Formulierunsgvorschlag
Kapitel: | D – Was Freiheit schützt |
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Antragsteller*in: | Elina Schumacher (LV Grüne Jugend Berlin) |
Status: | Geprüft |
Eingereicht: | 16.10.2023, 21:16 |
Kapitel: | D – Was Freiheit schützt |
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Antragsteller*in: | Elina Schumacher (LV Grüne Jugend Berlin) |
Status: | Geprüft |
Eingereicht: | 16.10.2023, 21:16 |
betroffene Person eine klare Verbindung hat. Das Konzept der sicheren Drittstaaten finden wir weiterhin falsch. Der Abschluss von sogenannten Rückführungs- oder Migrationsabkommen muss menschenrechtsbasiert, die Zusammenarbeit mit den Herkunftsstaaten partnerschaftlich und auf Augenhöhe erfolgen.Kooperationen der EU mit Drittstaaten müssen immer auf der Basis von Grund- und Menschenrechten und auf Augenhöhe erfolgen. Bei Kooperationen der EU mit Drittstaaten muss sichergestellt werden, dass diese Staaten rechtsstaatliche Prinzipien im Umgang mit Geflüchteten sowie ihre Grund- und Menschenrechte respektieren. Sie darf nicht von finanzieller Unterstützung im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit abhängig gemacht werden.
Die Europäische Union (EU) ist ein Raum der Freiheit, der Sicherheit und der
Demokratie. Die Europäer*innen haben sie auf den Ruinen von Krieg und
Unterdrückung errichtet. Heute garantiert sie, dass wir ohne Grenzkontrollen
reisen können, wo uns früher Stacheldraht, Mauern und Schlagbäume trennten. Sie
sorgt dafür, dass Meinungsfreiheit gilt, wo noch vor wenigen Jahrzehnten
Diktatoren herrschten. Sie schützt den Rechtsstaat. Sie garantiert, dass alle
Europäer*innen ihre Regierungen frei wählen können – von der Gemeindeebene bis
nach Brüssel.
Das Europa, das wir weiter prägen wollen, bietet Sicherheit und Schutz, führt
zusammen und bindet ein. Unterschiede nämlich nicht nur auszuhalten, sondern als
Chance zu begreifen; Brücken zu bauen über Grenzen und Gräben hinweg; das
verbindende Element zu suchen, statt das Trennende tatenlos hinzunehmen: Nichts
anderes ist Gründungsgedanke der EU.
Sicherheit und Schutz aber brauchen Organe, die sie schaffen und erhalten. Sie
wollen wir stärken. Extremismus, Desinformation und Kriminalität machen vor
nationalen Grenzen nicht Halt, im Gegenteil: Gerade in den vergangenen Jahren
haben wir erlebt, wie autoritäre Staaten unsere freie Gesellschaft angreifen.
Die EU ist in der Verantwortung, durch Koordination und starke eigene
Institutionen den Schutz zu bieten, den die Bürger*innen zu Recht erwarten –
zumal diese Erlebbarkeit von Sicherheit und staatlicher Verlässlichkeit das
Vertrauen in den demokratischen Staatenverbund der EU unmittelbar steigert.
Die Entwicklung der EU ist eine Entwicklung zu einem immer engeren Bündnis. Das
ist gut, denn wir brauchen das Gewicht und die Fähigkeiten der EU, um viele der
drängenden Probleme unserer Zeit zu lösen. Wie wir das tun, müssen wir in einem
demokratischen Prozess bestimmen. Im Zentrum davon steht das Europäische
Parlament, dessen Rechte wir erweitern wollen. So schaffen wir die Grundlage für
eine föderale europäische Republik mit einer eigenen Verfassung. Auch wenn
Entscheidungsprozesse in Europa zuweilen mühsam und langwierig sind, so stellen
sie doch einen großen Wert da: Sie ersetzen die Gewehrkugel, die nicht mit sich
reden lässt, mit der Kraft des Wortes und der Diskussion. Dabei steht am Ende
oft ein Kompromiss, der zwar nicht jede und jeden vollends zufriedenstellt, aber
alle weiterbringt. Dafür stehen wir ein.
Denn der Zuwachs an Freiheit, Sicherheit und Demokratie, für den die europäische
Einigung seit dem Zweiten Weltkrieg gesorgt hat, dürfte in der Weltgeschichte
seinesgleichen suchen. Nicht ohne Grund ist die EU das Zielobjekt von
Extremist*innen aller Art: Wer meint, dass Frauen nicht die gleichen Rechte
haben sollten wie Männer, wer freie Medien mundtot machen will, wer seine
Interessen durch Desinformation und Hetze durchsetzen will – für den ist die EU
ein Dorn im Auge.
Wir finden: gut so.
Wir wollen die EU in ihrer Fähigkeit stärken, die Rechte und Freiheiten derer zu
schützen, die hier leben. Unser Credo: Wir schützen unsere Freiheit am besten,
wenn wir sie ausbauen. Wir wollen die europäische Demokratie stärken, damit die
besten Ideen in einen fairen Wettstreit um die Zukunft unseres Kontinents treten
können. Wir wollen die Rechtsstaatlichkeit ausbauen, die allen Bürger*innen
Sicherheit und gleiche Rechte bietet. Wir wollen eine EU, die für ihre
Bürger*innen arbeitet. Wir wollen, dass diese über das Europäische Parlament
noch klarer den Kurs mitbestimmen können. Und wir wollen, dass die EU auch im
Inneren, etwa gegenüber Regierungen wie der ungarischen von Viktor Orbán, die
nötige Durchsetzungskraft beweist: Wer gegen die Grundwerte der EU verstößt,
sollte nicht gleichzeitig uneingeschränkt von ihren Privilegien profitieren
können.
Die Möglichkeit zur gleichberechtigten Teilhabe aller ist einer dieser
Grundwerte – und eine Grundvoraussetzung für unseren Zusammenhalt. Das gilt
nicht zuletzt für die Rechte von Frauen. Solange die Hälfte der Bevölkerung in
vielen Lebensbereichen benachteiligt ist, solange ist unsere Demokratie nicht
vollständig. Autoritäre Kräfte innerhalb und außerhalb Europas stellen unseren
Zusammenhalt indes infrage, indem sie einzelne Gruppen zum Feindbild erklären.
Das schwächt uns alle und droht unseren Kontinent zu spalten. Dem treten wir
entschieden entgegen. Ein vielfältiges Europa ist ein starkes Europa: Es sorgt
dafür, dass alle beitragen und teilhaben können. Wir stehen fest an der Seite
all jener, die ausgegrenzt und diskriminiert werden. Und weil wir die EU als
Vorreiterin einer wertegeleiteten Digitalisierung sehen, wollen wir Demokratie
und Rechtsstaatlichkeit auch im Netz sichern.
Die EU ist stark, wenn sie im Kern ein Wertebündnis ist. Diese Werte müssen
dabei glaubwürdig gelebt werden. Das gilt nicht zuletzt im Umgang mit Menschen,
die nach Europa kommen wollen – oder müssen. Das Sterben im Mittelmeer und die
Lage an den europäischen Außengrenzen sind unhaltbar. Wir stehen für Humanität
und Ordnung im Umgang mit Geflüchteten und Migrant*innen. Wir wollen Schutz
bieten und zugleich Einwanderung so gestalten, dass diejenigen, die als
Informatikerinnen oder Krankenpfleger, als Studentinnen oder Erntehelfer zum
Erfolg unserer Gemeinschaft beitragen wollen, diesen Beitrag auch leisten
können.
In Vielfalt geeint, so lautet das Motto der EU. Gemeinschaft soll sie sein,
Gemeinschaft soll sie bleiben – über alle Unterschiede und Herausforderungen
hinweg. Wir setzen uns ein für eine EU, die sich als Motor für ein immer engeres
Zusammenwachsen unseres Kontinents versteht. Für einen Kontinent, in dem die
Menschen in Freiheit und unter demokratischen Werten sicher leben. Für eine EU,
die ein Zuhause bietet. Dieses Europa wollen wir sein.
Die Achtung von Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit und
Rechtsstaatlichkeit einschließlich der Rechte von Minderheiten bilden das
Fundament der EU. Wenn Regierungen in Mitgliedstaaten diese Wertebasis
systematisch aushöhlen, indem sie die Unabhängigkeit der Justiz – die erste
Wächterin des Rechtsstaats – aushebeln, Freiräume der Opposition und
Zivilgesellschaft beschneiden, eine freie Presse bekämpfen, Minderheiten- und
LGBTIQ*-Rechte einschränken, das Recht auf Asyl verweigern oder Korruption Tür
und Tor öffnen, schwächen sie die EU. Deshalb ist es unverzichtbar, dass die
bestehenden Rechtsstaatsinstrumente konsequenter und schneller genutzt und
weiterentwickelt werden.
Die Grundrechtecharta, das Grundgesetz der EU, wollen wir zum Schutzschirm für
Europas Bürger*innen machen. Da sich ihre Anwendung auf die Durchführung von EU-
Recht durch die EU-Organe beschränkt, ist ihre Schutzwirkung bislang beschränkt.
Das wollen wir ändern: Sie soll auch für das Handeln der Mitgliedstaaten gelten
und einklagbar werden. Wenn eine Regierung die Grundrechte ihrer Bürger*innen
verletzt, soll sie dafür auch auf europäischer Ebene belangt werden können. Auch
die Durchsetzbarkeit der Urteile des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs,
der über die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention wacht, wollen
wir innerhalb der EU stärken.
Dem bestehenden Rechtsstaatscheck und dem Rechtsstaatsdialog, mit denen die Lage
der Rechtsstaatlichkeit in allen Mitgliedstaaten durchleuchtet wird, wollen wir
mehr Gewicht verleihen. Wir sorgen dafür, dass besonders der Freiraum für die
Zivilgesellschaft gezielter bemessen und geschützt wird. Um den Reformdruck zu
erhöhen, setzen wir auf verbindliche Reformvereinbarungen zwischen der EU und
den Mitgliedstaaten, die perspektivisch sanktionsbewehrt werden müssen.
Öffentliche Debatten hierzu im Europäischen Parlament müssen zur Regel werden
und in die Bewertungen einfließen. Das Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7, das
in einem mehrstufigen Verfahren zum Beispiel zum Entzug des Stimmrechts führen
kann, soll wieder nutzbar gemacht werden. Das soll dadurch geschehen, dass die
Mitgliedstaaten im Europäischen Rat in allen Phasen des Verfahrens nicht mehr
mit Konsens, sondern mit qualifizierter Mehrheit abstimmen.
Die Auszahlung von EU-Mitteln soll an die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit,
demokratischer Prinzipien und der Grundrechte geknüpft werden. Um den Missbrauch
europäischer Steuergelder etwa durch systematische Korruption, Günstlings- und
Vetternwirtschaft zugunsten bestimmter Parteien wirksam zu stoppen, darf die
Überprüfung nicht allein stehen bleiben. Auch eine wirksame Gewaltenteilung und
die umfängliche Gewährung der Grundrechte sind entscheidend. Deshalb erweitern
wir den Haushaltsmechanismus auf die Einhaltung der Grundrechtecharta. Das
heißt: Bei Verstößen müssen EU-Gelder anteilig und gegebenenfalls stufenweise
eingefroren werden.
