Veranstaltung: | EU Wahlprogramm und BDK Änderungsanträge mit Heiko Knopf |
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Tagesordnungspunkt: | 3. Änderungsanträge |
Antragsteller*in: | Bundesvorstand (dort beschlossen am: 11.09.2023) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 13.10.2023, 17:40 |
EP-FK-2: EP-FK- A – Was Wohlstand schützt
Kapiteltitel
Text
Vom kleinen Handwerksbetrieb über den regional verankerten Mittelständler bis
hin zum internationalen Großunternehmen: Europas vielgestaltige und innovative
Wirtschaft ist global wettbewerbsfähig – und Deutschland profitiert wie kein
zweiter Mitgliedstaat von der europäischen Integration und dem Binnenmarkt.
Produkte und Dienstleistungen aus Thüringen oder Hessen werden zwischen
Andalusien und Lappland, zwischen Riga und Nikosia gehandelt, als lägen diese
Orte nur wenige Kilometer voneinander entfernt. Wir sind auch deshalb die
viertstärkste Wirtschaftsnation der Welt, weil wir auf europäischer Ebene die
Kräfte bündeln.
Europa macht uns stark. Europa zu stärken, ist deshalb in unserem ureigenen
Interesse. Vor allem geht es nun darum, dort voranzugehen, wo die Stärke der
nächsten Jahre und Jahrzehnte entsteht. Dafür haben wir einen Plan: die
klimaneutrale Modernisierung unserer Wirtschaft und Infrastruktur. Sie ist für
uns kein Selbstzweck, sondern der Schlüssel zu mehr Wettbewerbsfähigkeit und
Wohlstand, zu Lebensqualität, zu guten Arbeitsplätzen und fairen Löhnen, zur
Sicherung unserer Lebensgrundlagen – und damit zu einer stabilen Grundlage für
mehr soziale Sicherheit und gesellschaftlichen Zusammenhalt in ganz Europa.
Wir setzen alles daran, dass Europa nicht an der Seitenlinie steht, während
China oder die USA massiv in die Entwicklung ihres Standortes und der
Zukunftstechnologien investieren. Wir nehmen die Herausforderung an: Wir wollen,
dass sich Deutschland und Europa auf den Märkten der Zukunft durchsetzen – bei
erneuerbaren Energien und Wasserstoff, bei digitalen Dienstleistungen und
Künstlicher Intelligenz (KI), bei modernster Batterietechnik und grünem Stahl.
Das ist eine Frage der Unabhängigkeit. Wirtschaftspolitik ist heute auch
Sicherheitspolitik.
Europas Wohlstand und seine Lebensqualität sind unmittelbar mit seinen
natürlichen Grundlagen verbunden – mit fruchtbaren Böden und sauberen Meeren,
mit Lebensräumen für eine große Artenvielfalt, mit einer intakten Natur an den
Küsten und in den Wäldern. In ihrem Zusammenspiel gedeiht Landwirtschaft in
unmittelbarer Nachbarschaft zu High-Tech-Unternehmen, sind Handwerksbetriebe in
lebenswerten ländlichen Räumen verankert, lässt sich aus den Städten in wenigen
Stunden in Wälder oder Berge reisen.
Wohlstand in Europa bedeutet fair bezahlte Jobs und gute öffentliche
Dienstleistungen in einem funktionierenden Wirtschaftsraum. Wohlstand bedeutet
aber eben auch saubere Luft, reines Wasser und bezahlbare, gute Lebensmittel.
Wir treten an, unseren Wohlstand zu erneuern, indem wir ihn auf ein
klimaneutrales Fundament stellen – eines, das über die nächsten Jahre und
Jahrzehnte trägt. Wir haben den European Green Deal auf die Agenda gesetzt, er
ist die richtige Strategie. Jetzt sorgen wir dafür, dass er in allen Bereichen
seine Wirkung entfaltet: von der Energieerzeugung über Mobilität und
Landwirtschaft bis hin zur Industriepolitik. Denn Klimaschutz wird zunehmend zu
einem entscheidenden Wettbewerbs- und Standortfaktor. Wollen wir unseren
Wohlstand bewahren und neuen schaffen, müssen wir Europäer*innen nicht nur das
Klima schützen, sondern auch diesen Wettbewerb annehmen.
Voraussetzung hierfür ist eine aktive europäische Wirtschafts- und
Industriepolitik, die Innovation ermöglicht und nachhaltige Infrastruktur baut;
die den Mut zu gezielten strategischen Investitionen aufbringt; die uns
unabhängig macht von den Autokratien dieser Welt – und unser aller Leben damit
krisenfest und bezahlbar. Wir wollen deshalb jetzt – von der Sonnenenergie aus
Andalusien bis hin zum Wind über der Nordsee – die erneuerbaren Energien und die
Stromnetze in ganz Europa ausbauen. Wenn wir aus der Europäischen Union (EU)
eine moderne Infrastrukturunion machen wollen, dann tun wir das, um die
industrielle Produktion, um Strom und Wärme, um günstige Energie für alle zu
sichern.
Wenn wir in Forschung und Entwicklung investieren, dann tun wir das, damit sich
die besten Ideen weiterhin auf unserem Kontinent zu Hause fühlen. Wenn wir
Bürokratie abbauen, dann tun wir das, um die EU in den Dienst der
Europäer*innen, nicht der Paragrafen und Behörden zu stellen. Und wenn wir die
Potenziale der Digitalisierung nutzen, dann tun wir das, um Daten im Sinne der
Menschen in Europa nutzbar zu machen, nicht umgekehrt.
Kein Land in Europa ist diesen Aufgaben allein gewachsen. Gemeinsam aber sind
wir es. Gemeinsam in der EU sind wir in der Lage, politische Antworten zu geben,
die wirksam und wirkmächtig genug sind, um es mit der globalen Erwärmung und
systemischer Konkurrenz gleichermaßen aufzunehmen.
Diesen Weg gehen wir. Wir wollen eine gerechte und handlungsfähige EU, die
Sicherheit schafft im Hier und Jetzt – und zugleich die Weichen stellt für den
Wohlstand und Zusammenhalt von morgen. Wir wollen eine EU, in der Wohlstand im
Einklang mit der Natur und dem Klima entsteht. Und wir wollen eine EU, in der
nicht die soziale oder geografische Herkunft, der Zugang zu Bildung oder das
Geschlecht über die Chance auf ein gutes Leben entscheiden, sondern in der alle
Menschen am Wohlstand teilhaben können.
Für dieses Europa treten wir an. Dieses Europa wollen wir sein.
1. Ein klimaneutrales Europa
In Energiesicherheit investieren
Um die Klimaziele zu erreichen, braucht Europa eine echte Energieunion mit
effizienter und nachhaltiger Energieversorgung, die die Potenziale des gesamten
Kontinents nutzt und miteinander verbindet. Wir bauen erneuerbare Energien als
Teil einer aktiven Wirtschafts- und Industriepolitik europaweit massiv aus: Bis
2035 sollen sie den wesentlichen Beitrag dazu leisten, die europäische
Stromversorgung zu 100 Prozent klimaneutral sicherzustellen. Denn nur die
Erneuerbaren garantieren eine unabhängige Versorgung und auf Dauer günstigen
Strom, mit dem Europa langfristig wettbewerbsfähig wirtschaften kann. Wir
wollen, dass Deutschland auf diesem Weg mit gutem Beispiel vorangeht.
Deshalb brauchen wir in den nächsten Jahren überall in Europa die
Elektrifizierung von Verkehr, Industrie und Haushalten sowie massive
Investitionen in den Ausbau von Wind und Solar. In Zukunft wollen wir dabei noch
stärker europäisch zusammenarbeiten. Gleichzeitig müssen wir energieeffizienter
werden und die entsprechenden Vorgaben weiter anpassen.
Um den Strom überall in Europa verlässlich dorthin zu transportieren, wo er
gebraucht wird, wollen wir im Rahmen der Infrastrukturunion das europäische
Stromnetz stärken und dabei vor allem die Verbindungen zwischen den
Mitgliedstaaten massiv ausbauen. Ein stabiles europäisches Stromnetz macht uns
widerstandsfähiger und erhöht unsere Versorgungssicherheit. Das hat die
Energiekrise sehr deutlich gezeigt, als die Staaten Europas sich gegenseitig
beispringen konnten. Wir wollen es deshalb nun auch für 100 Prozent erneuerbare
Energien fit machen. So können wir die Synergien in der EU nutzen, in der immer
irgendwo der Wind weht oder die Sonne scheint. Wir etablieren eine EU-
Netzplanung – insbesondere für grenzüberschreitende Projekte und den Ausbau der
Windenergie in den Meeren der EU. In Zukunft müssen darüber hinausgehend die
Stromnetze, Wasserstoffnetze, Gasnetze und Wärmenetze zusammengedacht werden.
Wir richten das Strommarktdesign, die Netzentgelte und die Bedingungen von
Stromspeichern systematisch auf die Integration erneuerbarer Energien aus.
Generationen von Menschen in den Kohlerevieren haben einen wertvollen Beitrag zu
Energiesicherheit, zum Fortschritt und zu unserem Wirtschaftsstandort geleistet.
An diesen Einsatz und diese Expertise knüpfen wir in den europäischen
Energieregionen an. Jedoch wird Kohle zunehmend unrentabel, ist zudem die klima-
und gesundheitsschädlichste Form der Energieerzeugung und hat deshalb keine
Zukunft. Wir werden die Voraussetzungen schaffen, um in der EU die
Kohleverstromung beenden zu können. Die Kohleregionen unterstützen wir dabei,
dass ihnen der Umstieg auf die neuen Energien bis zum Jahr 2030 gelingt.
Gleichzeitig hat uns insbesondere der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine
gezeigt, wie abhängig wir noch von Erdgas sind und welche Schwierigkeiten das
mit sich bringt. In den kommenden Jahren ist im Einklang mit unseren Klimazielen
deshalb auch ein endgültiger Abschied vom fossilen Erdgas nötig. Wir wollen es
vollständig durch erneuerbare Energien kombiniert mit grünem Wasserstoff
ersetzen.
Atomkraft ist keine nachhaltige Form der Energieerzeugung und sie ist nicht
geeignet, die Klimakrise zu bekämpfen. Sie ist erheblich teurer als Erneuerbare,
mit hohen Risiken verbunden und gerade in Zeiten von Hitze und Dürre
unzuverlässig. Der Bau neuer Kraftwerke ist teuer und langwierig. Der Müll
belastet noch unzählige nachfolgende Generationen. Wir setzen in der EU nicht
auf Atomkraft als taugliche Form der Energiegewinnung.
Uns begeistern zukünftige Chancen und Potenziale neuer Energietechnologien,
weshalb wir Forschung und Entwicklung neuer Ideen auch weiterhin vorantreiben
wollen. Um in den nächsten Dekaden einen wesentlichen Beitrag zur Lösung der
Klimakrise und zur Energiesicherheit leisten zu können, kommt die Kernfusion
jedoch zu spät.
Den Weg zum klimaneutralen Kontinent beschreiten
Echte Fortschritte sind gemacht: Bis heute hat Europa die Emissionen gegenüber
1990 um rund ein Drittel gesenkt. Mit dem „Fit for 55“-Paket will die EU bis
2030 mindestens 55 Prozent ihrer Emissionen im Vergleich zu 1990 einsparen.
Durch den reformierten Emissionshandel wird ein schnellerer europäischer
Kohleausstieg rentabel. Wir haben die Ausbauziele für erneuerbare Energien
verdoppelt. Und für fossile Energie, Stahl oder Chemieprodukte, die nach Europa
importiert werden, muss bald an der Grenze ein Preis für ihren CO2-Fußabdruck
bezahlt werden. Die Autoindustrie stellt ihre Produktion auf Elektrofahrzeuge
um. Gebäude in der EU werden gedämmt und Anreize für klimafreundliches Heizen
gesetzt. Damit hat Europa den richtigen Weg eingeschlagen.
Die EU muss diesen Weg zum klimaneutralen Wohlstand entschieden weitergehen.
Europa soll der erste klimaneutrale Kontinent werden. Von diesem Ziel darf es
kein Abrücken geben, und es muss zuverlässig erreicht werden. Für 2035 und 2040
braucht es deswegen Zwischenziele, die die EU sicher zu Klimaneutralität in
Erfüllung des Pariser Klimaabkommens führen. Das Zwischenziel für 2035 wollen
wir, wie es alle Staaten im Rahmen des Pariser Klimaabkommens international
zugesagt haben, auch bei den Vereinten Nationen (UN) verbindlich hinterlegen.
Für die Umsetzung müssen unter anderem der Rahmen für Klimaschutzmaßnahmen und
die europäischen Emissionshandelssysteme angepasst werden.
