene wenden, zugleich aber allen Bürger*innen als Informationsquelle zur
Verfügung stehen und breite Angebote im digitalen Raum schaffen.
Sie kann den europäischen Gedanken und komplexe europäische Prozesse
zielgruppengerecht erklären. Diese Zentrale soll zudem die digitale
Medienkompetenz der Menschen in Zeiten von Desinformation und Fake News stärken.
Dazu kann sie in der Forschung und Aufklärung auch eine Vernetzung der
europäischen Akteure vorantreiben. Sie soll unabhängig und nach klaren
wissenschaftlichen und ethischen Kriterien arbeiten können. So fördern wir
unsere demokratischen Werte und stärken den Einsatz gegen Diskriminierung.
Mit Erasmus Europa kennenlernen
Erasmus+ ist für viele die erste und oft auch persönlichste Begegnung mit der
EU. Über Erasmus+ wird gelebte europäische Gemeinschaft gefördert und der
akademische und berufliche Austausch ermöglicht.
Im Zentrum des Programms steht der Studierendenaustausch: Wir wollen, dass mehr
Menschen diese Erfahrungen machen können, vor allem aus Familien, denen das Geld
für Urlaub oder Austauschzeit im Ausland fehlt. Für viele ist es ein großer
Schritt, von zuhause ins Ausland zu gehen, und die Aussicht, sich in dieser Zeit
keinen Besuch bei der Familie leisten zu können, eine Hemmschwelle. Deshalb
wollen wir ein Mobilitätsticket für Erasmus-Teilnehmer*innen einführen, das es
ihnen ermöglicht, einmal pro Halbjahr kostenlos nach Hause und zurück zu fahren.
Wir wollen, dass sich auch Menschen mit Behinderung für eine wertvolle Erasmus+-
Erfahrung entscheiden können. Deshalb wollen wir die Beratungsangebote ausbauen
sowie Informationen barrierefrei zur Verfügung stellen. Wir wollen mit
Großbritannien Wege finden, wie Menschen auf beiden Seiten nach dem Brexit
wieder vom Austausch profitieren können.
Für viele Studierende ist Erasmus+ ein Begriff. Bei Auszubildenden aber ist das
Programm noch nicht ausreichend bekannt. Das wollen wir ändern. Denn es bietet
viele Möglichkeiten, neue fachliche Kompetenzen zu lernen und neue Erfahrungen
zu sammeln. Mit besseren Informationen, mehr Beratung sowie einfacheren Anträgen
und Anerkennungen wollen wir Erasmus+ für Auszubildende stärken.
Erasmus+ ist eine der europäischen Erfolgsgeschichten, auch für die
Jugendarbeit. Mit Blick auf die Verhandlungen zum Mehrjährigen Finanzrahmen ab
2028 werden wir uns dafür einsetzen, die Mittel für Erasmus+ zu verdoppeln.
5. Europas Jugend
Jugend beteiligen
Europa lebt durch Gemeinschaft, Begegnungen, Toleranz und Verständnis
füreinander. Um dies zu ermöglichen, spielt europäische und internationale
Jugendarbeit eine außerordentliche Rolle. Sie ermöglicht es jungen Menschen,
über den Tellerrand hinauszuschauen und europaweit Freundschaften zu schließen.
Jugendverbände und Jugendgruppen sind Grundlage für die Gestaltung von Freizeit
und Bildung von Millionen Jugendlichen in Europa. In unserer Zivilgesellschaft
muss sichergestellt werden, dass ehrenamtliches Engagement von Jugendlichen
wertgeschätzt wird und Jugendarbeit nicht an bürokratischen Hürden scheitert.
Wir sprechen uns daher für eine Stärkung und Vereinfachung der Projektförderung
über Erasmus+ aus.
Viele reden über Jugendliche und ihre Bedürfnisse. Wir wollen, dass sie selbst
zu Wort kommen und ein Mitspracherecht für das Europa haben, in dem sie leben.
Sie sind derzeit im politischen Geschehen massiv unterrepräsentiert. Darum ist
es gut, dass jetzt in Deutschland Jugendliche ab 16 Jahren erstmals bei der
Europawahl wählen können. Wir setzen uns dafür ein, dass dies in allen
Mitgliedstaaten und in Deutschland auf allen Ebenen Wirklichkeit wird.
Auch über das Wahlrecht hinaus wollen wir die Jugendbeteiligung in Europa
strukturell weiter stärken. Über den EU-Jugenddialog hat die Europäische Union
einen direkten Kanal für die Beteiligung junger Menschen und Jugendverbände auf
europäischer Ebene geschaffen, dieser soll weiter gestärkt und bei anderen
Beteiligungsformaten integriert werden. Die Ergebnisse dieser Beratungen sollen
zukünftig noch stärker in die Arbeit der EU-Kommission einfließen und junge
Menschen und ihre Interessenvertreter*innen künftig regelmäßig im Europäischen
Parlament angehört werden. Wir unterstützen zudem den EU Youth Check, mit dem
die Auswirkungen von EU-Entscheidungen auf junge Menschen überprüft werden
sollen. In der EU-Jugendstrategie werden die Leitlinien für europäische
Jugendpolitik gezogen. Wir wollen sicherstellen, dass eine Weiterentwicklung der
EU-Jugendstrategie die Interessen junger Menschen in allen Politikbereichen
stärkt. Wir setzen uns außerdem dafür ein, dass die Stelle der EU-
Jugendkoordinatorin aufgewertet wird.