Für eine Stärkung unserer gemeinsamen Werte setzen wir auf eine zwischen Rat,
Kommission und Europäischem Parlament besser abgestimmte, sich gegenseitig
verstärkende Anwendung aller Rechtsstaatsinstrumente. Die jeweiligen
Erkenntnisse führen wir zu einer gemeinsamen Bewertungsgrundlage zusammen. Um
einen regelmäßigen Charta-Check zu garantieren, den alle Mitgliedstaaten
akzeptieren, schaffen wir eine unabhängige Expert*innen-Kommission, die die EU-
Kommission unterstützt. Wollen Mitgliedstaaten künftig EU-Fördermittel erhalten,
müssen sie sich verpflichten, mit der europäischen Staatsanwaltschaft zu
kooperieren. Bei Mittelkürzungen dürfen am Ende aber nicht die Menschen in den
Kommunen die Leidtragenden sein, weil sich korrupte Regierungen aus ihrer
finanziellen Verantwortung stehlen und lieber mit dem Finger nach Brüssel
zeigen. Daher prüfen wir, wie Kommunen direkt unterstützt werden können.
Die Stärkung der EU muss mit ihrer weiteren Demokratisierung und mehr Bürgernähe
einhergehen. Dazu wollen wir das direkt gewählte Europäische Parlament weiter
stärken. Das Parlament soll dem Rat gesetzgeberisch in allen Politikfeldern
gleichgestellt sein und wie jedes Parlament gleichberechtigt Gesetze
beschließen, etwa in der Steuer- oder Sicherheitspolitik. Es soll ein
vollwertiges Initiativrecht erhalten, damit es eigenständig Gesetze auf den Weg
bringen kann. Wir wollen sein Recht ausbauen, Untersuchungsausschüsse
einzuberufen und Zeug*innen vorzuladen. Außerdem soll es die Kommission auf
Vorschlag der Kommissionspräsidentin bzw. des Kommissionspräsidenten wählen und
im Notfall wieder entlassen können.
Für mehr demokratische Legitimierung der Entscheidungen auf EU-Ebene braucht es
mehr Transparenz im Europäischen Rat und in den Ministerräten. Die Debatten und
die Positionen der einzelnen Mitgliedsländer sollen nachvollziehbarer gemacht
werden.
Unsere Vision ist die Föderale Europäische Republik mit einer europäischen
Verfassung. Das Parlament soll in einem Zweikammersystem zusammen mit dem Rat
ein gleichberechtigter Teil der gesetzgebenden Gewalt werden.
Um die Europawahlen europäischer und demokratischer zu machen, wollen wir, dass
alle Parteien Spitzenkandidat*innen nominieren. Aus deren Reihen wiederum wählt
das Europäische Parlament den nächsten Präsidenten bzw. die nächste Präsidentin
der Kommission. Zudem sind bei der Europawahl bislang nur Kandidat*innen aus dem
jeweils eigenen Land wählbar. Das wollen wir im Sinne eines
grenzüberschreitenden Wahlkampfs ändern. Ein Teil der Abgeordneten soll
zukünftig nicht mehr allein über die nationalen Listen, sondern über europäische
transnationale Listen bestimmt werden.
Junge Menschen mischen sich ein und wollen Europa mitgestalten. Deshalb war die
Einführung des Wahlrechts ab 16 Jahren in Deutschland für die Europawahl ein
großer Erfolg.
Ergänzend zur demokratischen Vertretung der Bürger*innen im Europäischen
Parlament wollen wir mehr direkte Teilhabe auch auf EU-Ebene ermöglichen.
Mit dem Europäischen Bürger*innenforum können europäische Bürger*innen, die nach
dem Zufallsprinzip aus der gesamten Bevölkerung der EU ausgelost werden, in
einem Bürger*innen-Gutachten konkrete Handlungsvorschläge formulieren. Das war
das Prinzip der Europäischen Zukunftskonferenz. Wir wollen dieses Instrument
fest verankern.
Die Europäische Bürgerinitiative (EBI), bei der Bürger*innen direkt ein Thema
auf die Tagesordnung der europäischen Politik setzen können, wollen wir
erweitern, verbindlicher und bekannter machen. Einer erfolgreichen EBI muss
zwingend innerhalb eines Jahres ein Gesetzesvorschlag der Europäischen
Kommission folgen und dem Europäischen Parlament sowie dem Rat zur Abstimmung
vorgelegt werden. Die Initiator*innen einer EBI sollen als Zwischenschritt auch
ein Europäisches Bürger*innenforum einberufen können.
Angesichts der vielfältigen Herausforderungen sind wir auf eine handlungsfähige
EU angewiesen. Deshalb wollen wir zum einen mit der Ausweitung von
Mehrheitsentscheidungen Entscheidungen schneller ermöglichen. Wo bisher noch
Einstimmigkeit zwischen den Staaten erforderlich war und Entscheidungen deshalb
leicht blockiert werden konnten, soll in Zukunft mit qualifizierter Mehrheit
abgestimmt werden. Dabei ist es wichtig, dass die Interessen kleinerer
Mitgliedstaaten weiterhin Gehör finden.
Zum anderen wollen wir die in den Verträgen vorgesehene Klausel der Verstärkten
Zusammenarbeit (Passerelle-Klausel) besser nutzen. Sie erlaubt es einer Gruppe
von mindestens neun EU-Mitgliedstaaten, in ausgewählten Politikfeldern enger zu
kooperieren und gemeinsam Projekte anzustoßen. Damit können sie schneller
wichtige Projekte auf den Weg bringen. Wichtig für uns: Dabei soll das
Europäische Parlament einbezogen werden – und alle anderen Mitgliedsländer
sollen sich auch zu einem späteren Zeitpunkt anschließen können.
Einige der Reformen sind ohne Vertragsänderung möglich. Sie sollen zügig und
zeitnah in die Realität umgesetzt werden. Eine Reihe der Reformvorschläge, für
die wir eintreten, bedarf einer Vertragsänderung. Dafür wollen wir einen Konvent
unter der Einbeziehung von EU-Bürger*innen einberufen. Dieser soll die
Empfehlung der wegweisenden Konferenz zur Zukunft der EU einbeziehen. Hier waren
Bürger*innen maßgeblich an der Formulierung von neuen Perspektiven für die EU
beteiligt.
Demokratie lebt vom Vertrauen der Bürger*innen, jeder Anschein käuflicher
Politik richtet Schaden an. Wir sorgen deshalb für mehr Transparenz im
Europäischen Parlament, in der Kommission und im Rat, um die Glaubwürdigkeit
demokratischer Prozesse und das Vertrauen in die EU zu stärken. Wir machen
Lobbyinteressen und Interessenskonflikte für alle sichtbar. Mit dem
Korruptionsskandal einzelner Europaabgeordneter aus dem Jahr 2022 ist das
dringlicher denn je.
Den Verhaltenskodex des Europäischen Parlaments stellen wir endlich scharf. Bei
Verstößen müssen finanzielle Strafen auf dem Fuße folgen. Mit einem für alle EU-
Institutionen, auch den Rat, verbindlichen Lobbyregister legen wir auf allen
politischen Ebenen offen, wer in den Institutionen ein- und ausgeht. Diejenigen,
die auf die Gesetzgebung Einfluss ausüben, machen wir durch einen „legislativen
Fußabdruck“ sichtbar, der umfassend nachvollziehbar macht, welche Positionen im
Gesetzgebungsprozess eingebracht wurden.
Wir beenden die unwirksame reine Selbstkontrolle und schalten eine unabhängige
Ethikbehörde ein, die für alle EU-Institutionen die Regeln zur Lobbykontrolle
durchsetzt. Beim Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft sorgen wir für klare
Karenzzeitregeln, die an Übergangszahlungen angepasst sind, und für deren
Kontrolle.
Mit einer EU-weiten Datenbank, die politische Onlinewerbung sowie ihre Auftrag-
und Geldgeber*innen transparent erfasst und digitaler Wahlkampfwerbung bei der
Nutzung persönlicher Daten klare Schranken setzt, garantieren wir mehr Fairness
im demokratischen Wettbewerb und mehr Schutz gegen Desinformation und
Onlinehass.
Frauen und Mädchen sollen in der gesamten EU gleichgestellt und selbstbestimmt
leben können. In Politik, Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft und Gesellschaft –
überall gibt es noch viel zu tun. Oft war Europa die Vorreiterin für
Frauenrechte und Gleichstellung der Geschlechter. Doch rechte und
rechtskonservative Kräfte in vielen Ländern nehmen unsere Errungenschaften ins
Visier. Sie versuchen durch eine rückwärtsgewandte Familienpolitik, Frauen aus
dem Arbeitsmarkt zu drängen. Reproduktive Rechte, besonders das Recht auf
Schwangerschaftsabbruch, werden offen infrage gestellt, Errungenschaften im
Kampf gegen Gewalt an Frauen werden zurückgedrängt. Dem stellen wir uns mit
aller Macht entgegen.
Unser Ziel ist es, dass die EU eine Garantin für Geschlechtergerechtigkeit auf
unserem Kontinent bleibt. Geschlechtergerechtigkeit soll sich durch alle
Politikbereiche der Union ziehen. Deshalb wollen wir das EIGE (European
Institute for Gender Equality) stärken und ausbauen.
Die Gender-Equality-Strategie der EU-Kommission, die 2025 ausläuft, muss zügig
und umfangreich evaluiert werden. Auf Grundlage dieser Ergebnisse werden wir in
der kommenden Legislatur einen ambitionierten Plan erstellen, um mit großen
Schritten in Sachen Gleichberechtigung voranzukommen.
Alle Menschen müssen selbst über ihren Körper und ihr Leben entscheiden können.
Wir wollen auch deswegen, dass die EU die Selbstbestimmungsrechte von Frauen und
Mädchen stärkt. Dazu gehört, dass die reproduktive Gesundheit und das Recht auf
körperliche Selbstbestimmung sowie selbstbestimmte Familienplanung für alle
sichergestellt sind. Wir wollen den uneingeschränkten Zugang zu
Verhütungsmitteln stärken. Eine professionelle Beratung zur Familienplanung ist
die Grundlage für selbstbestimmte Entscheidungen. Sie muss breit in der EU
verfügbar sein. Die Initiative, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch in der EU-
Grundrechtecharta zu verankern, unterstützen wir.
Alle profitieren davon, wenn Frauen bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben.
Als Ingenieurinnen, Erzieherinnen, Ärztinnen und in unzähligen weiteren Berufen
schaffen sie Wohlstand – für Europa und für sich: Denn eine faire Beteiligung am
Arbeitsmarkt hilft Frauen, ihre wirtschaftliche Situation zu verbessern und zum
Beispiel Altersarmut zu vermeiden. Um dieses Ziel zu erreichen, wollen wir auch
politisch den Weg ebnen.