Natürliche CO2-Senken und technologischen Fortschritt nutzen
Um die Klimaziele zu erreichen, müssen wir schnell raus aus Kohle, Öl und Gas
und rein in erneuerbare Energien und Wasserstoff. In einigen wenigen Branchen
wird es aber auch in Zukunft Emissionen geben, die schwer oder nach heutigem
Stand der Technologie gar nicht zu vermeiden sind, etwa in der Zementindustrie.
In diesen Bereichen wollen wir technologische Chancen nutzen und das CO2 direkt
bei der Produktion abscheiden, speichern und gegebenenfalls nutzen (Carbon
Capture Use and Storage, CCUS). Wo nötig, soll dies aktiv gefördert werden. Wir
wollen einen europaweit einheitlichen Regelungsrahmen dafür schaffen und eine
integrierte europäische Infrastruktur – inklusive gemeinsamer europäischer CO2-
Speicher – entwickeln.
In der Zukunft wird es laut Analysen des Weltklimarats zunehmend schwieriger,
auf den 1,5-Grad-Pfad zu kommen. Deshalb müssen wir die CO2-Konzentration in der
Atmosphäre aktiv senken, damit sich wieder ein stabiles und nachhaltiges Niveau
einstellt. Dafür stärken und entwickeln wir negative Emissionen – also
natürliche und technische Prozesse, die der Atmosphäre CO2 wieder entziehen.
Intakte Ökosysteme sind unsere besten Verbündeten, denn vor allem Wälder und
Moorböden sind natürliche CO2-Speicher. Deswegen benötigen wir klare Regeln für
die Landwirtschaft, den Humusaufbau, die Wiedervernässung von Mooren und die
Aufforstung von Wäldern. Gleichzeitig wollen wir die Potenziale technischer
Negativemissionen wie die CO2-Entnahme aus der Luft oder Bioenergie mit CO2-
Speicherung in der Anwendung prüfen und an Pilotprojekten evaluieren. Die EU
braucht – wie Deutschland – klare Ziele für das Erreichen von Negativemissionen,
ohne diese gegen die Reduktionsziele des Emissionshandels zu handeln.
Grünen Wasserstoff als Energieträger der Zukunft einsetzen
Wasserstoff aus erneuerbaren Energien, also grüner Wasserstoff, kann Energie
speichern und transportabel machen. Er ist ein unverzichtbarer Bestandteil
unserer zukünftigen Energieversorgung, denn er kann fossile Energieträger
überall dort ersetzen, wo Elektrifizierung keine Option ist. Wir wollen dafür
sorgen, dass Europa bei der Anwendung Vorreiterin wird. Um ihre Potenziale zu
heben, entwickeln wir die Europäische Wasserstoffstrategie weiter und
unterstützen die Erforschung von umfassenden Ansätzen zur Erzeugung und
Anwendung. Beispielsweise können durch dezentrale Lösungen die Netzausbaukosten
minimiert und wo immer möglich die Abwärme in Wärmenetzen eingesetzt werden. Mit
Instrumenten wie Klimaschutzverträgen und einem umfassenden Investitionsprogramm
sorgen wir für einen schnellen Hochlauf der Produktion dieser
Schlüsseltechnologie.
Wir wollen die Investitionen in den Aufbau eines neuen transeuropäischen
Wasserstoffkernnetzes erhöhen und die Umrüstung der bestehenden Gasinfrastruktur
für den Transport und die Speicherung fördern. Durch neue Pipelines wie H2Med
können wir grünen Wasserstoff beispielsweise aus den sonnenreichen Regionen
Südeuropas in die Industriezentren Deutschlands transportieren. Das ist ein
Bestandteil einer leistungsfähigen Infrastrukturunion.
Wir setzen uns zusätzlich für den Aufbau eines globalen Marktes für grünen
Wasserstoff und strategische Partnerschaften für dessen Handel zwischen der EU
sowie wind- und sonnenreichen Ländern weltweit ein. Dank einer Vielzahl
potenzieller Partnerländer können wir auf diesem Weg eine diversifizierte
Energieversorgung sichern und einseitige Abhängigkeiten vermeiden. Durch
Partnerschaften und den Transfer von Know-how sorgen wir zudem dafür, dass die
Länder des Globalen Südens in die Wertschöpfungskette integriert werden und von
der grünen Energiezukunft profitieren.
Da die Produktionskapazitäten erst aufgebaut werden müssen, wird Wasserstoff
vorerst ein sehr knapper Rohstoff bleiben. Zur Senkung der CO2-Emissionen setzen
wir daher vorrangig auf die Elektrifizierung von Antrieben, Produktionsprozessen
und Heizungen, da sich grüner Strom so am effizientesten nutzen lässt.
Wasserstoff wollen wir also priorisiert dort einsetzen, wo eine Elektrifizierung
nicht oder nur sehr schwer möglich ist. Dazu gehören etwa die Produktion von
Grundstoffen wie Stahl- oder Chemieerzeugnisse, der Schwerlasttransport sowie
der interkontinentale See- und Luftverkehr. Zudem werden wir grünen Wasserstoff
bei geringer Solar- und Windenergieerzeugung sowie besonders hoher Last zur
Stromerzeugung einsetzen, um die Versorgungssicherheit mit erneuerbaren Energien
jederzeit sicherzustellen.
Klimaneutralität sozial und bürgernah erreichen
Klimaneutralität sichert und mehrt Wohlstand, ist aber auch mit Veränderungen
verbunden. Dieser Prozess verlangt den Menschen viel ab. Nicht nur deshalb muss
klimaneutral immer auch sozial heißen. Mit dem Klimasozialfonds, der primär aus
dem Emissionshandel gespeist wird, geben wir den Mitgliedstaaten die Mittel an
die Hand, das umzusetzen. Dabei werden Leistungen für Menschen finanziert, die
besonders von steigenden Energie- und Transportkosten betroffen sind. Wir wollen
deshalb, dass die Mitgliedstaaten – wie etwa Österreich mit dem Klimabonus – ein
Klimageld pro Kopf auszahlen.
Erneuerbare Energien sind Bürgerenergien. Sie ermöglichen es den Menschen und
Kommunen, ihre Energieversorgung selbst in die Hand zu nehmen. Das ist
solidarisch und demokratisch, denn damit bleiben die Erträge vor Ort. Wir haben
es in der Bundesregierung erheblich vereinfacht, selbst erneuerbare Energien zu
nutzen. Das soll europaweit gelten: Der Einsatz von Bürgerenergie soll noch
finanziell attraktiver und einfacher werden. Wir wollen europäisch besser
verankern, dass Bürger*innen an der Energiewende teilhaben können – indem sie
Mitglied eines Bürgerwindparks werden, den Strom ihrer Photovoltaikanlage direkt
an ihre Nachbar*innen verkaufen oder die in ihren Autos und Pufferbatterien
gespeicherte Energie einfach zur Netzstabilisierung einsetzen.
Erneuerbare Energien garantieren den Menschen, dass sie ihre Wohnungen auch
zukünftig bezahlbar heizen können. Deshalb unterstützen wir die
Weiterentwicklung der europäischen Anforderungen an die Effizienz von Gebäuden
und Heizungen, um Gebäude schnell und günstig von der Abhängigkeit von fossilen
Energieträgern zu befreien. Wir setzen dabei vor allem auf Beratung und
finanzielle Anreize. Wir möchten, dass alle Mitgliedstaaten kommunale Wärmepläne
entwickeln, die aufzeigen, welche Potenziale es für Erneuerbare gibt und wie
Abwärme oder Kraft-Wärme-Kopplung genutzt werden kann.
Mit einem effizienten Strommarkt, geringen Infrastrukturkosten und intelligent
aufeinander abgestimmten Mechaniken von Stromverbrauch und -erzeugung bleibt der
Vorteil der günstigen Stromerzeugung bei den Verbraucher*innen. Durch die
Umstellung der Förderung von erneuerbaren Energien auf Differenzverträge sichern
wir die Stromverbraucher*innen gegen hohe Kosten ab.
2. Ein wettbewerbsfähiger Wirtschaftsstandort
In Innovation und Resilienz investieren
Um die Infrastrukturunion zu verwirklichen, entscheiden wir uns für eine
strategische europäische Investitionspolitik. Das Wiederaufbauprogramm Next-
Generation-EU (NGEU) hat uns in der Pandemie vor einer schweren Krise bewahrt
und stark dazu beigetragen, dass Europa wirtschaftlich und politisch
zusammengehalten hat. Mit dem Ende von NGEU im Jahr 2026 droht diese wichtige
Säule der Finanzierung europäischer Investitionen wegzubrechen. NGEU kann uns
als Vorbild für eine effektive gemeinsame europäische Finanzierung von großen
Investitionsvorhaben – wie dem Aufbau der Infrastrukturunion – dienen.
Wir wollen daher ab 2026 ein großes Investitionsprogramm für Innovation und
Resilienz mit drei klaren Zielen schaffen: Erstens wollen wir, dass Europa im
Rahmen der Infrastrukturunion durch starke gemeinsame Infrastrukturen weiter
zusammenwächst – mit einem voll ausgebauten und integrierten europäischen
Schienen-, Strom- und Wasserstoffnetz. Zweitens wollen wir überall in Europa den
klimaneutralen Umbau der Industrie genauso wie den Aufbau der Industrien von
morgen fördern. Und drittens wollen wir unsere Wirtschaft und unsere
Gesellschaften widerstandsfähiger gegen und unabhängiger von Autokratien machen.
Industriepolitik aktiv gestalten
Europa ist ein starker Wirtschaftsstandort mit einer vielfältigen Landschaft aus
kleinen, mittleren und großen Unternehmen, die eine wesentliche Grundlage für
unseren Wohlstand ist. Wir werden dafür sorgen, dass das so bleibt. Dafür sind
zwei Hebel für uns zentral:
Zum einen stärken wir den Binnenmarkt, also den gemeinsamen Regulierungsrahmen
der EU für Unternehmen. Dieser gemeinsame Rahmen, in dem kein Mitgliedstaat
seinen eigenen Firmen unfaire Vorteile verschaffen darf und dessen Regeln in
vielen Bereichen den Goldstandard auf der Welt setzen, leistet gerade für
Deutschland als Exportland einen unschätzbaren Beitrag zu unserem Wohlstand. Ihn
werden wir weiter vertiefen und seine Grundlagen verteidigen.
Zum anderen müssen wir feststellen: Insbesondere China, aber auch die USA mit
ihrem Inflation Reduction Act investieren massiv in den Aufbau neuer
Produktionsstandorte für Zukunftstechnologien. Wir nehmen diesen Wettbewerb an:
Für die EU gilt es, dem eine eigene aktive Wirtschafts- und Industriepolitik
entgegenzusetzen, die Europas Stärken stärkt. Sie setzt bei der Forschung an und
reicht bis zur Unterstützung bei Investitionen. Dazu gehört einerseits eine
Angebotspolitik, die Bürokratie abbaut und Anreize für private Investitionen
setzt, andererseits starke öffentliche Förderprogramme etwa für
Zukunftstechnologien wie Elektrolyseure, Windräder, E-Autos und Mikrochips. Denn
wir wollen, dass Europa an der Spitze der Märkte der Zukunft steht und dass die
Produkte der Zukunft in Europa erdacht und hergestellt werden. So sichern wir
Jobs und Wohlstand in Europa. Gerade der Aufbau einer europäischen
Halbleiterindustrie ist elementar für die Erneuerung des Industriestandortes
Europa und dient unserer wirtschaftlichen Handlungsfähigkeit und Unabhängigkeit.
Hier werden wir einen Neuanfang anschieben: In der EU hat sich ein
Förderdschungel entwickelt, der es Unternehmen sehr schwer macht, schnell und
unbürokratisch an die bereitstehenden Mittel zu kommen. Das ist ein
entscheidender Wettbewerbsnachteil – etwa im Vergleich zu den USA. Wir treten
für eine kohärente und leicht verständliche Industriepolitik ein, bei der auch
Förderpolitik und Beihilferecht Hand in Hand gehen. Dafür wollen wir relevante
Teile der bisher nationalen Industriepolitiken auf die europäische Ebene
verlagern, die dafür finanziell sehr viel besser ausgestattet und in die Lage
versetzt wird, schnell und wirksam zu handeln.
Unsere Wirtschaft für den globalen Wettbewerb rüsten
Die europäische Industrie kann nur langfristig wettbewerbsfähig sein und Europa
gleichzeitig seine Klimaziele einhalten, wenn industrielle Produktionsprozesse
komplett klimaneutral werden. Dafür werden wir die industrielle Basis erneuern.
Immer mehr Unternehmen investieren massiv in eine Umstellung ihrer Produktion.
Dafür muss die Politik den Rahmen schaffen: einen klaren Reduktionspfad im
europäischen Emissionshandel. Wir füllen ihn durch einen massiven Ausbau der
erneuerbaren Energien und der Infrastruktur für Strom und grünen Wasserstoff mit
Leben, damit genug grüne Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen überall in Europa
zur Verfügung steht.