Freiwilligendienste ausbauen
Eine Gemeinschaft ist so stark wie das Engagement ihrer Mitglieder. Der
Zivilgesellschaft kommt hierbei eine besondere Rolle zu. Gerade das Engagement
von jungen Europäer*innen ist elementar – zum Beispiel für die Flüchtlingshilfe
oder, Projekte der Demokratieförderung, Klimaschutz oder soziale Gerechtigkeit.
Darum wollen wir eine Million Plätze im Europäischen Freiwilligendienst
schaffen, gerade auch für Jugendliche aus Elternhäusern mit niedrigem Einkommen.
Für sie müssen wir bessere Rahmenbedingungen schaffen, damit Engagement etwas
ist, das sich jede und jeder leisten kann. Für die Durchführung von
Freiwilligendiensten braucht es aber auch Vereine, Verbände und Organisationen,
die sie anbieten. Diese wollen wir stärken, denn sie schaffen Orte der
Demokratie und des zivilgesellschaftlichen Engagements.
Diese Idee wollen wir nicht nur für Jugendliche anbieten. Wir wollen auch die
Erfahrungen, das Wissen und das Engagement von Senior*innen in ganz Europa
fruchtbar machen: Viele von ihnen haben Kenntnisse, die sie auch im Rentenalter
noch einsetzen wollen. Mit einem europäischen Programm wollen wir den Rahmen
bereitstellen, mit dem Senior*innen überall in der EU an Projekten in
Ausbildung, Vermittlung oder Zivilgesellschaft mitarbeiten können.
Europa entdecken
Mit dem DiscoverEU-Programm können 18-Jährige die EU praktisch erleben. Zweimal
im Jahr werden unter jungen Menschen sogenannte TravelPasses verlost, mit denen
sie dann in einem bestimmten Zeitraum 30 Tage lang mit dem Zug durch Europa
reisen können. Gemeinsam mit anderen jungen Menschen aus unterschiedlichen
Ländern können sie entdecken, wie vielfältig Europa ist. Daher unterstützen wir
das DiscoverEU-Programm und wollen es zukünftig noch ausbauen. Unser Ziel ist
es, aus vielen parallelen Reisen mehr gemeinsame Erlebnisse zu schaffen. Wir
wollen das Programm bekannter machen, besonders unter jungen Menschen aus
weniger wohlhabenden Elternhäusern. Außerdem wollen wir Anreize dafür setzen,
dass Gruppen aus mehreren europäischen Ländern zusammen verreisen.
6. Verbraucherschutz
Verbraucherschutz als Standortvorteil begreifen
Der Rechtsschutz der Verbraucher*innen macht die EU zu einer Union der starken
Bürger*innen. Die Freiheiten für Waren, Kapital, Dienstleistungen und Personen
im europäischen Binnenmarkt gehören zu den größten Standortvorteilen der EU. Der
Verbraucherschutz sichert Konsum, Gesundheit und Freiheiten weitreichend ab und
macht die EU damit weltweit zur Vorreiterin: Gebührenfreies Roaming, ein
nutzer*innenfreundlicher Strommarkt, moderne Infrastruktur oder sichere und
langlebige Konsumgüter sind nur einige wenige Beispiele.
Und es funktioniert: So verspricht etwa ein einheitliches Ladekabel für mobile
Endgeräte, den Kabelsalat in unzähligen Schubladen zu beenden. Der verbindliche
europäische Standard stärkt die europäische Kreislaufwirtschaft, verringert
Elektroabfall und erleichtert merklich das Leben der Verbraucher*innen. Wir
wollen dabei das ganze Spektrum digitaler Endgeräte wie Smartwatches, E-Reader
oder Kopfhörer abdecken und auch kabellose Ladetechnologien mit einschließen.
Das verbindliche Ökodesign, also die Produktion nach Kriterien der Haltbarkeit,
Reparierbarkeit und ökologischen Verträglichkeit, beschert den Verbraucher*innen
bessere Produkte. Wir setzen uns für eine schnelle Umsetzung der Richtlinien
ein, sodass relevante Produktgruppen wie Spielzeug, Möbel oder Kleidung zeitnah
umfasst werden.
Geht ein Produkt doch mal kaputt, verspricht das europäische Recht auf Reparatur
Konsument*innen den langfristigen Zugang zu Ersatzteilen und
Reparaturanleitungen. Ein kaputter Handyakku, Drucker oder Staubsauger müssen
noch lange keine Neuanschaffung bedeuten. Die Lebensdauer von teuren oder lieb
gewonnenen Anschaffungen verlängert sich mit dem Recht auf Reparatur erheblich.