Der Gender-Pay-Gap, also die Lücke zwischen den Löhnen von Männern und denen von
Frauen, klafft in allen EU-Ländern. Im Durchschnitt liegt er bei 12,1 Prozent,
in Deutschland sogar bei circa 18 Prozent. Deshalb war die Verabschiedung der
Lohntransparenzrichtlinie ein großer Erfolg. Sie schafft mehr Transparenz durch
Auskunftsansprüche und Berichte, Entschädigungsansprüche bei
geschlechtsspezifischer Lohndiskriminierung und stärkt so die Rechte der
Arbeitnehmerinnen. Wir setzen uns mit aller Kraft dafür ein, dass diese
Richtlinie auch in den Mitgliedstaaten konsequent umgesetzt wird. Und natürlich
müssen sogenannte Sorge- und Care-Berufe, die hauptsächlich von Frauen ausgeübt
werden, durch bessere Arbeitsbedingungen und Bezahlung aufgewertet sowie die
gerechtere Verteilung von bezahlter Arbeit und unbezahlter Sorgearbeit zwischen
Frauen und Männern verbessert werden.
Um für Frauen die gleichen Zugangs- und Aufstiegschancen auf dem Arbeitsmarkt zu
schaffen und die Geschlechtergerechtigkeit zu erhöhen, wurde vom Europäischen
Rat eine Vereinbarkeitsrichtlinie erlassen. Diese soll es Eltern
partnerschaftlich ermöglichen, Berufs- und Privatleben miteinander zu
vereinbaren. Mit der Familienstartzeit, die Partner*innen nach der Geburt eine
14-tägige berufliche Freistellung ermöglicht, wird die Bundesregierung hier
einen weiteren Schritt zur Erfüllung tun und Paare bei der partnerschaftlichen
Arbeitsteilung unterstützen. Eine gute und partnerschaftliche Vereinbarkeit von
Beruf und Familie ist eine effektive Maßnahme, um dem existierenden
Fachkräftemangel durch eine höhere Erwerbsquote von Frauen entgegenzuwirken.
Denn: Viele Frauen möchten gern mehr arbeiten und immer mehr Männer wünschen
sich, Familienaufgaben paritätisch aufzuteilen – die Bedingungen lassen es aber
nicht zu.
Besonders auffällig ist der geringe Anteil von Frauen in allen Bereichen der
sogenannten MINT-Berufe und den entsprechenden Studiengängen. Das gilt für ganz
Europa. Angesichts des Arbeits- und Fachkräftemangels ist es geradezu
fahrlässig, auf dieses Potenzial zu verzichten. Entsprechend wollen wir das
Arbeitskräfteangebot für den MINT-Bereich verbessern. Auf EU-Ebene fordern wir
deshalb bessere Finanzierungsmöglichkeiten für Darlehen und
Eigenkapitalfinanzierungen für junge Unternehmerinnen und Innovatorinnen durch
EU-Fonds und Programme sowie die Erleichterung des Zugangs von Frauen zu
bestehenden Fonds, aber auch zu gut bezahlten Arbeitsplätzen.
Wir wollen ein Europa, das Schutz und Unterstützung für alle Opfer von
geschlechtsbasierter Gewalt bietet. Wir setzen uns dafür ein, dass Gewalt gegen
Frauen verhindert bzw. verfolgt und verurteilt wird. Ein wichtiger Baustein
dafür ist die finanzielle Unabhängigkeit von Frauen, da sie die Trennung von
gewalttätigen Partnern erleichtert und somit eine wichtige Voraussetzung für ein
selbstbestimmtes Leben ist. Die Istanbul-Konvention ist das erste Instrument in
Europa, das rechtsverbindliche Standards speziell zur Bekämpfung von Gewalt
gegen Frauen und häuslicher Gewalt festlegt. Endlich wurden durch die Initiative
der Bundesregierung auch in Deutschland sämtliche Vorbehalte zurückgenommen. Bis
heute aber haben sechs Mitgliedstaaten – Bulgarien, die Tschechische Republik,
Ungarn, Lettland, Litauen und die Slowakei – diese Konvention noch nicht
ratifiziert. Deshalb ist es ein großer Erfolg, dass die EU selbst umfassend und
ohne Ausnahmen der Istanbul-Konvention beigetreten ist. Wir wollen, dass alle
Leistungen der Mitgliedstaaten zum Schutz von Frauen mindestens den
Verpflichtungen aus der Istanbul-Konvention und ihrem erläuternden Bericht
entsprechen – einschließlich der Standards für Unterkünfte, Betreuungsstellen
für Opfer sowie Notrufstellen. Nun muss auch die ergänzende neue EU-Richtlinie
zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt zügig verabschiedet
und umgesetzt werden.
Menschenhandel ist eine schwere Straftat und Menschenrechtsverletzung, die wir
durch ein gemeinsames europäisches Vorgehen konsequent bekämpfen müssen. Die
verbreitetste Form des Menschenhandels in der EU geschieht zum Zweck der
sexuellen Ausbeutung. Betroffene werden gezwungen, unter menschenunwürdigen
Bedingungen in der Prostitution zu arbeiten. Mehr als die Hälfte der Opfer von
Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung in der EU sind EU-
Bürger*innen, überwiegend Frauen und Mädchen.
Wir wollen die internationale Zusammenarbeit bei der Prävention, Strafverfolgung
und zum Schutz der Betroffenen entlang der bereits bestehenden Vereinbarungen
stärken. Darüber hinaus machen wir uns bei der anstehenden Überarbeitung der EU-
Opferschutz-Richtlinie dafür stark, dass alle Opfer von Straftaten besser
geschützt werden. Wir wollen den Zugang zu Informationen über Opferrechte
stärken sowie eine gute Koordination zwischen den Mitgliedstaaten, öffentlichen
Stellen und den Justizbehörden sicherstellen. Dabei muss der Opferschutz im
Zentrum des Handelns stehen. Opfer von Menschenhandel einfach abzuschieben, ist
falsch. Stattdessen würden ihre Anzeige- und Aussagebereitschaft durch
Schutzprogramme und dauerhafte Bleiberechte erhöht und die Strafverfolgung der
Täter*innen erleichtert.
Solange Frauen in Schlüsselbereichen von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft
nicht angemessen vertreten sind, ist die Demokratie nicht vollständig. Auch in
Europa müssen wir immer noch mit der Lupe suchen, um Frauen in Aufsichtsräten
und Vorständen zu finden. Wir begrüßen, dass die Richtlinie zu
Führungspositionen nun endlich in Kraft treten konnte. Denn verbindliche Quoten
sind ein effektives Mittel, um Führungsgremien in Wirtschaft und Politik
geschlechtergerecht zu besetzen, auch in den Institutionen der EU selbst. Auch
die Kommission selbst soll geschlechterparitätisch besetzt werden.
Um die finanzielle Macht in Europa geschlechtergerechter zu gestalten, wollen
wir ein effektives Gender Budgeting und Gleichstellungschecks für den EU-
Haushalt durchsetzen. Es ist uns gelungen, künftige EU-Haushalte gerechter für
alle Geschlechter aufzustellen: In der neuen Haushaltsordnung ist nun
festgeschrieben, dass die Vergabe von EU-Geldern nach Geschlechtern transparent
gemacht wird. Dadurch werden bestehende Ungerechtigkeiten bei der
Mittelverteilung sichtbar und können korrigiert werden. Zudem hat die Kommission
eine Methode zur Messung der Auswirkungen von Haushaltsmitteln auf die
Gleichstellung entwickelt. Diese muss aber in einigen Bereichen noch verbessert
werden. Aufgrund der neuen Datenlage muss der nächste Mehrjährige Finanzrahmen
geschlechtergerecht gestaltet werden.
Europa zeichnet sich durch seine Vielfalt und das Miteinander verschiedener
Menschen aus. Queere Menschen, Menschen mit und ohne Behinderung, Atheist*innen
und religiöse Menschen, Junge und Alte bringen jeweils ihre Lebensperspektiven
ein, gestalten unser Miteinander und unsere Demokratie. Unsere pluralistische
Demokratie ist stark, weil sie in Bürgerinitiativen und Parteien, Vereinen und
Nichtregierungsorganisationen (NGOs) eine lebendige Zivilgesellschaft gestalten.
Es ist Aufgabe der EU, diese Freiheitsrechte zu sichern.
Wir unterstützen deshalb die europäische Zivilgesellschaft dabei, sich selbst
grenzüberschreitend zu denken und zu organisieren. Im Europäischen Parlament
haben wir erfolgreich eine Initiative für ein europäisches Vereinsrecht auf den
Weg gebracht. So sorgen wir dafür, dass zivilgesellschaftliche Initiativen
überall in Europa rechtlich abgesichert arbeiten können.
Zivilgesellschaftliche Initiativen sind häufig die erste Anlaufstelle für
Menschen, die Diskriminierung und Gewalt erfahren. Damit sie Betroffene
angemessen beraten können, wollen wir die bestehenden Beratungsstrukturen weiter
fördern und ausbauen.
Wir setzen uns dafür ein, dass Förderprogramme wie „Bürgerinnen und Bürger,
Gleichstellung, Rechte und Werte“ (CERV) angemessen ausgestattet werden. So
fördern wir Initiativen und Selbstvertretungsorganisationen, die sich für die
Gleichberechtigung aller Menschen stark machen und dort aktiv sind, wo
Rechtsstaatlichkeit und Demokratie besonders unter Druck stehen.
Religion und Glauben haben eine integrative Kraft in der Gesellschaft und sind
Bestandteil unserer Kulturen. Sie sind die Grundlage vieler Gemeinden und
Einrichtungen, die zum Zusammenhalt beitragen. Religionsfreiheit ist konstitutiv
für eine vielfältige und freie Gesellschaft. Menschen, die aufgrund ihres
Glaubens oder ihrer Weltanschauung verfolgt werden, verdienen unseren Schutz.
Wir wollen den interreligiösen Dialog vertiefen und Gemeinden dabei
unterstützen, Menschen verschiedenen Glaubens miteinander in Kontakt zu bringen.
Wir sind überzeugt, dass im gegenseitigen Respekt und im Dialog auf Augenhöhe
unser vielfältiges Europa gestärkt wird.
Sicherheit, das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Bürger*innen-Rechte
gelten für alle Menschen. Sie sind die Voraussetzung für ein Leben in Freiheit.
Sie müssen unabhängig davon gelten, woher ein Mensch kommt, wie er oder sie
liebt, lebt oder glaubt. Ein Europa, das in seiner Vielfalt zusammenhält und die
Rechte jedes und jeder Einzelnen schützt, schafft demokratischen Fortschritt,
Teilhabe und Freiheit für alle. Um dieses Versprechen einzulösen, muss die EU
konsequent mit rechtlichen Maßnahmen gegen Diskriminierung vorgehen.
Noch immer ist Antisemitismus bis in die Mitte der europäischen Gesellschaft
tief verwoben. Jüdische Einrichtungen werden bedroht und angegriffen. Dem
stellen wir uns entschlossen entgegen. Dies gilt in besonderer Weise für uns als
Deutschland und dem Versprechen „Nie wieder!“, dem sich auch Europa nach dem
Zweiten Weltkrieg und der Shoah verpflichtet hat. Es ist die Aufgabe aller
Mitgliedstaaten, die Sicherheit jüdischer Gemeinden zu gewährleisten und
sicherzustellen, dass Jüdinnen und Juden in Europa eine sichere Zukunft sehen.
Wir befürworten deshalb die Aufstockung der europäischen Gelder für
Sicherheitsprojekte, um sie dabei zu unterstützen. Als Europäer*innen ist es
nicht nur unsere Aufgabe, Antisemitismus in all seinen Formen entgegenzutreten,
sondern auch jüdisches Leben in seiner Vielfalt sichtbar zu machen und zu
stärken. Um das Wissen über das jüdische Leben allgemein sowie Kontakte und
Erfahrungen mit jüdischen Menschen europaweit zu vermitteln, wollen wir
politische und kulturelle Bildungsangebote fördern.