Das wird allerdings nicht reichen: Wir wollen die Unternehmen mit einem
europäischen Programm zur Dekarbonisierung der Industrie unterstützen. Dazu
wollen wir einen europaweiten Einsatz von Klimaschutzverträgen (Carbon Contracts
for Difference) aus dem EU-Haushalt finanzieren und somit in einem
Auktionsverfahren diejenigen Unternehmen finanziell fördern, die möglichst
kosteneffizient ihre Produktion klimaneutral umrüsten und dabei am meisten CO2
einsparen. Hier gilt das Effizienzprinzip: größere Fußabdrücke, die einfacher
und günstiger eingespart werden können, zuerst. Zusätzlich wollen wir
europäische grüne Leitmärkte für einige besonders energieintensive Produkte aus
klimaneutraler Produktion wie etwa grünen Stahl schaffen. Dafür wollen wir
beispielsweise bei öffentlichen Aufträgen eine Mindestquote von grünem Stahl
vorschreiben, die stetig ansteigt. Somit wird ein neuer Absatzmarkt geschaffen,
der klimaneutrale Produktion über einen Marktmechanismus in Gang setzt.
Schließlich wollen wir auch für die Umstellung von Produktionsprozessen auf
klimaneutrale Verfahren die Planungs- und Genehmigungsverfahren erheblich
beschleunigen, weil dies zu schnellerer Emissionsminderung bei gleichzeitigem
Erhalt von industrieller Substanz und guten Arbeitsplätzen beiträgt.
Mit der zeitlich gestaffelten Einführung von Resilienz- und
Nachhaltigkeitskriterien bei öffentlichen Ausschreibungen und öffentlichen
Förderprogrammen wollen wir gezielt die Produktion dieser Produkte in Europa
begünstigen.
Den Binnenmarkt stärken
Der EU-Binnenmarkt ist zentral für den Wohlstand der Bevölkerung der EU und
hilft, Wettbewerbsverzerrungen entgegenzuwirken. Er ist auch ein zentraler
Hebel, die klimaneutrale Modernisierung unserer Wirtschaft voranzubringen. Er
ermöglicht es den europäischen Unternehmen, Waren und Dienstleistungen überall
in der EU anzubieten. Und Arbeitnehmer*innen ermöglicht er, überall in der EU zu
arbeiten. Deshalb wollen wir den Binnenmarkt stärken und vertiefen: Wo es in
Europa eine gemeinsame Regel gibt, müssen Unternehmen nicht mehr 27 verschiedene
befolgen.
Wir gestalten die Regeln für den Binnenmarkt so, dass er dabei hilft,
übergeordnete Ziele zu erreichen: Demokratie, Wohlstand, soziale Gerechtigkeit,
Umwelt- und Klimaschutz sowie die Schaffung von fair bezahlten Arbeitsplätzen.
Wir wollen den Binnenmarkt auch nutzen, um widerstandsfähiger gegenüber Krisen
und unabhängiger von Rohstoffimporten zu werden.
Um funktionierenden Wettbewerb zum Nutzen von Verbraucher*innen und kleinen
Unternehmen durchzusetzen, haben wir in Deutschland das Wettbewerbsrecht
verschärft. Ein solches Update braucht auch das EU-Wettbewerbsrecht. Dafür
wollen wir das New Competition Tool wiederbeleben, das die Kommission schon
einmal vorgeschlagen hatte.
Eine starke Wettbewerbspolitik, die die Bildung von zu starker Marktmacht
bekämpft und Subventionswettläufe innerhalb der EU möglichst unterbindet, macht
den Erfolg des Binnenmarktes aus. Daran wollen wir auch in Zukunft festhalten.
Allerdings steht Europa heute im Ringen um die Märkte der Zukunft im globalen
Wettbewerb mit anderen Staaten, die sich nicht an diese Regeln halten. Gerade
für die grünen Zukunftstechnologien muss die EU-Kommission deshalb einen
dauerhaften neuen Beihilferahmen schaffen, der den Mitgliedstaaten eine
aktivere, europäisch koordinierte Industriepolitik ermöglicht und dabei zugleich
Wettbewerbsverzerrungen verhindert. Dazu gehören schnellere Planungssicherheit
bei Beihilfeverfahren, Ausnahmen für die Unterstützung von neuen
Produktionsanlagen in den Zukunftstechnologien und bei der Umstellung von
Produktionsprozessen auf Klimaneutralität.
Ein Ansatz dafür sind die strategischen Förderprojekte IPCEI, mit denen die EU
die Industriepolitik der Mitgliedstaaten in Schlüsselsektoren wie dem Aufbau der
europäischen Wasserstoffinfrastruktur und die Wertschöpfungsketten rund um
Mikroelektronik ermöglicht und koordinieren will. Für mehr Planungssicherheit
für Unternehmen müssen die Beihilfeverfahren gerade im Kontext der IPCEIs
beschleunigt werden.
Fachkräfte ausbilden, gewinnen und halten
Wir wollen, dass der Wohlstand denjenigen zukommt, die ihn erarbeiten. Wir
wollen mehr Gerechtigkeit für die Mitte der Gesellschaft. Dazu sind gute
Arbeitsbedingungen, sichere Jobs und anständige Löhne das beste Mittel. So
wachsen wir aus der Mitte heraus. Fachkräfte sind das Rückgrat der europäischen
Wirtschaft. Das gilt gleichermaßen für akademisch ausgebildete Fachkräfte wie
für solche mit handwerklicher oder industrienaher Ausbildung. Davon hängt auch
das Gelingen der Energiewende ab. Das heißt auch: Mit Investitionen in
Klimaschutz fördern wir gleichzeitig sichere und zukunftsfeste Arbeitsplätze.
Dafür müssen wir junge Menschen entsprechend ausbilden, Weiterbildungsangebote
für alle bereithalten – besonders auch für ältere Arbeitnehmer*innen – und
Fachkräfte von außerhalb gewinnen. Gleichzeitig müssen wir Frauen die
Möglichkeit geben, sich voll einzubringen. In vielen EU-Ländern arbeiten
Millionen Frauen oft unfreiwillig in Teilzeit oder gar nicht. Wir brauchen auf
EU-Ebene eine feministische Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, die soziale
Infrastruktur für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf mitdenkt.
Wir wollen es Frauen leichter machen, einen technischen – und damit häufig auch
gut bezahlten – Beruf zu wählen. Wir wollen einen Bonus einführen, den
Unternehmen und Betriebe, in denen bislang unterdurchschnittlich wenig Frauen
beschäftigt sind, bei der EU-Fördermittelvergabe erhalten können, wenn sie mehr
Frauen ausbilden bzw. beschäftigen. Gemeinsam mit den Gewerkschaften und den
Betrieben werden wir neue Ideen entwickeln, wie wir eine gleichberechtigte
Teilhabe der Geschlechter in der Wirtschaft ermöglichen können.
Europa konkurriert mit weiteren Weltregionen, wenn es um die Anwerbung von
Fachkräften geht, vom Bauingenieur über die Handwerkerin bis zur Fachkraft im
Krankenhaus. Wir setzen uns daher für eine umfassende EU-Fachkräftestrategie
ein. Bei der Anwerbung aus Drittstaaten sollte die EU-Blue-Card-Initiative
ausgeweitet werden und vielen weiteren Berufsgruppen zugutekommen.
Viele Beschäftigte, die in der fossilen Industrie arbeiten, sorgen sich um ihr
Auskommen, wenn ihre Industriezweige elektrifiziert werden. Den Wandel zu einer
klimaneutralen Wirtschaft wollen wir deshalb mit gut bezahlten Arbeitsplätzen,
attraktiven Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, Tarifbindung sowie
wirtschaftlicher und sozialer Sicherheit zusammenbringen, gerade in noch
strukturschwachen Regionen. Unsere Industriepolitik bietet dafür einen Hebel:
Die Vergabe von EU-Geldern wollen wir stärker daran koppeln, dass
Ausbildungsplätze eingerichtet, Sozialstandards eingehalten und geltende Tarife
befolgt werden.
3. Stabile Finanzen
Europa finanziell wappnen
Eine zentrale Stellschraube für die Handlungsfähigkeit der EU ist ihre
finanzielle Ausstattung: Was wir uns in Europa gemeinsam vornehmen, müssen wir
auch zu einem relevanten Teil mit europäischen Mitteln finanzieren können.
Diesen Anspruch wollen wir endlich erfüllen, denn in den nächsten fünf Jahren
sind weitreichende Entscheidungen zur Finanzierung unserer gemeinsamen
europäischen Vorhaben bis weit in die 2030er-Jahre zu treffen.
Dabei werden uns zwei Prinzipien leiten: Erstens wollen wir die finanzielle
Ausstattung der EU insgesamt durch neue Eigenmittel und höhere nationale
Beiträge verbessern. Im Krisenfall haben sich zudem auch gemeinsame europäische
Anleihen bewährt. Zweitens muss die EU deutlich mehr Handlungsspielraum im
Einsatz ihrer Mittel bekommen, um sie für gemeinsame Investitionen in
strategisch wichtigen Bereichen wie der Industriepolitik und für eine
Infrastrukturunion einzusetzen. In diesem Sinne werden wir sowohl für einen
starken Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR), die Grundlage für den Haushalt der EU,
als auch für ein neues großes Investitionsprogramm streiten.
Wir wollen, dass der MFR für die Jahre 2028 bis 2035 gegenüber dem jetzigen
deutlich aufwächst. Dafür muss auch Deutschland seinen Beitrag leisten. Es gilt,
gezielt die Ausgabenposten zu stärken, die Europas Handlungsfähigkeit in den
entscheidenden Feldern der Zukunft verbessern. Dafür müssen wir auch die
Ausgaben im MFR kritisch auf ihre Wirkung hin überprüfen. Das betrifft
insbesondere die Bereiche, in denen die Mitgliedstaaten die Ausgaben verwalten.
Der Schutz unseres Gemeinwohls setzt eine auch finanziell handlungsfähige EU
voraus. Gerade in Zeiten massiv wachsender Aufgaben kann sie sich auf Dauer
nicht nur aus den Beiträgen der Mitgliedstaaten finanzieren. Sie braucht auch
eigene Einnahmen, die ihre finanzielle Ausstattung langfristig sichern. Dafür
wollen wir das Prinzip festschreiben, dass Einnahmen, die infolge europäischer
Instrumente entstehen, im Grundsatz mehrheitlich dem EU-Haushalt zugutekommen.
In einem ersten Umsetzungsschritt wollen wir festlegen, dass 75 Prozent der
möglichen Geldschöpfungsgewinne des Eurosystems in Zukunft dem EU-Haushalt
zugutekommen. Auch die Einnahmen aus dem neuen CO2-Grenzausgleichsmechanismus
(CBAM) sollen zu 75 Prozent dem EU-Haushalt zufließen.
Damit die anstehenden Zins- und Tilgungszahlungen für das NGEU-Programm nicht zu
einer Kürzung des EU-Haushalts führen, wollen wir so schnell wie möglich den
bereits 2020 von Rat und Parlament beschlossenen Fahrplan zu neuen Eigenmitteln
in die Tat umsetzen. Dabei muss die Finanzierung der notwendigen nationalen
Klimafinanzierung in den Mitgliedstaaten sichergestellt werden.
Wirtschafts- und Währungsunion vervollständigen
Eine stabile und solidarische Wirtschafts- und Währungsunion ist eine
Grundvoraussetzung für Wohlstand und politischen wie sozialen Zusammenhalt in
Europa. Doch die Architektur der Währungsunion ist weiterhin unvollständig und
Europa damit weiter anfällig für Krisen. Das wollen wir durch ein umfassendes
Maßnahmenpaket ändern.
Mit dem neuen Investitionsprogramm für Innovation und Resilienz verstetigen wir
die gemeinsame Fiskalpolitik – auch als wichtigen Puffer für Krisenzeiten. Mit
der Überführung des Europäischen Stabilitätsmechanismus in den EU-Rechtsrahmen
und der Umstellung auf Mehrheitsentscheidungen schaffen wir nationale Vetos in
Krisen ab und etablieren endlich eine gemeinsame europäische parlamentarische
Kontrolle über zukünftige EU-Hilfsprogramme.
Mit der Einführung einer Arbeitslosenrückversicherung nach Vorbild des EU-
Kurzarbeitergeldes SURE schaffen wir ein zusätzliches Auffangnetz in
Krisenzeiten, damit die Mitgliedstaaten Jobs sicher schützen können. Und wir
wollen die Banken- und Kapitalmarktunion vollenden, damit auch der Finanzsektor
in Krisen stabilisierend wirkt.
Eine widerstandsfähige Währungsunion braucht auch funktionierende Regeln für die
Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten, die die Schuldentragfähigkeit in allen
Ländern jederzeit sicherstellen und gleichzeitig genug Raum für Investitionen
und Wachstum schaffen. Die seit einem Jahrzehnt geltenden Regeln und auch der
Vorschlag der Europäischen Kommission werden diesem Anspruch nicht gerecht.