So werden langlebige und reparierbare Produkte die Geldbeutel der Bürger*innen
entlasten.
Produkte des Alltags sicher nutzen zu können, wird mit der EU zur
Selbstverständlichkeit. Von Essen über Kleidung bis hin zu Kosmetika, Spielzeug
und einfachen Gebrauchsgegenständen geht Sicherheit vor. Schadstoffe,
Nanopartikel und Rückstände gesundheitsschädlicher Halb- oder Schwermetalle
kommen in vielen dieser Verbrauchs- und Konsumgüter vor. Um Sicherheit und
Transparenz zu gewährleisten, weiten wir die Risikoforschung aus und schaffen
ein Register für Nanopartikel.
Auch das Design des europäischen Strommarkts wollen wir im Sinne der
Verbraucher*innen gestalten. Mit geringen Infrastrukturkosten sowie intelligent
aufeinander abgestimmten Mechaniken von Stromverbrauch und -erzeugung bleibt der
Vorteil der günstigen Stromerzeugung bei ihnen. Wir stärken die Teilhabe von
Verbraucher*innen durch die einfache Integration von Wärmepumpen oder Wallboxen
für Elektroautos in den Strommarkt.
Fahrgastrechte garantieren
Die Reisefreiheit in der EU soll für alle Bürger*innen komfortabel und sicher
nutzbar sein. Fahrgäste sollen bei ihren Reisen durch Europa in ihren Rechten
geschützt werden – ganz egal, ob mit Bus, Bahn oder Flugzeug. Auch deshalb
wollen wir ein europaweites einheitliches Ticketsystem einführen, das Reisen mit
dem Zug attraktiver macht und den Planungsaufwand erheblich senkt.
Wir setzen uns für einen durchgehenden Schutz der Fahrgastrechte ein. Die
Entschädigung für Bahnverspätungen sollte auf 50 Prozent des Fahrpreises nach 60
Minuten und 75 Prozent nach 90 Minuten angehoben werden, wie es das Europäische
Parlament fordert.
Auch wer sich für eine Flugreise entscheidet, soll sicher und pünktlich am Ziel
ankommen. Die Novellierung der Fluggastrechte soll die bestehenden Lücken im
Verbraucherschutz bei Flugreisen schließen und die Rechte weiter ausbauen. Wir
stärken den Anspruch der Verbraucher*innen auf Entschädigungen bei Verspätungen
oder Verschiebungen von Flugreisen. Ansprüche der Reisenden sollen bei einer
großen Verspätung ab drei Stunden in die Verordnung aufgenommen werden. Bei
einer Verschiebung von Flügen soll die Frist zur Information der Reisenden auf
vier Wochen vor Reisebeginn verlängert werden. So stärken wir den Anspruch der
Verbraucher*innen auf Entschädigungen.
Besonders für Reisende, die nur gelegentlich fliegen, und Familien sind die
Regelungen zur Mitnahme von Gepäck häufig intransparent und kompliziert. Wir
setzen uns für eine einheitliche Regelung für die Maße von Handgepäck und eine
transparente Preisgestaltung für alle Gepäckvarianten ein.
Ausfälle dürfen nicht zulasten der Reisenden gehen. Deswegen wollen wir, dass
alle Fluggesellschaften sich gegen Insolvenz versichern müssen.
Vor Kostenfallen schützen
Verträge online abzuschließen, ist für viele Menschen längst Alltag und eine
erhebliche Erleichterung. Genauso unkompliziert wie der Abschluss sollte die
Kündigung sein. Verbraucher*innen finden oft keine Möglichkeit, online
abgeschlossene Verträge zu kündigen, oder haben keine Sicherheit über den
Eingang und die Rechtssicherheit der Kündigung. Die Bindung an ungewollte oder
nicht mehr benötigte Verträge wird so schnell zur Kostenfalle. Bei langfristigen
Verträgen, die online abgeschlossen werden können, wollen wir einen leicht
zugänglichen Kündigungsbutton auf der Webseite der Unternehmen einführen. Wir
sorgen so für ein europaweit hohes Verbraucherschutzniveau nach deutschem
Vorbild. Damit wird die europaweite Nutzung von Dienstleistungen vereinfacht und
sicherer gemacht. Die Beweislast für die ordnungsgemäße Umsetzung soll dabei bei
den Unternehmen liegen. Ist diese nicht rechtssicher ausgestaltet, geht das
nicht zulasten der Verbraucher*innen: Verträge sollen dann jederzeit, ohne
Einhaltung einer Kündigungsfrist, aufgehoben werden können. Wir setzen uns für
die Ergänzung der entsprechenden Verbraucherrichtlinie ein und geben Kund*innen
so die Kontrolle über ihre Verträge zurück.
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