Muslim*innen bilden die zweitgrößte Religionsgemeinschaft in Europa.
Muslimisches Leben gehört zu Europa und ist zugleich zur Zielscheibe von rechten
und verschwörungsideologischen Bewegungen geworden. Wir begrüßen es, dass die EU
nach langer Zeit endlich die Stelle der EU-Koordinatorin gegen
Islamfeindlichkeit neu besetzt hat. Ihre Rolle wollen wir stärken.
Wir wollen, dass die Bekämpfung von Antiziganismus eine neue Priorität wird und
sich dabei von paternalistischen Ansätzen verabschiedet. Denn Menschen mit
Romani-Hintergrund werden beim Zugang zu Bildung, Gesundheit, Wohnen und Arbeit
oft benachteiligt. Damit die politische Teilhabe und der Einsatz gegen
Antiziganismus gefördert werden, richten wir ein europäisches Beratungsgremium
ein. Diesem gehören unter anderem Expert*innen für Roma-Politik,
Selbstvertretungsorganisationen und lokale sowie regionale Gebietskörperschaften
an.
Menschen, die Diskriminierung erfahren, sei es durch öffentliche Institutionen,
auf dem Wohnungs- oder auf dem Arbeitsmarkt, dürfen nicht allein gelassen
werden, sondern müssen Recht und Gesetz auf ihrer Seite wissen. Die EU hat durch
ihre Vorgaben den Schutz gegen Diskriminierung bereits erheblich verbessert. Um
das Schutzniveau zu vereinheitlichen und zu stärken sowie Schutzlücken zu
schließen, wollen wir, dass die 5. Antidiskriminierungsrichtlinie endlich
verabschiedet wird. Das Amt der bzw. des Antirassismusbeauftragten der
Europäischen Kommission soll gestärkt und über 2025 hinaus besetzt werden. Wir
unterstützen die Minority-SafePack-Initiative und wollen Minderheitenrechte wie
den Erhalt von Sprache, Kultur und Identität in der EU stärken.
Die Möglichkeit, sich frei zu entfalten und in der eigenen Individualität leben
zu können, ist ein Kern der europäischen Werte. Obwohl queere Menschen in den
letzten Jahrzehnten viele ihrer Rechte erfolgreich erkämpfen konnten, erleben
wir, dass autoritäre Kräfte versuchen, diese wieder zurückzudrehen. Nicht selten
ist ein selbstbestimmtes Leben in Sicherheit für lesbische, schwule, bisexuelle,
trans*, inter* und queere Menschen (LGBTIQ*) nicht möglich, weil ihre Rechte
eingeschränkt oder sie im Alltag angefeindet oder angegriffen werden. Diesen
Versuchen stellen wir uns klar entgegen, ganz egal aus welcher Motivation sie
geschehen oder von wem sie ausgehen.
Auf unsere Initiative hin hat das Europäische Parlament die EU zur „LGBTIQ*
Freedom Zone“ erklärt. Wir setzen uns auf dieser Grundlage dafür ein, dass die
EU-Kommission und der Rat alle ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente –
inklusive Vertragsverletzungsverfahren und Sanktionen – nutzen, um das
systematische Vorgehen von Regierungen gegen LGBTIQ*-Personen sowie die
Demontage von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu stoppen.
Familie ist dort, wo Menschen Verantwortung füreinander übernehmen – ob mit zwei
Müttern, alleinerziehend oder Mutter und Vater. Landesgrenzen dürfen nicht
darüber entscheiden, ob Kinder mit ihren Eltern aufwachsen, denn das Recht auf
Freizügigkeit muss auch für Regenbogenfamilien ohne Wenn und Aber gelten. Wir
streiten dafür, dass eine in einem EU-Land begründete Elternschaft, eingetragene
Partnerschaft oder gleichgeschlechtliche Ehe in der gesamten Union anerkannt
wird.
Die europäische Behindertenbewegung hat sich erfolgreich für ihr Recht auf
Gleichstellung und Teilhabe eingesetzt. Mit der Verabschiedung der UN-
Behindertenrechtskonvention haben sich die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, alle
Barrieren abzubauen, die der Teilhabe am politischen und gesellschaftlichen
Leben im Weg stehen. Wir wollen dafür sorgen, dass die inklusive Gesellschaft
endlich in ganz Europa Wirklichkeit wird.
Um selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, wollen wir eine stärkere Förderung von
selbstständigem Wohnen, inklusivem Leben und Arbeiten. Dazu wollen wir unter
anderem das Werkstättensystem reformieren – denn sozialer Schutz und
Mindestlöhne müssen auch für Menschen mit Behinderung gelten.
Schlechte Nutzbarkeit von Webseiten, Stufen ohne Rampe, zu enge Türen – Menschen
mit Behinderung, aber auch ältere Menschen oder mobilitätseingeschränkte
Personen erleben in ihrem Alltag unterschiedliche Barrieren, die ihre Teilhabe
am öffentlichen Leben einschränken. Wir setzen uns dafür ein, dass die EU-
Barrierefreiheitsrichtlinie, der sogenannte European Accessibility Act (EAA), in
allen Mitgliedstaaten – auch in Deutschland – umgesetzt wird.
Um die europäische Freizügigkeit auch für Menschen mit Behinderung erlebbar zu
machen, wollen wir einen europäischen Schwerbehindertenausweis einführen,
gegenseitige Anerkennung nationaler Definitionen von Behinderung und
barrierefreies Reisen durch ganz Europa umsetzen. Dies gilt auch für die
Inanspruchnahme von sozialen Leistungen.
Wenig eint Europa so sehr wie seine vielfältige, lebendige Kultur. Sie entsteht
aus dem Zusammenspiel von Traditionen des gesamten Kontinents mit Einflüssen von
außen und der beständigen Entwicklung neuer Ausdrucksformen. Kultur ist ein Wert
an sich und zugleich ein unverzichtbarer Teil der europäischen Demokratie, denn
in ihr finden Austausch und Zusammenleben über Grenzen hinweg auf verschiedenste
Weise statt. Wir verteidigen deshalb die freie Kunst und Kultur gegen staatliche
Eingriffe, aber auch durch die Gestaltung einer öffentlichen Förderung, die
künstlerische Kreativität auch jenseits der Marktlogiken ermöglicht.
Das Programm „Creative Europe“ wollen wir deshalb ausbauen und deutlich
vereinfachen, um die Zusammenarbeit und den Austausch von Künstler*innen und
Kulturveranstalter*innen in ganz Europa zu ermöglichen, nicht zuletzt auch dort,
wo Vielfalt und Demokratie unter Druck stehen. Es soll sich als Dienstleister
für Kulturschaffende verstehen, der ansprechbar ist sowie schnell und
zielgerichtet unterstützt.
Das Ziel der Klimaneutralität betrifft in besonderem Maß die europäische
Dimension der Kultur, die von der Bewegung von Kulturgütern und Menschen lebt.
Wir wollen daher im Rahmen von Creative Europe ein Programm schaffen, in dem
Beratung und Finanzierung für den Wandel der europäischen Kulturzusammenarbeit
hin zur Klimaneutralität gebündelt werden. Auch die Idee des Neuen Europäischen
Bauhauses, das einen interdisziplinären Ansatz für klimaneutrales Bauen und
Gestalten fördert, wollen wir partizipativ weiter ausbauen und als eigene
Mission in Horizont Europa verankern.
Im Programm der europäischen Kulturhauptstädte wird die Vielfalt unseres
Kontinents erlebbar und gefördert. Wir wollen dieses erfolgreiche Konzept
fortführen, dabei aber die Bewerbungsverfahren überprüfen und transparenter
gestalten.
Zur europäischen Kultur gehört auch ihre gewachsene Struktur einer unabhängigen
Kulturwirtschaft mit kleinen und mittelständischen Unternehmen. Sie gestalten
unter anderem virtuelle Welten, Games, Filme oder Serien und sind wesentliche
Treiberinnen von Innovation und Wachstum – weit über ihren eigenen Sektor
hinaus. Diese Strukturen wollen wir fördern und gegen die Marktmacht der großen
internationalen Plattformen schützen, etwa indem wir uns in Handelsabkommen für
die Aufrechterhaltung der kulturellen Ausnahme einsetzen.
Die Schaffenskraft von Künstler*innen und Kreativen ist die Grundlage für unsere
lebendige Kulturlandschaft. Angesichts technischer und gesellschaftlicher
Veränderungen müssen sie ihren Platz in der Verwertungskette der
Kulturproduktion immer wieder neu behaupten. Das gilt vor allem für die neuen
Entwicklungen der Künstlichen Intelligenz (KI). Diese nutzt von Menschen
erdachte Bilder, Töne und Texte, um neue Inhalte zu erzeugen. Damit tritt sie in
Konkurrenz zu menschlichen Urheber*innen. Wir setzen uns daher für die
Durchsetzung der Rechte von Urheber*innen ein, zum Beispiel dafür, dass sie die
Zustimmung zur Verwendung ihres Materials auf der Grundlage des bestehenden
Urheberrechts verweigern dürfen. Urheber*innen wollen wir bei der fairen
Vergütung ihrer Werke unterstützen. Urheber*innen und auch andere
Kulturschaffende wie Schauspieler*innen oder Musiker*innen müssen einen Platz am
Tisch haben, wenn über die Weichenstellungen der digitalisierten Kulturwelt
entschieden wird.
Durch eine Erweiterung des Erasmus-Programms auf Künstler*innen und Kreative
wollen wir die Mobilität und die europäische Perspektive von Kulturschaffenden
weiter stärken. Für Kulturschaffende, denen außerhalb der EU Verfolgung droht,
wollen wir einen sicheren Hafen und Unterstützungsmöglichkeiten anbieten.
Freie Medien sind eine unverzichtbare Grundlage für jede demokratische
Öffentlichkeit. Auch in Mitgliedstaaten der EU wird diese Grundlage heute
angegriffen. Wir unterstützen deshalb verbindliche Instrumente, um gegen die
Einschränkung von Pressefreiheit – sei es in Form offener Zensur, durch die
Kontrolle und Zentralisierung von Verlagseigentum oder auf anderem Weg –
vorzugehen. Dabei gilt für uns auch hier, dass alle Kontrollmechanismen dem
Grundsatz der Staatsferne folgen müssen.
Private Medien in Print und Online werden auch durch die Marktmacht der
Plattformen im Wettbewerb um Werbeeinnahmen stark in ihrem Wirtschaftsmodell
beeinträchtigt. Wir streben deshalb an, durch geeignete Instrumente die
Wettbewerbssituation für journalistische Angebote besonders im Netz zu
verbessern.
Der grenz- und sprachüberschreitende Raum der EU stellt für die Herausbildung
einer gemeinsamen Öffentlichkeit eine besondere Herausforderung dar. Deshalb
setzen wir uns für einen Ausbau transnationaler und mehrsprachiger Angebote des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein. Konkret wollen wir dazu zunächst den
erfolgreichen Ansatz des Senders arte ausbauen und ihn schrittweise zu einem
gemeinsamen europäischen Angebot entwickeln. Darüber hinaus setzen wir uns für
die Vernetzung der Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Europa und
für eine verbesserte Auffindbarkeit europäischer Kultur- und Medienangebote im
Netz ein. Wir wollen Förderung und Schutz für Exilmedien schaffen, damit die EU
ein Raum des freien Ausdrucks auch für Menschen aus Ländern sein kann, in denen
die Presse- und Meinungsfreiheit unterdrückt wird.