Deshalb braucht es eine ambitionierte Reform, deren Ergebnis von der Kommission
konsequent durchgesetzt wird.
Wir unterstützen die Einführung des digitalen Euros als Ergänzung zum Bargeld
und zum Buchgeld der Geschäftsbanken. Der digitale Euro befördert die
Digitalisierung der Wirtschaft und ermöglicht Verbraucher*innen digitalen
Zugriff auf sicheres und wertstabiles Zentralbankgeld. Als öffentliches Gut kann
er einen wertvollen Beitrag zur finanziellen Inklusion, zur Souveränität der EU
und zur Stabilität unseres Zahlungssystems im digitalen Zeitalter leisten.
Bankenunion vollenden
Um die klimaneutrale Erneuerung unserer Wirtschaft zu unterstützen, muss das
Finanzsystem resilienter werden und konsequent an den europäischen
Nachhaltigkeitszielen ausgerichtet sein. Jede Finanzierungsentscheidung ist eine
Entscheidung über die Wirtschaft der Zukunft und muss deshalb auch mit unseren
Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen kompatibel sein.
Der Bankensektor ist in der EU zentral für die Finanzierung der Investitionen
von Unternehmen und Bürger*innen in die Modernisierung unserer Wirtschaft. Eine
weitere Bankenkrise können wir uns schon allein deshalb nicht leisten. Mit einer
hohen Eigenkapitalquote, regelmäßigen Stresstests und der Vollendung der
Bankenunion stellen wir die Banken stabil auf. Mit einer europäischen
Einlagenrückversicherung, die den Erhalt der Institutssicherungssysteme von
Sparkassen und Genossenschaftsbanken erlaubt, einem funktionierenden
Abwicklungsregime sowie einer Trennung des Kreditgeschäfts mit Privatkund*innen
vom Investmentbanking bei Großbanken können wir verhindern, dass Kreditinstitute
im Fall einer Insolvenz mit Steuergeld gerettet werden müssen. Indem wir Banken
verpflichten, die von ihnen finanzierten Emissionen schrittweise zu reduzieren,
sorgen wir dafür, dass ihr Geschäft in Einklang mit dem Ziel der
Klimaneutralität steht.
Neben den Banken müssen auch alle anderen Akteure des Finanzsektors wie
Ratingagenturen, Versicherer und Pensionsfonds Klimarisiken offenlegen und
berücksichtigen. Wir setzen uns dabei für mehr Kohärenz bei der europäischen
Gesetzgebung ein, um unnötige Bürokratie – insbesondere bei kleineren
Unternehmen – zu verhindern.
Die grüne Taxonomie der EU ist ein Mittel, um die Finanzierung
umweltverträglicher Wirtschaftsaktivitäten zu unterstützen. Deshalb bleibt es
falsch, Atomenergie und Erdgas als nachhaltig einzustufen. Nachhaltigkeit ist
aber komplexer als ein binäres Ja oder Nein, denn dafür brauchen wir auch starke
und innovative Zulieferer, zum Beispiel für E-Autos oder Windräder, die bisher
in der Taxonomie nicht erfasst sind. Das wollen wir zukünftig besser abbilden.
Wir wollen bei der grünen Taxonomie weitere Abstufungen ergänzen, damit
Investitionen in den Übergang in eine nachhaltige Wirtschaft ausreichend
finanziert werden. Es sollen zukünftig auch soziale Aspekte berücksichtigt
werden.
Grüne Geldanlagen sind im Mainstream angekommen, denn viele Menschen wollen sich
an Zukunftsbranchen beteiligen und dabei auch das Klima schützen. Die
Finanzaufsicht hat mit dem schnellen Wachstum nachhaltiger Finanzprodukte jedoch
nicht Schritt gehalten. Um das Vertrauen der Anleger*innen zu festigen, wollen
wir deshalb die europäischen Finanzaufsichtsbehörden mit weitreichenden
Kompetenzen gegen Greenwashing ausstatten und ein staatliches Labelsystem für
nachhaltige Geldanlagen einführen. Verbraucher*innen sollen Klarheit haben,
welchen Beitrag ein Finanzprodukt zur klimaneutralen Modernisierung unserer
Wirtschaft leistet.
Wir wollen die Kapitalmarktunion zu einem Erfolg machen. Hierfür müssen wir das
Vertrauen der Sparer*innen zurückgewinnen. Denn Interessenkonflikte durch
Provisionen haben dafür gesorgt, dass Sparer*innen viel zu oft teure, riskante
oder unpassende Finanzprodukte verkauft wurden. Wir wollen, dass Provisionen in
der Finanzberatung mittelfristig keine Rolle mehr spielen und jedem den Zugang
zu unabhängiger provisionsfreier Beratung ermöglichen. Nur so können wir die
Potenziale der Kapitalmarktunion für alle zugänglich machen.
4. Steuergerechtigkeit
Steuerhinterziehung bekämpfen
Die Finanzierung unseres demokratischen Gemeinwesens hängt davon ab, dass alle
ihren fairen Beitrag leisten – für Schulen und Kinderbetreuung, für
Krankenhäuser, für eine gute Bus- und Bahninfrastruktur. Mutige
Whistleblower*innen und unabhängige Medien haben in den letzten Jahren eine
ganze Reihe internationaler Steuerskandale aufgedeckt. Sie haben belegt, wie
Superreiche und viele Großunternehmen Steuertricks nutzen, um Gewinne in
Niedrigsteuerländer zu verschieben: über Steuerschlupflöcher, Briefkastenfirmen
und Steueroasen bis hin zu Steuerbetrug. Diese Praktiken wälzen die Steuerlast
auf die Bürger*innen und besonders kleine und mittlere Unternehmen ab, die
rechtmäßig ihre Steuern zahlen. Schätzungen zufolge verursacht Steuermissbrauch
EU-weit Verluste von jährlich mehr als 170 Milliarden Euro. Steuerbetrug und
Steuerhinterziehung sind häufig grenzüberschreitende Probleme. Die EU kann hier
einen wirkungsvollen Beitrag zur Bekämpfung leisten.
Auch im Kampf gegen Steuervermeidung, die beispielsweise durch Verlagerung von
Gewinnen in Steueroasen geschieht, wollen wir weiter voranschreiten. Es braucht
strengere Kriterien, um sicherzustellen, dass die EU-Liste der Steueroasen
wirklich vollständig wird. So fehlen aktuell namhafte Steueroasen wie
beispielsweise Singapur. Länder mit einem Steuersatz von null Prozent müssen
automatisch auf der EU-Liste der Steueroasen landen, wie beispielsweise Bermuda
oder die Cayman Islands. Entscheidungen darüber, welches Land auf die Liste
gesetzt wird, müssen transparent, nach einheitlichen Kriterien und unparteiisch
getroffen werden.
Ebenso wollen wir die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Steuerbehörden
wesentlich verbessern, um den EU-weiten Austausch steuerrelevanter Informationen
zu stärken. Wir begrüßen, dass dabei nun ebenfalls Kryptoassets voll erfasst
werden sollen.
Wir werden den Missbrauch von Briefkastenfirmen angehen, also Firmen, die nur
existieren, um Steuern zu hinterziehen oder zu verlagern. Wir fordern die
Mitgliedstaaten auf, den entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission schnell und
ohne ihn abzuschwächen anzunehmen – die EU wäre mit dieser Gesetzgebung weltweit
Vorreiterin.
Quellensteuern senken das Risiko von Steuerhinterziehung und -umgehung, wie es
sich beim Cum-Ex- und Cum-Cum-Skandal gezeigt hat, sowie die Gewinnverlagerung
in Niedrigsteuerländer. Wir unterstützen daher die Pläne der EU-Kommission zur
Einführung eines EU-weiten Systems für die Quellensteuer auf Dividenden und
Zinszahlungen und setzen uns für einen weiteren Schritt ein – einen EU-weiten
Quellensteuer-Mindestsatz. International müssen wir das Problem von
Quellensteuern auf Auslandszahlungen in Drittländern außerhalb der EU angehen.
Steuerdumping beenden
Der Flickenteppich nationaler Steuervorschriften und der Steuerwettbewerb
zwischen den EU-Mitgliedstaaten bei den Körperschaftssteuersätzen erschweren
faire Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt. Um dem entgegenzuwirken, muss die
Steuergesetzgebung Schritt halten mit neuen Geschäftsmodellen, die
internationaler, komplexer und digitaler geworden sind. So profitieren die
großen Digitalunternehmen mit ihren immateriellen Gütern (wie Daten, Wissen oder
Algorithmen) davon, dass Unternehmensgewinne am Ort einer physischen
Niederlassung oder Fabrik besteuert werden und nicht beispielsweise dort, wo die
Nutzer*innen digitaler Dienste verortet sind. Wir wollen verhindern, dass der
Bäckerladen um die Ecke einen deutlich höheren Steuersatz zahlt als ein
internationaler Großkonzern. Alle Unternehmen müssen ihren gerechten Anteil zur
Finanzierung des Gemeinwohls beitragen.
Auf dem Weg zu einer fairen und effektiven Unternehmensbesteuerung in Europa ist
ein großer Schritt genommen worden: Die EU hat sich – infolge eines Durchbruchs
auf Ebene der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(OECD) – endlich auf eine Mindestbesteuerung großer multinationaler Unternehmen
von 15 Prozent geeinigt. Damit können sie sich einem Mindeststandard an
Besteuerung nicht mehr entziehen. Die Umsetzung in den Mitgliedstaaten und der
Vorschlag der EU-Kommission für einen neuen EU-Rahmen zur
Unternehmensbesteuerung (BEFIT) müssen nun folgen. Die Einigung auf die
Mindestbesteuerung ist ein zentraler Schritt bei der Reform des internationalen
Steuersystems. Er reicht aber noch nicht aus, damit die großen
Digitalunternehmen, der E-Commerce oder multinationale Unternehmen in Europa
fairer besteuert werden. Sollten bei den auf OECD-Ebene aktuell stockenden
Verhandlungen in diesem Bereich keine Fortschritte absehbar sein, sollte die EU-
Kommission vorschlagen, wie dieses Ziel europäisch weiterverfolgt werden kann.
Steuertransparenz ist ein wirkungsvolles Instrument, da es Steuerdumping für
alle sichtbar macht. Die Einigung auf die öffentliche länderbezogene
Steuerberichterstattung von Großunternehmen im Jahr 2021 war in diesem Sinne ein
Meilenstein. Wenn große Unternehmen offenlegen, wie viel Steuern sie in den
einzelnen EU-Mitgliedstaaten zahlen, führt das zu einer besseren Kontrolle ihrer
Steuerpraktiken. Aber es werden noch nicht alle Länder erfasst. Wir werden
darauf hinarbeiten, die im Gesetz verankerte Klausel zur Überprüfung der
Richtlinie zu nutzen, um die Richtlinie zu verbessern und eine weltweite
Aufschlüsselung relevanter Steuerdaten zu erreichen. Um einen zerstörerischen
Steuerwettbewerb zwischen den EU-Mitgliedstaaten zu verhindern, braucht es
darüber hinaus ein klares Rahmenwerk der EU für Steuerbegünstigungen, die
einzelne Mitgliedstaaten Unternehmen gewähren können.
Gemeinwesen solidarisch finanzieren
Steuergerechtigkeit heißt, dass hohe Vermögen und Milliardengewinne von
Unternehmen einen fairen Beitrag leisten müssen, um das Gemeinwesen solidarisch
zu finanzieren, Klimaschutz und Nachhaltigkeit zu fördern und soziale
Ungleichheit abzubauen. In der ganzen EU hat die starke Ungleichverteilung und
Konzentration insbesondere von Vermögen weiter zugenommen.
Um diese Probleme adressieren zu können, muss die EU auch in der Steuerpolitik
handlungsfähig sein. Vorstöße gegen Steuerdumping und Steuerflucht werden immer
wieder durch Vetos einzelner EU-Mitgliedstaaten verhindert. Wir wollen die
bestehenden Möglichkeiten der Verträge ausschöpfen, qualifizierte
Mehrheitsentscheidungen zu treffen. Perspektivisch eröffnet die Überwindung des
Einstimmigkeitsprinzips größeren gemeinsamen Handlungsspielraum.