Die Erinnerung an vergangenes Unrecht gehört zu den Grundlagen aller
Gesellschaften eines Kontinents, der über Jahrhunderte von Gewalt und Kriegen
gezeichnet war. Die EU als Friedensprojekt hat die Aufgabe, diese Perspektiven
zueinander in Beziehung zu setzen. Erinnerung soll einen Beitrag zu Versöhnung
und Verständigung leisten, nicht spalten. Dabei ist es wichtig, eine
multiperspektivische Erinnerungskultur zu fördern, die auch die Geschichte von
bisher zu Unrecht überhörten Gruppen mit in den Blick nimmt. Wir wollen mit
europäischen Mitteln Initiativen unterstützen, die sich der Aufgabe der
Verständigung widmen und beispielsweise auch in Osteuropa die sich historisch
überlagernden Gewalterfahrungen durch den Angriffskrieg Deutschlands sowie die
Unterdrückung durch die Sowjetunion in ihrem komplexen Erbe verständlich und
nachvollziehbar machen. Bestrebungen nach einer Umdeutung der Geschichte im
Dienste nationalistischer Tendenzen treten wir entschieden entgegen.
Allen Versuchen, einen „Schlussstrich“ unter das Erinnern an die Verbrechen des
Nationalsozialismus und besonders der Shoah zu ziehen oder sie zu verharmlosen,
stellen wir uns klar entgegen. Sie sind mit den demokratischen Werten
unvereinbar. Wir werden dies nicht unbeantwortet lassen – nicht in Deutschland,
nicht in Europa, nirgendwo.
Zum europäischen Erbe gehört auch die grausame Geschichte von Völkermord,
Kolonialismus, Versklavung und Ausbeutung in Afrika, Lateinamerika und Asien.
Viele europäische Staaten waren in diese Verbrechen verwickelt und profitieren
teilweise noch heute von den damals geschaffenen Abhängigkeiten. Deswegen wollen
wir die Aufarbeitung der kolonialen Geschichte in enger Zusammenarbeit mit den
Nachkommen, mit Forscher*innen und zivilgesellschaftlichen Initiativen aus
ehemals kolonisierten Staaten auch auf europäischer Ebene vorantreiben. Dazu
gehört die Rückgabe beispielsweise von Raubkunst oder menschlichen Gebeinen.
Ob Amateurfußball oder Champions League, ob Fahrradausflug oder Tour de France –
Sport steht im Herzen von Europa. Er verbindet Menschen, schafft und vermittelt
regionale Identitäten, sorgt für Gesprächsstoff. Im Zentrum stehen die vielen
Menschen, die sich ehrenamtlich in Vereinen und Verbänden engagieren. Wir wollen
Verbände stärken, die sich besonders für gesellschaftlichen Zusammenhalt,
Demokratie und Gleichberechtigung sowie gegen Ausgrenzung und Hass stark machen.
Europäische Fördermittel wollen wir für sie einfacher zugänglich machen.
Sport kann nur dann eine Vorbildfunktion einnehmen und verbinden, wenn er fair
und transparent funktioniert. Betrug, Doping und Korruption stehen seinem Wesen
diametral entgegen. Wir wollen daher eine unabhängige europäische Agentur
etablieren, die sich mit NGOs, Anti-Korruptionsexpert*innen sowie
internationalen Ermittler*innen für Transparenz, Integrität und echte
Rechenschaftspflichten um Korruptions- und Betrugsfälle im weltweiten Sport
kümmert.
Damit wollen wir Vertrauen wiederherstellen. Das ist auch eine Grundlage dafür,
dass internationale Sportgroßveranstaltungen in Europa weiter ihren Platz haben.
Wenn sie mit klaren und verlässlichen Standards für soziale und ökologische
Fairness und Nachhaltigkeit arbeiten, können sie damit weltweit einen
Wettbewerbsvorteil erlangen und Zeichen setzen. Wir setzen besonders auf eine
grenzüberschreitende Ausrichtung von Sportereignissen. So machen wir den
europäischen Spitzensport gemeinsam erlebbar.
Wir wollen Sport gegen die Auswirkungen der Klimakrise resilient machen. Viele
Sportarten sind von einer intakten Natur abhängig, gleichzeitig verursacht der
Sport Schäden. Wir wollen durch ein europäisches Forschungsprogramm Wege
aufzeigen, wie sich Europas vielfältige Sportszene klimaneutral entwickeln kann.
Europa steht vor einem demografischen Wandel mit einer rasch alternden
Bevölkerung und sucht händeringend nach Fach- und Arbeitskräften. Um unseren
Wohlstand zu sichern, müssen wir im weltweiten Wettbewerb um schlaue Köpfe und
fleißige Hände attraktiver werden und Einwanderung modern gestalten. Statt
bürokratischer und langwieriger Verfahren wollen wir die Fach- und
Arbeitskräfteeinwanderung mit EU-weiten gemeinsamen Rahmenregelungen fördern.
Hierzu zählt, die Anerkennung von Bildungsabschlüssen aus Drittstaaten
einheitlich und unbürokratisch zu gestalten.
Um qualifizierte Fachkräfte anzuwerben, wollen wir den EU-Talentpool weiter
ausbauen. Dafür braucht es in den europäischen Botschaften mehr Personal und
eine Digitalisierungsoffensive, damit Anträge schnell und auch digital gestellt
werden können. Fach- und Arbeitskräfte gewinnen wir aber nicht nur durch
unbürokratische Verfahren. Wir wollen auch sicherstellen, dass sich
Migrant*innen durch eine gelebte Ankommens- und Willkommenskultur schnell bei
uns einleben und gern bei uns leben. Denn eine aktive Willkommenskultur macht
uns auch als Wirtschaftsstandort attraktiv. Dazu gehört es auch, Rassismus und
Ausgrenzung entgegenzutreten, die nicht zuletzt Europas Wohlstand schaden. Um
Angebote für eine gute und schnelle Integration vor Ort zu unterstützen, wollen
wir den kommunalen Integrationsfonds stärken und weiter ausbauen.
Wir wollen alle Arbeitskräfte gegen Ausbeutung schützen – auch Menschen ohne
Papiere. Faire Arbeitsbedingungen dürfen nicht von der Herkunft abhängen. Dazu
wollen wir mehrsprachige und niedrigschwellige Beschwerde- und
Beratungsstrukturen ausbauen und stärken, damit sich alle Arbeiter*innen an sie
wenden können.
Wir kämpfen für eine EU, die den Zugang zum Grundrecht auf Asyl garantiert sowie
humanitäre und völkerrechtliche Verpflichtungen einhält. Wir stehen zur Genfer
Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention, der UN-
Kinderrechtskonvention, der Behindertenrechtskonvention und dem internationalen
Seerecht.
Eine langfristige, geordnete und faire gemeinsame Asylpolitik ist nötig, um
menschenunwürdige Ad-hoc-Lösungen zu beenden. Mit einer fairen und verbindlichen
Verteilung von Schutzsuchenden stärken wir die Solidarität zwischen den
Mitgliedstaaten und verteidigen unsere gemeinsamen Werte. Abschottung und
Grenzzäune schaffen Chaos und Leid, rechtsstaatliche Verfahren sorgen für
Humanität und Ordnung.
Gerade Staaten mit europäischen Außengrenzen sind auf eine geordnete Verteilung
und Unterstützung der EU sowie auf Solidarität beim rechtsstaatlichen
Grenzmanagement angewiesen. Wir setzen uns deshalb für einen dauerhaften,
verlässlichen und verpflichtenden Solidaritäts- und Verteilmechanismus ein. Um
die gemeinsamen Herausforderungen zu bewältigen, müssen sich alle
Mitgliedstaaten einbringen – ob durch die Aufnahme von Schutzsuchenden oder
durch finanzielle Unterstützung für die Aufnahme von Geflüchteten. Geld- und
Sachleistungen an Drittstaaten sind dabei keine Kompensation. Mitgliedstaaten,
die in besonderem Maße Geflüchtete aufnehmen, müssen gestärkt und finanziell
entlastet werden.
Viele Kommunen in der EU sind bereit, beherzt anzupacken. Bei der Verteilung von
Geflüchteten innerhalb der EU wollen wir eine aktive Rolle der Kommunen stärken
und die kommunalen Integrationsfonds ausbauen. Wenn es um die Verteilung
Geflüchteter auf der europäischen Ebene geht, möchten wir die Ressourcen der
Länder und Kommunen über einen Matching-Mechanismus mit den Bedürfnissen der
Geflüchteten in Einklang bringen.
Um das Vertrauen in unser Asylsystem zu stärken, wollen wir die EU-Asylagentur
in ihren Befugnissen erweitern, damit sie die gemeinsamen europäischen
Asylregeln durchsetzen kann. Perspektivisch soll die Behörde dort, wo das System
in einzelnen Mitgliedstaaten überlastet ist, auch die Kompetenz für
Asylverfahren erhalten. Dabei sind menschenrechtliche Verpflichtungen
einzuhalten und streng zu kontrollieren.
Die EU ist ein Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Das Recht auf
Freizügigkeit bzw. der Abbau von Grenzen innerhalb Europas war und ist eine der
größten Errungenschaften für das Zusammenwachsen der europäischen Gemeinschaft.
Deshalb lehnen wir dauerhafte und stationäre Binnengrenzkontrollen ab.
Ein gemeinsamer Schengen-Raum braucht kontrollierte Außengrenzen. Denn für die
Freiheit und Sicherheit im Inneren müssen wir zuverlässig wissen und
kontrollieren können, wer nach Europa kommt.
Die Glaubwürdigkeit der europäischen Werte und damit auch der Einfluss
europäischer Politik nach außen setzt indes die Achtung von Recht und Werten im
eigenen Handeln voraus. Mit dieser Erkenntnis ist es schwer vereinbar, dass das
europäische Versprechen von Humanität und Rechtsstaatlichkeit für Tausende
jährlich an Stacheldraht und Patrouillenbooten zerschellt.
Dem Versuch, Geflüchtete rechtswidrig zurückzudrängen, stellen wir uns
entschieden entgegen. Menschen, die bei uns in Europa ankommen, müssen
zuverlässig registriert, erstversorgt und menschenwürdig untergebracht werden.
Das Recht auf Einzelfallprüfung und das Nichtzurückweisungsgebot gelten dabei
immer und überall.
Trotz dieser völker- und europarechtlich verbrieften Prinzipien erleben wir an
Europas Außengrenzen immer wieder systematische Rechtsbrüche. Menschen sind
Misshandlungen ausgesetzt, ihnen wird der Zugang zum Asylverfahren verweigert
oder sie werden in Seenot ihrem Schicksal überlassen. Wir setzen uns dafür ein,
dass illegale Pushbacks rechtlich und politisch konsequent geahndet werden. Wir
wollen außerdem das staatliche und zivilgesellschaftliche
Menschenrechtsmonitoring durch die EU-Grundrechteagentur weiter ausbauen.
Gleichzeitig bedarf es einer engmaschigen parlamentarischen Kontrolle von
Frontex-Einsätzen und einer systematischen Menschenrechtsbeobachtung vor Ort.
Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen benötigen jederzeit Zugang zu den
Geflüchteten und den Grenzregionen. Kooperationen der EU mit Drittstaaten müssen
immer auf der Basis von Grund- und Menschenrechten erfolgen. Die Zusammenarbeit
mit der libyschen Küstenwache wollen wir endlich beenden.
Wir stehen entschlossen an der Seite der vielen Engagierten, die Geflüchtete
versorgen und beraten. Wir wollen sicherstellen, dass Presse, NGOs und
Anwält*innen ungehindert Zugang zu ihnen haben, um ihrem humanitären Engagement
nachzugehen. Die Bedarfe von besonders schutzbedürftigen Gruppen wie Frauen,
queeren Menschen, Kindern oder Menschen mit Behinderungen müssen wir dabei
besonders in den Blick nehmen. Kinder, die sich allein auf den Fluchtweg machen,
müssen wir besser vor kriminellen Strukturen schützen. Sie müssen kindergerecht
untergebracht und versorgt werden.
Alle Menschen, die in Europa Schutz suchen, haben ein Recht auf faire und
rechtsstaatliche Asylverfahren. Wir fordern, dass sie dabei Zugang zu
unabhängigen Asylberatungen haben, um ihre Rechte zu kennen und durchzusetzen.
Auch im Rahmen von möglichen Grenzverfahren muss eine unabhängige Rechtsberatung
gewährleistet sein.
Gleichzeitig wissen wir, dass nicht alle Asylverfahren zu einer
Aufenthaltserlaubnis führen. Wer nach sorgfältiger Prüfung der asyl- und
aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen sowie nach Ausschöpfung aller
Rechtsmittel kein Aufenthaltsrecht erhalten hat, muss zügig wieder ausreisen –
sofern dem keine Abschiebehindernisse entgegenstehen. Rückführungen sind immer
mit besonderen menschlichen Härten verbunden. Wir wollen, dass die freiwillige
Rückkehr Vorrang vor zwangsweisen Rückführungsmaßnahmen hat. Deshalb setzen wir
uns für eine europaweite, ergebnisoffene und unabhängige Rückkehrberatung ein.
Klar ist auch, dass Menschen nicht in Staaten abgeschoben werden dürfen, in
denen ihnen Menschenrechtsverletzungen oder eine erhebliche Gefahr für Leib und
Leben drohen. Eine Rückführung darf nur in Länder erfolgen, zu denen die
betroffene Person eine klare Verbindung hat. Das Konzept der sicheren
Drittstaaten finden wir weiterhin falsch. Der Abschluss von sogenannten Kooperationen der EU mit Drittstaaten müssen immer auf der Basis von Grund- und Menschenrechten und auf Augenhöhe erfolgen. Bei Kooperationen der EU mit Drittstaaten muss sichergestellt werden, dass diese Staaten rechtsstaatliche Prinzipien im Umgang mit Geflüchteten sowie ihre Grund- und Menschenrechte respektieren. Sie darf nicht von finanzieller Unterstützung im Rahmen der
Rückführungs- oder Migrationsabkommen muss menschenrechtsbasiert, die
Zusammenarbeit mit den Herkunftsstaaten partnerschaftlich und auf Augenhöhe
erfolgen.
Entwicklungszusammenarbeit abhängig gemacht werden.
Das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten finden wir falsch, denn es löst keine
Probleme. Was hilft, ist: alle Asylverfahren beschleunigen und die Qualität der
Entscheidung verbessern. Länder, die ihren Staatsbürger*innen eine sichere
Rückkehr garantieren, sollen über Visaerleichterungen oder
Ausbildungspartnerschaften eine Aussicht auf geordnete Migration erhalten.
Menschen, die schwere Straftaten begangen haben, müssen nach Verbüßung ihrer
Strafe prioritär zurückgeführt werden.
Viele Geflüchtete leben bereits lange in Europa, bringen sich ein und stehen in
Beschäftigungsverhältnissen. Wir wollen ihnen eine bessere Perspektive geben.
Denn es ist nicht zumutbar, dass Menschen trotz tiefer Verwurzelung in die
europäische Gesellschaft täglich Sorge vor einer Abschiebung haben müssen. Wir
setzen uns deshalb für einen Spurwechsel ins europäische Einwanderungssystem
ein.
Jedes Jahr sterben Tausende Menschen beim Versuch, das Mittelmeer zu überqueren.
Als EU ist es unsere Verpflichtung, die Augen vor diesem unerträglichen Zustand
nicht zu verschließen. Kein Mensch sollte für das Recht, um Asyl zu ersuchen,
das eigene Leben oder das der Familie und Kinder riskieren müssen. Wir dürfen
nicht länger hinnehmen, dass das Mittelmeer die tödlichste Grenze der Welt
bleibt.
Das Völkerrecht verpflichtet uns dazu, Menschen in Seenot zu retten. Es braucht
endlich eine europäische Initiative für eine zivile, flächendeckende und
staatlich koordinierte Seenotrettung. Wir stehen an der Seite der
Seenotretter*innen, die Menschenleben retten. Alle Mitgliedstaaten der EU sind
dafür verantwortlich, zu gewährleisten, dass Seenotrettungsorganisationen ihre
Einsätze gefahrlos absolvieren können. Der erfolgte Einstieg Deutschlands in die
finanzielle Unterstützung privater Seenotrettungs-NGOs ist hier ein wichtiger
Schritt. Die Seenotrettungsschiffe dürfen nicht durch Behörden in ihrer Arbeit
behindert werden. Rettungsschiffe müssen die Gelegenheit haben, den
nächstgelegenen sicheren Hafen anzulaufen, damit die Menschen an Land gehen und
versorgt werden können. Ein Auslaufen von Rettungsschiffen darf nicht behindert
und Seenotrettung nicht kriminalisiert werden. Um Menschenleben zu retten,
treten wir für die Verbesserung der staatlichen, unter anderem finanziellen,
Unterstützung ziviler Organisationen ein. Wenn Menschen von
Seenotrettungsschiffen aufgenommen werden, müssen sie Zugang zum Antrag auf Asyl
erhalten.
Der wirksamste Weg, irregulärer Migration entgegenzuwirken, ist die Schaffung
sicherer und legaler Migrationswege. So schützen wir nicht nur Menschenleben,
sondern legen auch Schleuser*innen das Handwerk.
Wir setzen deshalb auf partnerschaftliche Mobilitäts- und Migrationsabkommen mit
Staaten außerhalb der EU. Diese sollen vor allem Wege zur Bildungs- und
Arbeitsmigration schaffen und können gleichzeitig die menschenrechtlich
abgesicherte Rückführung abgelehnter Asylbewerber*innen umfassen.
Wir setzen uns dafür ein, das Resettlement-Programm des Flüchtlingshilfswerks
UNHCR deutlich auszubauen und zu stärken. So können durch die Vereinten Nationen
(UN) anerkannte und besonders schutzbedürftige Geflüchtete geordnet und
solidarisch auf die Aufnahmeländer verteilt werden. Wir wollen, dass sich der
Anteil nach der Wirtschaftskraft der Staaten bemisst. Das EU-Resettlement muss
sich dabei an den UNHCR-Kriterien orientieren und darf das individuelle Recht
auf Asyl nicht schwächen.
Mit der Erteilung von humanitären Visa wollen wir sicherstellen, dass
Asylsuchende Europa erreichen können, ohne ihr Leben zu gefährden. Als EU müssen
wir in besonderem Maße unserer Verantwortung gegenüber ehemaligen Ortskräften
sowie besonders gefährdeten Afghan*innen und ihren Familien gerecht werden. Wir
setzen uns deshalb dafür ein, dass Aufnahmeprogramme gestärkt werden.
Afghanischen Frauen, die in Drittstaaten geflohen sind und denen seit der
Machtübernahme der Taliban ein Studium in ihrem Heimatland untersagt ist, wollen
wir mit einem europäischen Stipendienprogramm ermöglichen, ihr Studium
fortzusetzen.
Wir treten dafür ein, dass Geflüchtete ihre Angehörigen nachholen können.
Familien gehören zusammen. Gleichzeitig unterstützen stabile Lebensverhältnisse
die Integration.
Ein starker Raum der Freiheit und Freizügigkeit braucht handlungsfähige
Institutionen, die Recht und Demokratie schützen, und er braucht Männer und
Frauen, die oft unter großem persönlichen Einsatz diesen Auftrag erfüllen.
Kriminalität findet grenzüberschreitend statt und verursacht enorme Schäden –
sie bedroht die individuelle Sicherheit aller Menschen, unsere Lebensqualität,
unseren Wohlstand. Die EU muss darauf antworten: Die zunehmende Vernetzung
unserer Gesellschaft und Wirtschaft muss sich auch in der Zusammenarbeit unserer
Sicherheitsbehörden widerspiegeln. Moderne und effiziente Polizei- und
Justizarbeit muss in einem vereinten Europa ebenfalls grenzüberschreitend
stattfinden sowie im Einklang mit Bürger*innen-Rechten und rechtsstaatlichen
Standards operieren. Wir setzen auf wirksame Prävention und gemeinsame
Strafverfolgung.
Die europäische Polizeibehörde Europol wollen wir dafür ausbauen. Europol soll
eigene operative Möglichkeiten für die Bekämpfung von Terrorismus und
Organisierter Kriminalität (OK) bekommen. Das Europol-Informationssystem (EIS)
entwickeln wir weiter, um den Datenaustausch zu verbessern. Die Aufsicht von
Europol durch das Europäische Parlament wollen wir stärken, um Transparenz
sicherzustellen. Neben dem Ausbau von Europol sind Austausch und Vernetzung der
europäischen Polizei ein Schlüssel zum Erfolg: Die polizeiliche Zusammenarbeit
fördern wir durch den Ausbau gemeinsamer Joint-Investigation-Teams, die in enger
Zusammenarbeit Ermittlungen durchführen. Gemeinsame Zentren der Polizei in
Grenzregionen bauen wir auf Ebene der EU aus.
Vor allem wollen wir die europäische Perspektive in Praxis und Theorie der
Polizeiarbeit stärken: Wir schaffen ein europaweites, gefördertes
Austauschprogramm für Polizist*innen, bauen die Kooperation und Forschung an
Polizeihochschulen und Universitäten aus – und stärken so eine
wissenschaftsbasierte Kriminalpolitik. Auch Drittstaaten wollen wir hierbei
einbeziehen.
Organisierte Kriminalität (OK) schädigt Menschen europaweit. Sie kostet
Steuerzahler*innen und Unternehmen Milliardenbeträge. Sie kann Demokratie und
Rechtsstaat unterwandern. Beispiele hierfür sind die Mordanschläge auf
investigative Journalist*innen, die Unterwanderung legaler Wirtschaftsbereiche
oder die politische Einflussnahme durch Korruption. Damit schädigt die OK
insbesondere wirtschaftlich schwache Regionen in Europa und hindert deren
Entwicklung. Wir wollen entschlossen und gemeinsam gegen Organisationen der OK
vorgehen. Gruppierungen wie die Mafia nehmen wir dabei besonders in den Blick.