Infolge des russischen Kriegs in der Ukraine erzielten Öl- und Gaskonzerne durch
hohe Energiepreise extrem hohe Zufallsgewinne. Diesen unverhältnismäßigen
Gewinnen einiger Krisengewinner stehen Höchststände bei der Armut gegenüber, die
durch sprunghaft gestiegene Lebenshaltungskosten noch verstärkt wurden. Dass
sich die EU in dieser Situation auf eine Übergewinnsteuer geeinigt hat, durch
die die großen Energiekonzerne einen Krisenbeitrag an die Gesellschaften
zurückgeben, ist ein großer Erfolg. Ein Teil der gegenwärtigen Inflation wurde
durch überzogene Profite verursacht und ist nicht durch gestiegene
Produktionskosten gerechtfertigt. Wir fordern, das Instrument der
Übergewinnsteuer auch für andere Bereiche fest zu verankern, um in ökonomischen
Sondersituationen die öffentlichen Haushalte zu entlasten. Schlupflöcher wie das
Kleinrechnen von Gewinnen über mehrere Geschäftsjahre oder die Gewinnverlagerung
ins Ausland müssen geschlossen werden. Unternehmen, die in erneuerbare Energien
reinvestieren, sollten eine Gutschrift erhalten.
5. Innovationskraft und Bürokratieabbau
Europäische Forschung an der Weltspitze verankern
Für die großen technologischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen
Herausforderungen unserer Zeit brauchen wir das gebündelte Wissen unseres
gesamten Kontinents und darüber hinaus. Deswegen ist eine europäische
Wissenschafts- und Forschungspolitik, die Menschen und Institutionen aus ganz
Europa verbindet und sie bei der Entfaltung einer freien Forschung unterstützt,
ein Schlüsselelement für eine Zukunft in Freiheit und Wohlstand. Wir wollen,
dass die nächsten großen Durchbrüche für eine komfortable und klimafreundliche
Mobilität, für Hochleistungsrechner oder ein Medikament gegen Krebs oder
Alzheimer in Europa erdacht und produziert werden.
Im Zentrum steht dabei das Programm Horizont Europa, das die
Forschungsaktivitäten der EU bündelt. Es ist ein höchst erfolgreiches und bei
Antragsteller*innen sehr beliebtes Förderprogramm, das weltweit seinesgleichen
sucht. Wir wollen seinen Umfang im nächsten europäischen Finanzrahmen ausbauen.
Europäische Forschungspolitik muss die freie Grundlagenforschung ebenso wie die
missions- und anwendungsorientierte Forschung beinhalten. Zentral dafür ist die
Klimaforschung, für die wir im laufenden Zyklus von Horizont Europa eine feste
Quote von 35 Prozent für die europäische Klimaforschung verankern konnten. Wir
treten für eine gut ausgestattete Grundlagenforschung ein – etwa im European
Research Council, der Exzellenzforschung par excellence. Die für Forschende so
wichtige Marie-Skłodowska-Curie-Mobilitätsförderung wollen wir verstetigen. Wir
machen uns auch weiterhin dafür stark, dass Sozial- und Geisteswissenschaften
(SSH) einen festen Platz in der EU-Förderkulisse bekommen, denn sie sind von
hoher Bedeutung für lebendige und resiliente Kultur, Gesellschaft und
Demokratie. Open Science, also das Prinzip, dass Forschungsergebnisse frei
zugänglich sein sollen, wollen wir als Prinzip von Horizont Europa weiterhin
stärken.
Horizont Europa ist bereits mit vielen Partnerländern weltweit verbunden, was
den Wissensaustausch fördert. Wir haben aber für unsere Forschenden den
Anspruch: Horizont Europa muss noch internationaler werden und weitere
Partnerländer einbinden.
Aus Ideen Wohlstand machen
Für die wirtschaftliche Zukunft Europas sind Innovationen von entscheidender
Bedeutung. Wir wollen sie auf ihrem Weg vom Labor in die Praxis unterstützen.
Innovationen sind als Wachstumskeime ein entscheidender Baustein für den
wirtschaftlichen Erfolg von morgen.
Aufbauend auf der Grundlagenforschung gestalten wir eine missionsorientierte
Forschung, die uns dabei hilft, die großen Herausforderungen unserer Zeit
anzugehen: Wir brauchen beispielsweise einen schnelleren Roll-out der
erneuerbaren Energien, effektive Behandlungen für Krebs, smarte digitale
Lösungen für Klima, Energie und Mobilität und nicht zuletzt soziale
Innovationen, um kluge Konzepte umzusetzen. Die Missionen von Horizont Europa
sollen sich weiterhin insbesondere am Green Deal orientieren. Um sie umzusetzen,
wollen wir Hochschulen, Institute, Zivilgesellschaft, Start-ups und die
Industrie zusammenbringen.
Innovationspolitik ist ein entscheidender Teil unserer aktiven Wirtschafts- und
Industriepolitik. Wir wollen die Programmbestandteile von Horizont Europa so
ausbauen, dass sie schnell und dynamisch die besten Ideen auf dem Weg zu ihrer
Umsetzung unterstützen.
Dafür soll die EU auch verstärkt regionale Innovationsökosysteme unterstützen
und dabei neben den Universitäten die Hochschulen für angewandte Wissenschaften
bzw. Fachhochschulen in den Blick nehmen. Bislang profitieren diese von der EU-
Förderung häufig nicht im selben Maße wie Universitäten, sind aber besonders in
der anwendungsnahen Forschung sehr stark. Solche Cluster von Forschung, Lehre
und Anwendung sind zentral, um Innovationen zu fördern, sichtbar zu machen und
vor Ort klimaneutralen Wohlstand zu schaffen.
Die bestehenden Instrumente wollen wir handhabbarer und schneller machen. Dies
gilt beispielsweise für die Wissensgemeinschaften (KIC), die sich besonders der
Nachwuchsausbildung widmen, zum Beispiel in Master- oder
Weiterbildungsprogrammen. So können wir dafür sorgen, dass wir möglichst vielen
eine Chance geben, sich in die Zukunftsbranchen einzubringen.
Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen sind auch in diesem
relevanten Bereich von großer Bedeutung: Die Kommission hat eine Vielzahl von
öffentlich-privaten Partnerschaften geschaffen, die EU-Gelder gemeinsam mit der
Industrie verwalten. Wir möchten hier eine Transparenzinitiative starten und
sicherstellen, dass Hochschulen, Forschungsinstitute und Gründer*innen stärker
von diesen Förderinstrumenten profitieren.
Mit Europäischen Start-ups durchstarten
Eine innovative Unternehmenslandschaft braucht ein lebendiges
Gründungsgeschehen. Hier entstehen die erfolgreichen Geschäftsmodelle von
morgen. Dafür muss Gründen schneller und einfacher werden. Wir setzen uns dafür
ein, dass bisher weniger aktive Mitgliedstaaten beispielsweise von Estland, dem
europäischen Vorreiterland für Start-ups, lernen können.
Wir brauchen in der Kommission eine klare Zuständigkeit für Start-ups, damit der
Know-How-Transfer in der EU besser koordiniert und eine Strategie für das
europäische Gründungsgeschehen erarbeitet wird.
Wir wollen sicherstellen, dass es in jedem Mitgliedsland One-Stop-Shops gibt.
Dort finden Gründer*innen Begleitung und Beratung aus einer Hand. Einen
Überblick über alle Förderprogramme für Gründer*innen soll ein digitaler Kompass
bieten. Mit einem Klick ohne Umwege zur Antragstellung – das ist unser Ziel.
Die European Tech Champions Initiative, die die Bundesregierung gemeinsam mit
anderen EU-Mitgliedstaaten ins Leben gerufen hat, ist ein wichtiger Baustein, um
Start-ups in der Wachstumsphase besser zu unterstützen. Ergänzend wollen wir
regelmäßige europäische Matching Hubs ins Leben rufen, die private
Investor*innen mit Gründer*innen an einen Tisch bringen, eine Messe für
Geschäftsmodelle der Zukunft.
Mittelstand fördern
Die Innovationsfähigkeit und die Tatkraft der KMU und des Handwerks sind Motor
der europäischen Wirtschaft. Diese Unternehmen werden im Verhältnis besonders
stark durch die Einführung neuer Regelungen belastet. Um sie zu unterstützen,
wollen wir KMU-Tests verbessern und konsequent anwenden, mit denen neue Gesetze
auf ihre Auswirkungen auf KMU überprüft werden. Wir setzen uns zusätzlich für
angemessene Ausnahmen und Übergangsfristen für KMU in neuen Gesetzen ein. Durch
vereinfachte Antragsverfahren erleichtern wir den Zugang von KMU zu Förder- und
Investitionsprogrammen der EU. Mithilfe von festgelegten KMU-Quoten stellen wir
sicher, dass diese Programme ihnen auch tatsächlich zugutekommen. Die
Förderlandschaft in der EU werden wir vereinheitlichen und stärker mit
nationalen Förderinstrumenten verzahnen.
Manche Gesetzesvorschriften erweisen sich als mittlerweile überholt, andere in
der Praxis als untauglich. Wir setzen uns für eine regelmäßige Überprüfung aller
Regulierungen ein, um bürokratische Anforderungen zu vereinfachen und
Vorschriften, die ihr Ziel verfehlen, wieder zu streichen. Beispielsweise wollen
wir die Meldepflicht bei touristischen Übernachtungen und die A1-Bescheinigungen
durch einen praktikableren Ansatz ersetzen.
Ein zentrales Mittel für den Bürokratieabbau ist die Digitalisierung der
Verwaltung. Dadurch können viele Behördengänge entfallen, der Datenaustausch
automatisiert und Anträge leichter gestellt werden. Verwaltungsleistungen sollen
so weit wie möglich digital erfolgen. Verfahrensstände sollen online einsehbar
werden. Durch eine stärkere Vernetzung von europäischen und nationalen Behörden
soll das Once-Only-Prinzip eingeführt werden, damit Daten künftig nur noch
einmal bei Unternehmen abgefragt werden, um sie dann im Rahmen der
datenschutzrechtlichen Vorgaben und innerhalb der Behörden austauschen zu
können. Die Schriftformerfordernis in Verwaltungsverfahren wollen wir weitgehend
abschaffen.
6. Digitale Souveränität
Europa digital fit machen
Digitalisierung liefert einen Schlüssel für zentrale Herausforderungen unserer
Zeit. Sie erlaubt es, grundlegende Lebensbereiche wie Verkehr, Bildung,
Gesundheit oder Energie völlig neu zu denken. Damit bietet sie enorme Chancen
für die wirtschaftliche Entwicklung und für die Vereinfachung vieler Aufgaben
für alle – von lästigen Verwaltungsgängen über das Management von Lieferketten
in der Industrie bis hin zur Erforschung und Therapie schwerer Krankheiten. Wir
wollen sie als Grundlage eines fairen, dezentralen, hoch vernetzten und
resilienten Wirtschaftssystems gestalten.
Auch im digitalen Bereich erleben wir einen Systemwettbewerb – zwischen einer
emanzipatorischen Digitalisierung, die Bürger*innen befähigt und Freiheit
stärkt, und einer Digitalisierung, die entmündigt und Überwachung fördert.
Europa muss sich in diesem Wettstreit selbstbewusst positionieren. Wir wollen
deshalb die digitale Souveränität Europas sichern, stärken und ausbauen.
Basis einer digitalen europäischen Souveränität ist unter anderem eine
resiliente und klimafreundliche Infrastruktur, zu der Breitbandnetze,
Mobilfunknetze, Knotenpunkte, Rechenzentren und die Verlässlichkeit sensibler
Lieferketten zählen. Wir wollen vermehrt die Entwicklung und Produktion von
Infrastrukturkomponenten in Europa vorantreiben, seien es Halbleiter oder
Mobilfunktechnik. Dabei können wir auf starke europäische Unternehmen in
verschiedenen Sektoren der Digitalisierung aufbauen. Die Anbindung an die
globale Netzinfrastruktur, ob bei Unterseekabeln oder Knotenpunkten, wollen wir
mit starken europäischen Akteuren gestalten.
Digitalisierung voranzutreiben, heißt auch, sie in politischen Vorhaben
mitzudenken. Wir wollen die digitale Umsetzung von Gesetzesvorhaben bereits im
legislativen Prozess berücksichtigen. Damit können staatliche Dienstleistungen
schneller und effizienter erbracht werden. Vor allem kann die Digitalisierung
der Verwaltungsprozesse helfen, politische Regeln – vom
Grenzausgleichsmechanismus CBAM bis zum Datenschutz – in der wirtschaftlichen
Praxis handhabbar zu machen.
Die rasanten Fortschritte in der Entwicklung und Anwendung von KI stellen eine
riesige Chance für viele Lebensbereiche dar. Sie kann dem Menschen dienen, unser
Leben vereinfachen und unseren Wohlstand mehren, sie kann Prozesse in Alltag,
Wissenschaft, Verwaltung und Wirtschaft verändern und vereinfachen. Moderne KI-
gestützte Verfahren können beispielsweise dabei helfen, den Einsatz von Wasser
sowie Pestiziden zu verringern und gleichzeitig den Ernteertrag erhöhen. Sie
schonen die Umwelt und erhöhen die Wirtschaftlichkeit. Wir wollen KI nach
unseren gemeinsamen Werten einsetzen. Mit dem KI-Gesetz macht Europa einen
großen Schritt in diese Richtung, der weltweit wahrgenommen und genau beobachtet
wird. Wir wollen diese Potenziale gestalten und nutzbar machen, dazu gehören die
bessere Verfügbarkeit von Daten und die Unterstützung bei Forschung und
Transfer.