Dafür stärken wir die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Kriminalpolizei
und Justiz. Die europäischen Gesetze zur Bekämpfung der OK wollen wir
harmonisieren.
Die organisierte Wirtschaftskriminalität betrachten wir stärker, schützen so
auch Verbraucher*innen vor Betrug und Unternehmen vor unfairem Wettbewerb. Den
Kampf gegen die unterschiedlichen Formen des Menschenhandels wollen wir
konsequent führen und den Opfern besonderen Schutz zukommen lassen. Ein
Schwerpunkt für uns ist die Bekämpfung der Umweltkriminalität und Agromafia: Die
illegale Entsorgung von Müll, der illegale Holzeinschlag oder der Handel mit
fragwürdig erzeugten Lebensmitteln verursachen enorme Schäden für Mensch und
Umwelt. Den Handel mit illegalen Drogen werden wir eindämmen. Ein nachhaltiges
Vorgehen gegen kriminelle Aktivitäten kann nur in Zusammenarbeit mit der
Zivilgesellschaft gelingen und muss auf Prävention setzen. Daher werden wir
zivilgesellschaftliche Organisationen unterstützen, die sich gegen die OK
engagieren.
Geldwäsche und Finanzkriminalität verursachen hohe finanzielle Schäden für Staat
und Gesellschaft. Allein in Deutschland werden schätzungsweise rund 100
Milliarden Euro jährlich „gewaschen“. Der Skandal um die Wirecard AG hat viele
Tausende von Kleinanleger*innen geschädigt. Wir wollen entschieden gegen
Geldwäsche und Finanzkriminalität vorgehen. Auch den organisierten Steuer- oder
Subventionsbetrug werden wir ins Visier nehmen. Finanzermittlungen bieten häufig
erste Ermittlungsansätze und können helfen, kriminellen Gruppen die
Geschäftsgrundlage zu entziehen. Für uns ist klar: Kriminalität darf sich nicht
lohnen!
Die neue europäische Anti-Geldwäschebehörde AMLA wollen wir zu einer
schlagkräftigen Institution im Kampf gegen Geldwäsche und
Terrorismusfinanzierung entwickeln. Wir drängen darauf, dass alle EU-
Mitgliedstaaten nun ohne Verzug europäische und internationale Standards zur
Bekämpfung der Geldwäsche national umsetzen. Zusätzlich soll der automatische
Austausch von Steuerinformationen intensiviert werden. Wir setzen uns dafür ein,
dass international auf Ebene der G7/G20 ein Anti-Geldwäsche-Aktionsplan
vorangetrieben wird. Wir setzen uns für ein europäisches Vermögensregister ein.
Behörden sollten europaweit die wirtschaftlichen Eigentümer von
Vermögensgegenständen einsehen dürfen, die von Kriminellen regelmäßig für
Geldwäsche missbraucht werden. Schlupflöcher und Umgehungsmöglichkeiten der
Transparenzregister, die zur Bekämpfung von Geldwäsche und
Terrorismusfinanzierung dienen, werden wir weiter einschränken. Der Zugang zu
den Transparenzregistern soll für die Zivilgesellschaft, Journalist*innen und
andere Gruppen mit berechtigtem Interesse einfach, kostenfrei und anonym möglich
sein. Immobilien müssen wirksam vor Spekulationen durch illegales Geld geschützt
werden. So schützen wir auch Mieter*innen. Dafür werden wir die
Transparenzvorschriften und Kontrollen beim Immobilienerwerb verbessern. Die
grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Strafverfolgungsbehörden und Instrumente
im Bereich Vermögensabschöpfung wollen wir verbessern. Vermögen unklarer
Herkunft in Zusammenhang mit kriminellen Aktivitäten muss einfacher eingezogen
werden können. Für Bargeld werden wir EU-weit gültige Höchstgrenzen festlegen,
um den Transfer von inkriminierten Finanzmitteln zu erschweren. Das Europäische
Amt für Betrugsbekämpfung OLAF werden wir personell und finanziell stärken,
damit es wirksam gegen Betrugs- oder Korruptionsstraftaten, zum Beispiel die
Veruntreuung von europäischen Fördergeldern, vorgehen kann.
Terroristische Anschläge oder Gewalttaten, derzeit hauptsächlich islamistisch
und rechtsextrem motiviert, erzeugen unermessliches menschliches Leid. Sie
stellen eine enorme Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar. Terrornetzwerke
reichen oft über den gesamten Kontinent und darüber hinaus. Die EU kann und muss
hier einen wirkungsvollen Beitrag zum Schutz leisten. Eine konsequente und gut
abgestimmte polizeiliche wie nachrichtendienstliche europaweite Zusammenarbeit
mit einheitlichen Standards und Definitionen ist notwendig, um dem Terror das
Handwerk zu legen. Wir wollen hierfür die Stelle des Anti-Terror-Koordinators
bzw. der Anti-Terror-Koordinatorin der EU aufwerten und die Mitgliedstaaten zu
mehr Austausch und Kooperation verpflichten.
Gute Präventionsarbeit ist das beste Mittel, damit Menschen nicht in die
politische Gewaltszene und den Terrorismus abrutschen. Dafür brauchen wir den
europaweiten Erfahrungsaustausch demokratischer Kräfte, den wir finanziell
fördern wollen. Dazu zählt die Bildungsarbeit an Schulen oder
Jugendeinrichtungen. Programme zur Deradikalisierung oder Angebote für
Aussteiger*innen aus der islamistischen oder rechtsextremen Szene wollen wir EU-
weit etablieren. Die Entwicklung anderer und neuer Extremismusformen beobachten
wir genau. Onlineplattformen spielen eine wichtige Rolle bei der Verbreitung von
Terrorpropaganda. Wir wollen, dass Onlineplattformen entschiedener dagegen
vorgehen und entsprechende Inhalte löschen.
Durch eine entschiedene Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung wollen wir dem
Terror die operative Grundlage entziehen. Wir richten den Blick darauf, wo sich
terroristische und kriminelle Strukturen überschneiden. So unterbinden wir den
Zugang zu Schwarzmärkten und legen wichtige Finanzquellen trocken. Wir setzen
uns für gemeinsame Standards und einen intensiven Austausch bei der Verfolgung
von Terrorist*innen ein.
Bei der Beobachtung potenzieller Gewalttäter*innen braucht es ein europaweit
einheitliches Vorgehen, damit die Sicherheitsbehörden nicht aus administrativen
Gründen ihre Spur verlieren. Den Begriff des „Gefährders“ wollen wir deshalb EU-
weit einheitlich definieren, um eine grenzüberschreitende Fallbearbeitung
sicherzustellen.
Schwere Gewalttaten und Terroranschläge haben in der Vergangenheit immer wieder
gezeigt, dass Schusswaffen oder Ausgangsstoffe für Explosivstoffe zu leicht
verfügbar sind. Wir wollen die Verfügbarkeit von illegalen Schusswaffen
einschränken und den Schwarzmarkt austrocknen. Für sogenannte Anscheinswaffen,
beispielsweise Sammlerstücke, wollen wir wirksame europäische Standards
einführen, damit eine Reaktivierung der Waffen nicht mehr möglich ist. Waffen
und relevante Waffenteile müssen lückenlos registriert werden. Wir setzen uns
für gemeinsame und strenge Standards für die Zuverlässigkeitsprüfung für
Waffenbesitzer*innen ein. Den Missbrauch von Ausgangsstoffen von Explosivstoffen
wollen wir durch ein strenges Monitoring unterbinden.
Grenzüberschreitender Terrorismus, geheimdienstliche Aktivitäten,
Wirtschaftsspionage oder Desinformationskampagnen bedrohen unsere liberale und
offene Gesellschaft. Besonders autoritäre Staaten wie China, Russland oder Iran
nehmen dabei die gesamte EU in den Blick und koordinieren ihre Vorgehen in den
verschiedenen Mitgliedstaaten. Beispiele hierfür sind Angriffe auf
Oppositionelle oder auf unsere Kritischen Infrastrukturen (KRITIS). Dem müssen
wir uns in Europa gemeinsam und entschlossen entgegenstellen. Die
Nachrichtendienste spielen dabei eine wichtige Rolle und sind Teil einer
wehrhaften Demokratie.
Bislang wird ihre Arbeit aber oft dadurch behindert, dass Informationen und
Erkenntnisse europaweit nicht ausreichend geteilt werden. Wir fordern effektive
und demokratische Nachrichtendienste, damit wir die Sicherheit der EU global
besser gewährleisten können. Deshalb wollen wir für eine bessere und
rechtsstaatliche Zusammenarbeit der europäischen Nachrichtendienste eine
europäische Nachrichtendienstagentur gründen. Dort soll in den Mitgliedstaaten
gesammeltes Wissen, unter Einhaltung strenger rechtlicher Vorgaben,
zusammengeführt und ausgewertet werden, um die Analysefähigkeit zu stärken. Es
braucht demokratisch legitimierte und rechtsstaatliche Kontrollmechanismen der
Agentur, die unter Einbeziehung des Europäischen Parlaments erarbeitet werden.
Wir setzen uns dafür ein, dass nachrichtendienstliche Befugnisse europaweit auf
klaren Rechtsgrundlagen stehen, effektiv begrenzt werden und eine
parlamentarische Kontrolle in allen Mitgliedstaaten eingehalten wird. Einen
rechtswidrigen Ringtausch von fragwürdig erlangten Daten unter den
Nachrichtendiensten lehnen wir ab. Darüber hinaus setzen wir uns für eine
bessere Vernetzung und Kooperation der mitgliedstaatlichen Aufsichtsbehörden auf
der europäischen Ebene ein.
Eine effiziente und gemeinsame Verfolgung von Straftaten braucht einen
einheitlichen europäischen Rechtsrahmen – das gilt für das gesamte Spektrum, von
der Organisierten Kriminalität bis hin zu Hasskriminalität. Dafür wollen wir
insbesondere das Strafrecht weiter harmonisieren. Hasskriminalität wollen wir in
die Liste der EU-Straftaten aufnehmen, damit sie europaweit verfolgt werden
kann.
Um Recht in Europa durchzusetzen, wollen wir die europäischen Strukturen
stärken: Die Agentur der Europäischen Union für justizielle Zusammenarbeit in
Strafsachen (Eurojust) wollen wir personell und finanziell besser ausstatten und
die Europäische Staatsanwaltschaft (EUStA) ausbauen. Sie soll zukünftig eigene
Ermittlungen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten im Bereich von Terrorismus
und OK führen. Grenzüberschreitende Strafverfahren wollen wir vereinfachen und
in einem Land bündeln, damit sie gemeinsam durchgeführt werden können. Durch die
Digitalisierung des grenzüberschreitenden elektronischen Rechtsverkehrs unter
Wahrung der IT-Sicherheit und des Datenschutzes schaffen wir eine schnellere und
effizientere Zusammenarbeit der Justiz in Europa.
Im Zentrum stehen die Rechte der Bürger*innen: Wir treten für einen effektiven
Rechtsschutz von Beschuldigten und Verteidiger*innen ein. Hinweisgeber*innen,
Zeug*innen und investigative Journalist*innen spielen eine herausragende Rolle
bei der Aufklärung von Straftaten und Rechtsverstößen. Wir wollen sie deshalb
besser schützen. Dafür schlagen wir ein EU-Netz vor, das europaweit einen
wirksamen Schutz für Menschen bietet, die bei der Aufdeckung und Verfolgung von
Straftaten mitwirken. All das soll Menschen dabei unterstützen, bei der
Aufklärung von Verbrechen sicher mit der Justiz zusammenzuarbeiten. Das wollen
wir nutzen. Aussagen von Kronzeug*innen sollen künftig eine größere Rolle bei
der grenzüberschreitenden Strafverfolgung spielen.