Mit datensparsamen und nachhaltigen technologischen Lösungen sowie mit Open-
Source- und Open-Data-Lösungen schaffen wir europäische Standortvorteile.
Wir wollen ökologische Standards in der IT international etablieren,
Nachhaltigkeitsstandards für Softwaredesigns entwickeln und implementieren sowie
energieintensive Rechenzentren klimaneutral betreiben lassen. Für Software und
vernetzte Geräte muss „Sustainability by Design“ die Regel sein; für KI, Cloud-
Plattformen, Browser, Suchmaschinen, digitale Marktplätze und soziale Netzwerke
muss die EU Nachhaltigkeitsstandards entwickeln. Dazu fordern wir einen Digital
Sustainability Act, ein europäisches Gesetz, das die Innovationskraft des
Sektors für Informations- und Kommunikationstechnologie für Nachhaltigkeit
optimiert. Eine Abwärmeinfrastruktur von Rechenzentren wollen wir in die
europäische Energieinfrastruktur integrieren.
Daten rechtebasiert nutzen
Daten und die Verarbeitung von großen Datensätzen sind die Grundlage für
zahlreiche innovative Technologien und besonders der KI. Die kluge Nutzung von
Daten leistet einen wichtigen Beitrag dazu, unser Zusammenleben zu bereichern
und zahlreiche gesellschaftliche Probleme anzugehen sowie wirtschaftliches
Wachstum zu fördern, Ressourcen zu schonen und die wissenschaftliche Forschung
voranzubringen.
Die Entwicklung von KI und der Erfolg europäischer KI-Modelle hängen vor allem
an der Verfügbarkeit von Daten. Wir wollen nicht personenbezogene Daten
rechtebasiert besser nutzbar und leichter zugänglich machen. Wir haben dazu
beigetragen, dass dieses Prinzip bei der Gesetzgebung zur Nutzung und dem
verbesserten Austausch von Daten zwischen Unternehmen im Rahmen der
Datenstrategie umgesetzt wurde. Projekte wie die Smart City Barcelona können ein
Vorbild sein, wie Daten verfügbar gemacht werden und Forschung sowie Innovation
vorangetrieben werden.
Die EU hat mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) den Datenschutz in den
vergangenen Jahren weltweit stark geprägt und globale Maßstäbe bei der Regelung
des Schutzes von personenbezogenen Daten gesetzt.
Die Durchsetzung der Regeln in den Mitgliedstaaten ist allerdings
unterschiedlich. Während in Deutschland Entbürokratisierung und mehr
Rechtssicherheit nötig sind, müssen die Regeln gegenüber den internationalen
Digitalkonzernen mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten genauso konsequent
durchgesetzt werden. Gerade die Big-Tech-Unternehmen haben sich aufgrund der
laxen Durchsetzung in den letzten Jahren Wettbewerbsvorteile verschaffen können,
die für alle Wirtschaftsbereiche und insbesondere im Bereich Werbung, soziale
Netzwerke und KI entscheidend sind. Deshalb muss die Europäische Kommission für
eine einheitliche und konsequente Durchsetzung der DSGVO sorgen, um die Grund-
und Bürger*innen-Rechte wirksam zu schützen sowie gleiche Wettbewerbsbedingungen
für alle Unternehmen zu schaffen, die eine Sonderbehandlung von Großkonzernen
gegenüber KMU ausschließen.
Durch die Digitalisierung des Datenschutzes sehen wir weitere Möglichkeiten,
Nutzer*innen in der Durchsetzung ihrer Ansprüche zu unterstützen, KMU die
Umsetzung zu vereinfachen und allseitige Rechtssicherheit zu schaffen. Darüber
hinaus erleichtert der Ansatz es Bürger*innen, ihre Daten für Forschungszwecke
zu spenden und so die für KI-Modelle notwendigen Datenpools zu erzeugen.
Digitale Standards setzen
Vertrauen und Verlässlichkeit sind für Verbraucher*innen und Unternehmen das A
und O einer erfolgreichen Digitalisierung. Dieses Vertrauen wird durch
gemeinsame Standards gefördert und gewährleistet. Daher treten wir für faire,
offene und resiliente digitale Regelungsrahmen ein. Unser besonderes Augenmerk
richtet sich auf die notwendige Investitionssicherheit für europäische
Unternehmen, insbesondere KMU. Denn nur klare und verlässliche Regeln stellen
innovative, vertrauenswürdige und somit erfolgreiche Wirtschaftsräume sicher.
Mit dem Digitale-Dienste-Gesetz (DSA) und dem Digitale-Märkte-Gesetz (DMA) haben
wir in der EU dazu wichtige Schritte getan. Die Vollendung des digitalen
Binnenmarktes kann Europa dabei helfen, global wettbewerbsfähig zu sein.
Ein wesentlicher Schlüssel erfolgreicher Digitalpolitik liegt in der
Interoperabilität: Europas digitale Systeme müssen die gleiche Sprache sprechen.
Interoperabilität bezeichnet die Fähigkeit von IT-Systemen, über die Grenzen von
Unternehmen, Behörden und Forschungseinrichtungen hinweg Geschäftsprozesse
abzuwickeln – vollautomatisch, ohne manuelle Zuarbeiten. Das erfordert die
Standardisierung gemeinschaftlicher Softwareschnittstellen, spezifisch für jeden
Anwendungsfall. Auf diese Weise können Einzelpersonen, Firmen,
Forschungseinrichtungen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) gleichermaßen
miteinander Transaktionen ausführen.
Die Erfahrung zeigt, dass Standardisierung innovativen Technologien zum
Durchbruch verhelfen kann. Beispiele dafür sind das World Wide Web oder der
digitale Mobilfunk (GSM). Interoperabilität durchbricht Monopolstellungen,
eröffnet damit Wirtschaftsräume und milliardenschwere Märkte, die vor allem den
kleinen und mittleren Unternehmen aus Europa riesige Chancen bieten.
Die EU hat mit dem European Interoperability Framework (EIF) einen ersten
Kristallisationspunkt geschaffen, an dem wir ansetzen: In verschiedenen Gruppen
erarbeiten Vertreter*innen unterschiedlicher Interessensgruppen die
standardisierten IT-Schnittstellen (Profile) für den jeweiligen Anwendungsfall.
Das Erarbeiten dieser Standards muss demokratisch legitimiert sein.
Willkürlichen Konsortien internationaler Großunternehmen fehlt es daran. Wir
wollen die Standardisierung daher ebenso für Entwickler*innen, die
Zivilgesellschaft und kleine und mittlere Unternehmen öffnen. Damit alle unter
gleichen Voraussetzungen an dieser Gestaltung mitwirken können, muss ihr
Engagement vergütet werden. Wir sehen es als zentrale Aufgabe der EU, über diese
demokratische Governance zu wachen sowie für Planungs- und
Investitionssicherheit zu sorgen. Die EU kann darüber hinaus durch die Macht der
öffentlichen Hand als Kundin einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, diese
Standards am Markt durchzusetzen.
Verbraucherschutz digitalisieren
Die zunehmende Relevanz von Software und digitalen Plattformen muss sich im
Verbraucher*innenschutz widerspiegeln. In den vergangenen Jahren hat die EU hier
bedeutende Fortschritte gemacht. Mit dem DSA und dem DMA haben wir in Europa die
Grundsteine gelegt, um klare Regeln im Internet zu schaffen und Wettbewerb
wiederherzustellen. Die Big-Tech-Konzerne müssen nun regelmäßig das Risiko
bewerten, das ihre Algorithmen für die Gesellschaft darstellen – und wo nötig
Gegenmaßnahmen vorschlagen. Auf unseren Druck hin erhalten Wissenschaftler*innen
und NGOs Zugang zu den Daten der Plattformen, um deren Wirkungsweise zu
erforschen und öffentlich zu machen. Diese Regeln gilt es jetzt, in Deutschland
und Europa konsequent durchzusetzen und aufgrund der durch Datenzugänge
gewonnenen Erkenntnisse weiterzuentwickeln. Gesetze zum Schutz von
Verbraucher*innen im digitalen Raum müssen durchgesetzt und angewendet werden;
hierzu wollen wir auf nationaler und europäischer Ebene die
Verbraucherschutzstellen stärken. Die Regulierung digitaler Plattformen muss die
Dominanz großer digitaler Marktplätze stärker in den Blick nehmen. Immer stärker
kommt es in diesem Zusammenhang auch zu Grundrechtsverletzungen dieser
Plattformen, wenn Nutzer*innen grundlos gesperrt werden.
Wir wollen für faire Wettbewerbsbedingungen sorgen, die KMU gute Zugänge bieten
und Verbraucher*innen nicht unbegrenzter Marktmacht aussetzen. Es muss
gewährleistet sein, dass diese ihre Produkte zu fairen Bedingungen online
handeln können. Dafür werden wir nötigenfalls das Wettbewerbsrecht nachschärfen.
Wir wollen die Rechte von Nutzer*innen auf digitalen Kommunikationsplattformen
stärken. Interoperabilität hilft dabei: Plattformen sollen miteinander
kommunizieren können, sodass Nutzer*innen unterschiedlicher Dienste miteinander
in Austausch treten können. Das Umziehen von Daten wird dadurch möglich und
verbessert, damit Nutzer*innen beim Verlassen von Plattformen darauf
zurückgreifen können.
7. Kreislaufwirtschaft
Abhängigkeiten bei Rohstoffen reduzieren
Sie stecken im E-Auto auf der Straße oder im Solarpanel auf dem Dach: Für eine
klimaneutrale Wirtschaft, die nötigen Technologien und Produkte brauchen wir
Rohstoffe. Laut Internationaler Energieagentur (IEA) wird sich der Bedarf an
metallischen Rohstoffen allein für grüne Energietechnologien bis zum Jahr 2040
vervierfachen, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erfüllen. Ein großer
Teil dieser Rohstoffe wird derzeit in Ländern des Globalen Südens abgebaut – und
in der Volksrepublik China in Schmelzen und Raffinerien weiterverarbeitet.
Deutsche und europäische Unternehmen sind bei einer Reihe von Metallen zu 75 bis
100 Prozent auf Importe angewiesen. Da mit China derzeit ein einziges Land die
zentrale Stellung in der Rohstofflieferkette einnimmt, muss Europa seine
Rohstoffquellen diversifizieren, um die eigene Unabhängigkeit zu sichern. Wir
setzen uns deshalb für die Gründung einer europäischen Rohstoffagentur sowie für
regelmäßige und verpflichtende Stresstests für betroffene Unternehmen ein, um
die Rohstoffsicherheit der europäischen Wirtschaft zu gewährleisten.
Mit dem EU Critical Raw Materials Act (CRMA) haben wir einen großen Schritt für
mehr Rohstoffsicherheit gemacht. Das Ziel des CRMA ist, dass nicht mehr als 65
Prozent der Importe kritischer Rohstoffe aus einem einzigen Drittstaat kommen
dürfen. Unser Ansatz der Diversifizierung basiert auf verschiedenen Säulen: die
Reduktion des Rohstoffverbrauchs und die Umsetzung einer effektiven
Kreislaufwirtschaft, die Substitution besonders knapper Rohstoffe, die
Verwendung und Weiterverarbeitung heimischer Rohstoffe in der EU sowie die
Umsetzung einer nachhaltigen Rohstoffaußenpolitik, die auf die Ausweitung der
partnerschaftlichen Kooperationen mit Ländern weltweit setzt und dabei
ambitionierte Nachhaltigkeitsziele verfolgt.
Zirkulär wirtschaften
Der kluge Umgang mit Ressourcen ist eine der zentralen Voraussetzungen für eine
wettbewerbsfähige Wirtschaft. Kreislaufwirtschaft ist im Mainstream angekommen
und wir machen sie zum europäischen Erfolgsmodell. Der größte Beitrag zur
Rohstoffsicherheit ist das Einsparen von knappen Rohstoffen und ihre wiederholte
Nutzung. Die Kreislaufwirtschaft verfolgt das Ziel, dass Materialien und
Produkte so lange wie möglich geteilt, geleast, wiederverwendet, repariert,
aufgearbeitet und recycelt und Abfälle auf ein Minimum reduziert werden. Das
beginnt schon beim Entwerfen von neuen Produkten. Deshalb wollen wir eine
ressourcenschonende, langlebige und umweltfreundliche Gestaltung im Sinne eines
„Designs for Recycling“ unterstützen. Es ist gut, dass die Ökodesign-Richtlinie
nun auch in diesem Sinne weiterentwickelt wird. Verbrauchsgüter sollen strengere
Mindestkriterien erfüllen, um Klima und Ressourcen zu schonen. Produzenten
müssen den gesamten Lebenszyklus ihrer Produkte in den Blick nehmen, damit neben
der Produktion auch die Verwendung und die Verwertung möglichst nachhaltig sind.
Wir setzen auch auf die nachhaltige Nutzung des bestehenden Gebäudebestands und
den Einsatz modularer Bauweisen.
Viel zu oft landet zum Beispiel die Waschmaschine auf dem Müll, weil es
einfacher und günstiger ist, sie neu zu kaufen, als sie reparieren zu lassen. So
werden Ressourcen unnötig verbraucht und in der EU jährlich 35 Millionen Tonnen
Abfall aus noch gebrauchsfähigen Waren verursacht. Für eine Gesellschaft ohne
Müll wollen wir das Recht auf Reparatur, eine Pflicht zur Bereitstellung von
Ersatzteilen und die Zerstörung von Neuwaren minimieren. Auch das Zerstören
zurückgeschickter Waren aus dem Onlinehandel soll so bald ein Ende haben.
Noch immer verlieren wir wertvolle Rohstoffe zur Produktion von Waren aufgrund
lückenhafter Regeln. Illegalen Abfallexporten wollen wir durch eine konsequente
Umsetzung der neuen Abfallverbringungsverordnung den Riegel vorschieben. Wir
setzen uns dafür ein, dass Plastikmüllexporte in Drittstaaten gänzlich beendet
werden.
Für die Erhöhung der Versorgungssicherheit in der EU brauchen wir einen
europäischen Ansatz, damit wir die Rohstoffquellen und -verarbeitungskapazität
auf unserem Kontinent effektiv nutzen können. Dazu gehört auch der heimische
Bergbau von knappen Rohstoffen und die Stärkung der
Weiterverarbeitungskapazitäten in der EU. Wir werden uns dafür einsetzen, dass
die EU dies unter Einhaltung von hohen Nachhaltigkeits- und
Menschenrechtsstandards ambitioniert voranbringt.
Doch Rohstoffquellen gibt es nicht nur unter der Erde: In unseren Häusern,
Infrastrukturen, aber auch in unseren Deponien und Halden liegen
Rohstoffquellen, die wir bislang nicht ausreichend erschlossen haben. Deshalb
wollen wir eine konsequente Wiederverwendung und Weiternutzung von Rohstoffen
durch eine zirkuläre Wirtschaft fördern, die die Chancen der Digitalisierung
nutzt, sowie das sogenannte Urban Mining vorantreiben. Dadurch schaffen wir neue
Geschäftsmodelle und verringern gleichzeitig den Bedarf an knappen
Primärrohstoffen.
Mehrweg- und Pfandsysteme möchten wir europaweit vereinheitlichen und ausweiten.
Wir wollen die Sammelquoten von Batterien erhöhen und insbesondere ein
Rückgabesystem für Lithium-Ionen-Batterien einführen. Die Verwendung von
kritischen Rohstoffen wie Lithium sollte durch weniger kritische Mineralien
ersetzt werden, etwa durch den verstärkten Einsatz von Natrium-Ionen-Batterien.
Hierfür wollen wir weitere Forschungsgelder bereitstellen.
Rohstoffpartnerschaften schließen
Um unsere Rohstofflieferquellen außerhalb der EU vielfältiger zu gestalten,
setzen wir uns für eine nachhaltige Rohstoffaußenpolitik ein. Sie zielt darauf
ab, neue und strategische Partnerschaften im Rohstoffsektor aufzubauen und
bestehende Partnerschaften zu vertiefen. Wir unterstützen internationale
Kooperationsformate wie die Minerals Security Partnership (MSP) und eine
verstärkte Zusammenarbeit der G7 im Rahmen des Clubs für kritische Rohstoffe.
Darüber hinaus wollen wir partnerschaftliche Kooperationen mit rohstoffreichen
Ländern weltweit vertiefen und diese bei der Um- und Durchsetzung ihrer
Nachhaltigkeits- und Menschenrechtsstandards unterstützen. Wir wollen
Kooperationsangebote nicht nur einseitig im europäischen Versorgungsinteresse
ausrichten, sondern Partnerländern dabei zur Seite stehen, ihre Wertschöpfung im
Rohstoffsektor zu erhöhen und sie so besser in Lieferketten zu integrieren. Wir
wollen Länder bei dieser Aufgabe über den Global Gateway und andere
Finanzierungsinitiativen unterstützen und in diesem Kontext auch den Ausbau von
Transport- und Energieinfrastruktur fördern.
8. Moderne Mobilität
Europas Verkehrswende voranbringen
Jeder Mensch sollte die Möglichkeit haben, in Europa sicher und bezahlbar mobil
zu sein. Damit das auch morgen noch so ist, gestalten wir ein Verkehrssystem,
das klimaneutral funktioniert. Dazu gehört, dass Menschen sich auch ohne eigenen
Personenkraftwagen (Pkw) komfortabel bewegen können. Wir brauchen gut ausgebaute
Schienenwege und attraktive Züge, ein engmaschiges Netz an Radwegen und
Radrouten, den Ausbau der E-Ladeinfrastruktur, ein sicheres Straßennetz,
klimaneutralen Flug- und Schiffsverkehr und attraktive Angebote, um verschiedene
Verkehrsträger zu kombinieren.
Eine solche Verkehrswende ist ein zentraler Baustein für ein gutes und
selbstbestimmtes Leben im Einklang mit dem Klimaschutz – in der Stadt und auf
dem Land. Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass das europäische Bahnnetz weiter
ausgebaut wird. Insbesondere die Wiederherstellung von Lückenschlüssen zwischen
den Ländern, europäischer Güterverkehr und gute Nachtzüge haben für uns
Priorität.
Nachtzüge sind eine komfortable und klimafreundliche Möglichkeit, lange Strecken
innerhalb Europas zurückzulegen, und damit eine gute Alternative zum Fliegen.
Ein massiver Ausbau des Nachtzugverkehrs ist daher geboten. Wir setzen uns
deshalb für reduzierte Trassenpreise, eine bessere Förderung für
grenzüberschreitende Züge, für den zügigen Ausbau der Eisenbahninfrastruktur und
insbesondere eine industriepolitische Offensive für moderne Schlafwagen ein.
Die Stärkung von Bahn- und Fahrradwirtschaft bietet nicht zuletzt große
Beschäftigungspotenziale in der Entwicklung, Produktion und Instandhaltung.
Insbesondere das industriepolitische Potenzial der Fahrradwirtschaft für lokale,
ressourceneffiziente Produktion ist bei Weitem noch nicht ausgeschöpft. Deshalb
setzen wir uns für eine europäische Fahrradstrategie ein, die auch den Bau
sicherer Fahrradwege und die Förderung der privaten und gewerblichen Nutzung von
Cargobikes umfasst.
Tickets einfach buchen
Was beim Buchen von Flügen selbstverständlich ist, soll künftig auch für alle
Zugreisen in Europa Standard sein. Mit einem anbieterübergreifenden Ticketing-
System können wir Buchungsplattformen in die Lage versetzen, durchgehende
Fahrkarten einschließlich Sharing-Angeboten für alle anzubieten. Dabei werden
jeweils die günstigsten Fahrkarten auf einfache Weise zugänglich gemacht.
Reisende werden anschauliche und transparente Informationen zu den Kosten,
Fahrzeiten sowie zur Klimawirkung der jeweiligen Reiseoption bekommen und die
für sie beste Option wählen können. Damit Europa auf der Schiene zusammenrückt,
müssen Buchungen einfacher erfolgen.
Dies sollte auch für den Offlineverkauf von Fahrscheinen gelten.
Interrailtickets sollten leichter reserviert werden können. Wir wollen zum
unbeschwerten Reisen einladen und deshalb die Fahrgastrechte stärken. Zum
Beispiel sollen Reisende bei Zugausfall jeden beliebigen nächsten Zug oder Bus
nutzen können, auch wenn dieser von einem anderen Unternehmen betrieben wird.
Auch im europaweiten öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) soll eine
konsequente Umsetzung des Open-Data-Prinzips dafür sorgen, dass
Mobilitätsangebote für alle leicht und günstig nutzbar sind. Insbesondere
Sharing-Modelle und die Kombination verschiedener Verkehrsmittel, zum Beispiel
E-Bike und Bahn oder Park and Ride, sollen davon profitieren. Um
klimafreundliche Mobilität zu fördern, wollen wir Fahrgästen in neuen Zügen die
Fahrradmitnahme ermöglichen.
Daneben wollen wir in Europa für das Flatrate-Prinzip im ÖPNV werben, das wir
mit dem Deutschland-Ticket erfolgreich im eigenen Land etabliert haben. Das
Deutschland-Ticket soll auch in der ersten Station im Nachbarland gelten, um den
grenzübergreifenden Austausch zu stärken.
Antriebswende umsetzen
Damit auch morgen noch alle mobil sein können, wollen wir die Antriebswende zur
Klimaneutralität beschleunigen. Dabei muss das Prinzip gelten, so viele
Verkehrsmittel wie möglich elektrisch mit erneuerbaren Energien zu betreiben.
Grüner Wasserstoff und die darauf basierenden E-Fuels sollten bevorzugt dort
eingesetzt werden, wo Verkehrsmittel nicht preiswerter elektrisch betrieben
werden können.
Die Automobilindustrie ist ein zentraler Industriezweig in Deutschland und
bietet viele Arbeitsplätze. Wir wollen sie auch deshalb auf dem Weg der
Antriebswende unterstützen. Die EU hat in einer historischen Entscheidung
beschlossen, dass ab 2035 keine fossilen Verbrennungsmotoren in Pkw mehr neu
zugelassen werden dürfen. Nun braucht es eine flächendeckende, intelligent
vernetzte und effiziente Ladeinfrastruktur für alle Verkehrsmittel. Es muss ohne
Probleme möglich sein, mit einem E-Auto von Stockholm nach Syrakus zu fahren. Um
den Übergang zur E-Mobilität möglichst attraktiv zu gestalten, wollen wir
aktuelle Mängel im Verbraucherschutz, zum Beispiel teure Roaming-Gebühren beim
Laden eines E-Autos, abschaffen.
Neueste Entwicklungen deuten darauf hin, dass auch der schwere Güterverkehr auf
der Straße in Zukunft zum größten Teil batterieelektrisch abgewickelt werden
kann. Dazu braucht es den schnellen Ausbau der Ladeinfrastruktur für
Lastkraftwagen (Lkw) entlang der europäischen Fernstraßen und in den
Güterverteilzentren.
Neue Pkw und andere Verkehrsmittel sollen schon in der Herstellung und
Entwicklung durch Effizienzstandards stärker an Energie- und Ressourceneffizienz
orientiert werden. So wollen wir größere Anreize für Hersteller schaffen, um
leichte und effiziente Lösungen anzubieten. Um den schweren Luft- und
Schiffsverkehr klimaneutral zu gestalten, unterstützen wir die Produktion
nachhaltiger Kraftstoffe aus erneuerbaren Energien, zum Beispiel E-Kerosin. Für
Häfen unterstützen wir den schnellen Aufbau einer klimaneutralen Versorgung. So
werden fossile und biogene Brennstoffe im Verkehr in einer Generation der
Vergangenheit angehören. Für den Flugverkehr unterstützen wir die Forschung und
Entwicklung von klimaneutralen Technologien.
Verkehr sicher machen
Wir verfolgen die Vision Zero für den Straßenverkehr. Diese zielt darauf ab,
dass es keine Verkehrsunfälle mit schweren Verletzungen mehr gibt. Wir setzen
uns deshalb für sichere Schulwege, Tempo 30 und Verkehrssicherheitszonen in
dicht bevölkerten Innenstädten sowie für ein EU-weites Tempolimit auf Autobahnen
ein.
Lärm wird als Gesundheitsfaktor noch immer unterschätzt. Wir setzen uns für
ambitioniertere Reduktionsziele im Verkehr ein. Flugzeuge, Bahnen, Autos und
Motorräder wollen wir stärker für die Gesundheit der Menschen in die
Verantwortung nehmen. Dazu wollen wir die EU-Umgebungslärmrichtlinie sowie
quellenbezogene Lärmrichtlinien (beispielsweise Grenzwerte für die
Geräuschemission von Fahrzeugen) weiterentwickeln und an den Stand der Technik
anpassen. Mehrfachbelastungen wollen wir stärker berücksichtigen. So kann die
Gesundheitsbelastung der Menschen durch Verkehr um bis zu 50 Prozent gesenkt
werden. Auch Stickoxide, (Ultra-)Feinstaub, Reifen- und Bremsabrieb müssen für
den Schutz der Gesundheit minimiert werden. Die Luftreinhaltungsrichtlinie und
die Euro-7-Abgasnorm sind hierfür wichtige Schritte.