Naturkatastrophen, schwere Unglücke oder humanitäre Notlagen: Außerordentliche
Notsituationen können das Leben Tausender Menschen auf den Kopf stellen und
gigantische Umweltschäden nach sich ziehen. Ebenso können Angriffe auf unsere
Kritische Infrastruktur unabsehbare Auswirkungen haben. Sie sind die Lebensadern
unserer modernen Gesellschaft. Sie versorgen uns mit Energie oder Informationen.
Einzelne Mitgliedstaaten sind mit Bedrohungen dieses Ausmaßes schnell
überfordert. Die EU kann durch eigene Ressourcen und Koordination praktisch
helfen – und so Sicherheit und Wohlstand auf unserem Kontinent schützen. Wir
wollen den physischen und digitalen Schutz von KRITIS verbessern und
zusammendenken. Dabei nehmen wir transnationale Netze stärker in den Blick. Ein
verbindliches IT-Schwachstellenmanagement führen wir ein, um Attacken auf
digitale Systeme zu verhindern.
Durch die Klimakrise drohen Extremwetterereignisse mit ihren teilweise
unabsehbaren Folgen weiter zuzunehmen. Eine Stärkung des europäischen
Bevölkerungsschutzes kann dabei helfen, Schäden zu reduzieren. Wir wollen das
europäische Katastrophenschutzverfahren weiter stärken und mit eigenen
europäischen Fähigkeiten ausstatten. Dafür wollen wir zunächst eine echte
europäische Löschflugzeugstaffel aufstellen und in die rescEU-Reserve einbinden.
Den gesundheitlichen Bevölkerungsschutz und zum Beispiel Kapazitäten zur Hilfe
bei Erdbeben oder anderen Großschadenslagen wollen wir ausbauen.
Die schnell fortschreitende Digitalisierung hat einen enormen Einfluss auf die
Art, wie wir zusammen leben. Deswegen entwickeln wir auf der Grundlage unserer
Werte eine Menschenrechtspolitik für das digitale Zeitalter. Wir wollen die EU
dabei als Vorbild und Partnerin für Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte in
einer globalisierten digitalen Welt stärken. Dazu müssen wir bei der Gestaltung
der digitalen Dimension die Rechte der Menschen immer mitdenken. Menschen haben
das Recht, selbstbestimmt zu leben und weder von KI noch anderen Technologien
vereinnahmt zu werden.
Wir treten dafür ein, dass der digitale Raum stärker unsere vielfältige
Gesellschaft abbildet und bestehende Diskriminierung nicht in den digitalen Raum
übertragen wird. Wir fördern das konsequente Vorgehen gegen Diskriminierung und
eine aktive Beteiligung von Frauen an den Gestaltungspositionen der
Digitalisierung.
Instrumente der Massenüberwachung lehnen wir daher ab. Dazu gehört etwa die
anlasslose Vorratsdatenspeicherung, biometrische Gesichtserkennung, die
Überwachung von Verhalten oder Emotionen. Besonders KI-gestützte Technologien
zur Erkennung von Emotionen oder die Zuschreibungen von teils höchst
persönlichen Eigenschaften wie Geschlecht, sexuelle Orientierung, politische
oder gewerkschaftliche Zugehörigkeit lehnen wir aufgrund der hohen
Wahrscheinlichkeit für Fehler und der möglichen Auswirkungen auf bereits
marginalisierte Gruppen ab. Die Forschung und der Einsatz besonders von
Emotionserkennung zur Unterstützung im medizinischen und sozialen Bereich sollen
davon aber nicht betroffen sein. Das Recht auf eine sichere Kommunikation und
Verschlüsselung wollen wir stärken und ausbauen. Sie ist gerade für eine freie
Presseberichterstattung oder für die Arbeit von oppositionellen Kräften in
autoritären Ländern von entscheidender Bedeutung.
Der anlasslosen Verarbeitung von umfassenden Fluggastdaten und der Ausweitung
entsprechender Systeme auf andere Sektoren treten wir klar entgegen. Auch in der
EU wird Spyware eingesetzt, die tief in die Privatsphäre eindringt. Die
Verwendung von Spyware, zum Beispiel zur Überwachung von Journalist*innen oder
Staatsanwält*innen, lehnen wir ab.
Der Zugang zu verlässlichen Informationen und Nachrichten ist eine Voraussetzung
der Demokratie. Soziale Medien und andere moderne Kommunikationsplattformen
erlauben es heute, dass Informationen und Nachrichten auf unterschiedlichste
Weise aufbereitet und diskutiert werden können.
Durch Propagandakampagnen wird die demokratische Meinungsbildung gefährdet.
Wahlen sollen bewusst mit Mitteln der Desinformation beeinflusst werden. Wir
treten dafür ein, dass Sanktionen gegen staatliche Propagandaplattformen, die
gezielt Desinformationen verbreiten, etwa Russia Today, konsequent durchgesetzt
werden. Wir wollen, dass regelmäßig und europaweit Lagebilder zu
Desinformationen erstellt werden, um die Grundlage für eine effektive Bekämpfung
zu schaffen.
Hass, Hetze und Desinformation greifen gezielt die offene Debatte an diesen
Orten an. Mit offenem Frauenhass wird versucht, Frauen aus dem digitalen Raum zu
drängen. Algorithmen und Targeting dominanter Digitalplattformen tragen dazu
einen wesentlichen Beitrag, indem sie Hassnachrichten und Desinformation
verstärkt verbreiten. In der Folge ziehen sich von Hassrede betroffene Personen
häufig zurück oder schränken ihre Meinungsäußerung ein – zum Schaden der
demokratischen Debatte.
Die algorithmische Verstärkung von Hass und Hetze nehmen wir ins Visier. Mit dem
Digitale-Dienste-Gesetz und dem Digitale-Märkte-Gesetz haben wir in Europa die
Grundsteine gelegt, um mit Nutzer*innen-Rechten, Transparenz und klaren Regeln
Hassrede entgegenzutreten, ein demokratischeres Internet zu schaffen und
Wettbewerb wiederherzustellen. Diese Regeln gilt es, jetzt in Deutschland und
Europa konsequent durchzusetzen und weiterzuentwickeln.
Zivilgesellschaftliche Organisationen müssen von Hass und Hetze betroffene
Personen einfacher bei der Wahrnehmung ihrer Rechte unterstützen können. Dafür
wollen wir auch eine europaweite Opferberatung und niedrigschwellige
Hilfsangebote etablieren. Die Einrichtung von Spezialdienststellen bei Polizei
und Staatsanwaltschaften in den Mitgliedstaaten wollen wir unterstützen. Die
konsequente Durchsetzung des Strafrechts kann auch durch die rechtlich
gesicherte automatisierte Erkennung von strafrechtlich relevantem Material, zum
Beispiel Hassposts, unterstützt werden, das anschließend von den
Ermittlungsbehörden überprüft wird. Europol soll gegen europaweit agierende
Netzwerke vorgehen, die gezielt Hass und Hetze im Netz verbreiten.
Gleichzeitig können auch klassische Medien bei der Verbreitung von
Desinformation eine wichtige Rolle spielen, wenn sie zum Beispiel Informationen
ohne Überprüfung aus den sozialen Medien übernehmen oder gar selbst aktiv bei
der Verbreitung von Falschinformationen mitwirken. Die Verbreitung von
hochwertigen gefälschten Videos, sogenannten Deepfakes, oder durch KI
manipulierten Bildern lässt Desinformationen noch glaubwürdiger erscheinen und
ist für viele Menschen nur schwer erkennbar. Daher haben wir im Rahmen des KI-
Gesetzes erfolgreich die adäquate Kennzeichnung der Deepfakes verankert. Ein
wichtiger Baustein der Bekämpfung von Desinformationen in einer Demokratie liegt
in der Stärkung der Informationskompetenz, damit Menschen besser
Desinformationen erkennen können.
Sogenannte Social Bots, die automatisch Inhalte in sozialen Medien verbreiten,
sollen entsprechend gekennzeichnet und somit unterscheidbar von menschlichen
Nutzer*innen werden.
Wenn unsere digitale Infrastruktur eine immer wichtigere Rolle für unser
Zusammenleben spielt, kommt ihrem Schutz eine große Bedeutung bei. Der beste
Schutz vor Cybercrime aber liegt in der Prävention und in der Resilienz
digitaler Systeme. Wir sorgen für eine konsequente Etablierung von hohen IT-
Sicherheitsanforderungen in digitalen Produkten, Diensten und Prozessen. Wir
setzen uns für eine zügige Umsetzung der aktualisierten EU-Richtlinie zur
Cybersicherheit ein, um ein EU-weites Sicherheitsniveau zu etablieren. Wir
wollen die europäische Kooperation im Bereich der Cyberabwehr deutlich stärken.
Die Agentur der Europäischen Union für Cybersicherheit entwickeln wir hierfür
weiter.
Der Cyberraum wird zunehmend Schauplatz von Kriegen und Konflikten. Das sehen
wir eindringlich in der Ukraine, wo die militärische Aggression Russlands von
Cyberoperationen begleitet wird. Auch Cyberattacken etwa auf digitale Wahl- und
Verwaltungssysteme sind eine Bedrohung für unsere Demokratie und Sicherheit. Wir
setzen uns für einen norm- und regelbasierten Cyberraum ein, der von Diplomatie
und internationaler Zusammenarbeit geprägt ist. Gleichzeitig geht
Cybersicherheit mit digitaler Souveränität einher. Hier wollen wir Kompetenzen
in der EU ausbauen.
Wir wollen in Europa die rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen für
sichere „Digitale Botschaften“ schaffen. Damit sollen staatliche und öffentlich
relevante Datenbanken und technische Infrastrukturen in anderen europäischen
Mitgliedstaaten gesichert vorgehalten werden können, um auch in Krisen- und
Kriegssituationen die Arbeitsfähigkeit und den Zugang zu Daten, zum Beispiel von
Parlamenten, der öffentlichen Verwaltung, der Justiz oder den
Sozialversicherungen, zu ermöglichen.
Das hohe Tempo der Digitalisierung und die Zunahme digitaler Dienstleistungen
haben auch zu einer Verlagerung von Straftaten ins Netz geführt. Darauf muss die
Strafverfolgung reagieren, besonders auf europäischer Ebene, denn Cybercrime
kennt ebenso wie das Internet keine Grenzen. Dafür stärken wir die Rolle von
Europol bei der Bekämpfung von Kriminalität im Netz. Auch die europaweite
polizeiliche Zusammenarbeit zur Erkennung und Bekämpfung stärken wir. So gehen
wir auch entschieden gegen die Verbreitung von sexualisierten
Gewaltdarstellungen von Kindern und Jugendlichen im Netz vor. Wir wollen mit
gezielten Kampagnen die Bürger*innen für Betrugsdelikte sensibilisieren, die im
Internet begangen werden.
Formulierunsgvorschlag
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