9. Gesunde Natur
Unsere Natur bewahren
Wir sind Teil der Natur. Unser Wohlstand, unsere Lebensqualität, unsere Zukunft
hängen von ihr ab. Die Natur zu schützen und dafür Sorge zu tragen, dass wir sie
auch in Zukunft noch verantwortungs- und respektvoll nutzen können, ist eine
entscheidende Aufgabe der Politik. Das gilt nicht zuletzt, weil der Reichtum der
europäischen Lebensräume – von den unberührten Wäldern Nord- und Osteuropas über
die vielfältigen Kulturlandschaften Mitteleuropas bis hin zum Mittelmeer – unser
Selbstverständnis als Europäer*innen prägt und weltweit für unseren Kontinent
steht.
Wir haben hier auch dank unserer Anstrengungen in Deutschland und Europa in den
vergangenen Monaten große Durchbrüche erzielt:
Das EU-Gesetz zur Wiederherstellung der Natur (Nature Restoration Law, NRL)
sowie die Vereinbarungen der Weltnaturkonferenz in Montreal 2022 und das
Abkommen der UN zum Schutz der Biodiversität auf Hoher See sind historische
Meilensteine. 30 Prozent der Land- und Meeresflächen sollen dank dieser Abkommen
unter Naturschutz stehen, 10 Prozent der Flächen sogar unter besonderem Schutz.
Bedrohte Arten und Lebensräume sollen endlich besser geschützt und geschädigte
Ökosysteme wiederhergestellt werden. Zudem wurden erstmals verbindliche Regeln
für den Schutz der Hohen See vereinbart. Insgesamt dürfen damit Meeresressourcen
nur noch nachhaltig genutzt werden. Mit dem NRL haben wir im Europäischen
Parlament unseren Kontinent auf den Kurs für die dringend notwendige
Wiederherstellung der europäischen Natur gesetzt. Diese Pläne müssen wir jetzt
verwirklichen: Eine verbesserte Naturschutzfinanzierung ist zum Erreichen der
globalen und europäischen Ziele unabdingbar. Deshalb fordern wir einen eigenen
Naturschutzfonds ein. Mit dem NRL sollen bis 2050 alle Ökosysteme auf den Weg
der Erholung geführt werden. Wir setzen uns dafür ein, dass die entsprechenden
Konzepte bis 2035 vorliegen müssen.
Artenvielfalt retten
Die Klimakrise geht einher mit einer Biodiversitätskrise extremen Ausmaßes.
Beide bedingen einander: Die Natur ist unsere wichtigste Verbündete im Kampf
gegen die Klimakrise. Naturschutz und Klimaschutz müssen gemeinsam gedacht
werden.
Wir möchten daher besonders den natürlichen Klimaschutz fördern.
Schlüsselelemente sind hier die Wiedervernässung von Mooren und Auen, ein
naturnaher Waldumbau und effektiver Meeresschutz.
Wir setzen uns dafür ein, dass es keinen Tiefseebergbau geben wird, bis
ausreichend wissenschaftliche Erkenntnisse über dessen Auswirkungen vorliegen
und ernsthafte Umweltschäden ausgeschlossen werden können. Denn neben Mooren und
Wäldern gehören die Ozeane zu den wichtigsten Verbündeten im Kampf gegen die
Klima- und Biodiversitätskrisen.
Intakte Ökosysteme gibt es nur mit einer lebendigen Artenvielfalt. Von den 8
Millionen Tier- und Pflanzenarten auf unserer Erde sind 1 Million vom Aussterben
bedroht – und damit ein unendlicher Reichtum. Dieses Massensterben muss dringend
gestoppt werden. Ein wichtiger Hebel dafür ist die Art und Weise, wie wir
Flächen bewirtschaften. Den Artenschwund in und um Agrarflächen und Wälder
wollen wir stoppen, indem wir die Flächenversiegelung aufhalten und den
Naturschutz in der Bewirtschaftung von Flächen stärken. Der Erhalt von
Ökosystemen muss deshalb immer mitgedacht werden. Wir setzen uns insbesondere
für den Insekten-, Vogel- und Bodenschutz ein.In der Bewirtschaftung wollen wir
die ökologische Landwirtschaft und naturnahe Waldbewirtschaftung fördern. Wir
brauchen Misch- statt Monokulturen in Land- und Forstwirtschaft, weniger
Pestizideinsatz sowie eine Abkehr von degradierenden Praktiken wie Kahlschlägen.
Wir machen uns gegen illegale Rodungen stark und fordern klare, einheitliche
Definitionen für die europäische Forstwirtschaft. Dafür braucht es ein
einheitliches Monitoring und europaweite ökologische Mindeststandards im Wald.
Im Hinblick auf die zunehmende Trockenheit brauchen wir außerdem eine
europäische Waldbrandstrategie, die durch naturnahe Wälder, die Vermeidung von
Kahlschlägen und ökologische Schutzkorridore die Brandgefahr eindämmt.
Zur Erhaltung der Artenvielfalt wollen wir die natürlichen Lebensräume wieder
miteinander vernetzen, sodass Wanderungen und ein genetischer Austausch möglich
und dadurch stabile Populationen gesichert sind. Das ist eine grüne
Infrastruktur für Europas Natur. Zentral dafür ist das Natura-2000-Netzwerk. Die
genetische Vielfalt fördert die Resilienz unserer Ökosysteme und schafft somit
auch einen gesellschaftlichen Mehrwert. Die Korridore sollen in engem Austausch
mit den Kommunen, Landwirt*innen und Förster*innen entstehen. Darüber hinaus
wollen wir sicherstellen, dass Ökosysteme nicht zusätzlich zerschnitten werden,
ohne einen genetischen Austausch zu gewährleisten. Wir engagieren uns für die
Bereitstellung finanzieller Anreize für Landwirt*innen und Landbesitzer*innen,
um nachhaltige Praktiken einzuführen, die den Schutz der Natur und der
Artenvielfalt fördern.
In diesem Rahmen wollen wir klimaresiliente Ökosysteme wiederherstellen und
Ausweichschutzgebiete für kälteliebende Arten sowie Hilfsprogramme für besonders
betroffene Arten schaffen.
Umwelt schützen
Die zunehmende Verschmutzung und Vermüllung ist neben der Klima- und
Biodiversitätskrise die dritte große Herausforderung für den Schutz unserer
natürlichen Lebensgrundlagen. Sie belastet Mensch und Ökosysteme. Eine wichtige
Rolle spielen dabei die Auswirkungen der Nutzung umwelt- und
gesundheitsschädlicher Chemikalien. Besonders vordringlich ist es, Stoffe in den
Blick zu nehmen, die Mensch und Ökosysteme dauerhaft schädigen. Dazu zählen
sogenannte Ewigkeitschemikalien wie per- und polyfluorierte Chemikalien (PFAS).
Diese werden seit Jahrzehnten zum Beispiel in der Herstellung von Halbleitern,
Medizinprodukten, Textilien oder Kältemitteln vielfältig verwendet. Überall
dort, wo sie gut ersetzt werden können und insbesondere in verbrauchernahen
Produkten, wollen wir aus ihrer Verwendung rasch aussteigen. Gleichzeitig
brauchen wir einen differenzierten Regulierungsrahmen, um die Entwicklung von
Alternativen zu verstärken und den Produktionshochlauf wichtiger
Zukunftstechnologien wie Elektrolyseuren oder elektrischer Antriebe nicht zu
gefährden.
Wir setzen uns zudem für eine Chemikalienstrategie ein, die
Nachhaltigkeitsanforderungen wirklich umsetzt, vor allem bei Spielzeug-,
Lebensmittelkontaktmaterialien und Kosmetik. Wir wollen deshalb bei der Reform
des europäischen Instruments für die Sicherheit von Chemikalien (REACH-Regelung)
schneller vorankommen. Wir setzen uns für die Verwendung eines umfassenderen
Ansatzes zur Risikobewertung ein, der verschiedene Dimensionen der Wirkung von
Chemikalien, schnellere Verfahren und bessere Sanktionsmöglichkeiten
berücksichtigt.
Vor allem aber wollen wir unsere Chemie nachhaltig und damit zukunftstauglich
aufstellen. Deshalb setzen wir uns für ein neues Investitionsprogramm für
sichere und nachhaltige Chemikalien „made in EU“ (EU Sustainable Chemistry Act)
zur Förderung des Markthochlaufs von Green Chemistry ein. Dies ist ein Teil
unseres Programms für eine klimagerechte Industriepolitik.
Sauberes Wasser für alle
Besonders extreme Dürren und Starkregenereignisse nehmen in Europa deutlich zu.
Das ist eine große Herausforderung, um in ganz Europa die Versorgung mit
sauberem Wasser sicherzustellen, und ein Stressfaktor für unsere Natur.
Bilanziell hat etwa Deutschland in den vergangenen 20 Jahren 20 Prozent seiner
Wasservorräte verloren. Wir brauchen deshalb eine europäische Wasserstrategie,
die Extreme abpuffert, sauberes Trinkwasser für alle sichert sowie den Bedarf in
der Landwirtschaft und in den natürlichen Lebensräumen deckt. Neben dem Gesetz
zur Wiederherstellung der Natur müssen auch die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie
schnellstmöglich umgesetzt werden, um die Übernutzung von Grundwasser und die
dadurch drohende Schädigung von Feuchtgebieten und Flüssen zu verhindern.
Wir setzen uns ein für den Umbau hin zu einer klimaresilienten
Wasserinfrastruktur und einem naturverträglichen Hochwasserschutz. Das Risiko
von Überflutungen durch Starkregenereignisse reduzieren wir durch mehr
Regenwasserbecken, Grünflächen, Bäume und Fassadenbegrünung. Dieser Umbau zur
Schwammstadt bietet gleichzeitig Kühlung und verbessert die Luftqualität.
Wir brauchen klare europaweite Grenzwerte, um bei länderübergreifenden
Wasserkrisen, wie an der Oder, konsequent handeln zu können. Wir verschreiben
uns dem Ziel, 25.000 Kilometer in der EU in frei fließende Flüsse zu
renaturieren – wie in der EU-Biodiversitätsstrategie vorgesehen. Und wir setzen
uns für einen Vorrang für Trinkwasser gegenüber gewerblicher oder
landwirtschaftlicher Nutzung ein.
Dazu ist es auch notwendig, die sparsame Nutzung und die Speicherung von Wasser
in der Landschaft stärker in den Mittelpunkt zu stellen, ob im Gemüsebau durch
Tröpfchenbewässerung, im Wald durch naturnahen Mischwald oder in Gewerbe und
Industrie durch sparsame Prozesse und Wiederaufbereitung. Hier setzen wir
verstärkt auf Kooperation innerhalb Europas und mit den Mittelmeeranrainern.
Denn die Erfahrungen in den semiariden Gebieten des Südens werden in den anderen
Teilen Europas dringend gebraucht.
Tiere schützen
Wir haben eine besondere Verantwortung für Tiere in menschlicher Obhut. Wir
wollen, dass Europa alle Tiere durch konsequente und ambitionierte Gesetzgebung
sowie die Durchsetzung bestehender Regelungen schützt. Denn Europäer*innen
wollen Tierschutz: Sechs der zehn erfolgreichen europäischen Bürgerinitiativen
setzen sich dafür ein.
Wir fordern die Umsetzung der Initiative „Fur Free Europe“, um die Pelztierzucht
und den Handel mit Zuchtpelzprodukten auf dem europäischen Markt zu verbieten.
Wir setzen uns darauf aufbauend für eine konsequente Umsetzung des EU-
Aktionsplans zur Bekämpfung des illegalen Artenhandels ein. Den Import von
Wildfängen für die Privathaltung wollen wir beenden sowie den Import und Handel
von Arten unter Strafe stellen, die in ihrem Herkunftsland national geschützt
sind. Wir sind für ein Einfuhrverbot von Jagdtrophäen von Tierarten, die durch
das Washingtoner Artenschutzübereinkommen und die EU-Artenschutzverordnung
geschützt sind, wie bereits vom EU-Parlament gefordert. In Handelsabkommen
setzen wir uns für hohe Tierschutzstandards ein.
EU und Mitgliedsländer sollen konkrete Ausstiegspläne aus Tierversuchen
erstellen, die Experimente an Tieren für Chemikalienprüfungen und
Medizinprodukte wo immer möglich beenden, für Arzneimittelentwicklung und
Grundlagenforschung reduzieren und auch die Förderung tierversuchsfreier
Bildungs- und Ausbildungsinitiativen umfassen. Die Entwicklung und Anerkennung
von Ersatzmethoden wollen wir verstärken und beschleunigen. Geprüfte tierfreie
Methoden sollen unverzüglich in Testrichtlinien aufgenommen werden und an die
Stelle von Tierversuchen treten.
10. Eine starke Landwirtschaft
Gemeinsame Agrarpolitik weiter entwickeln
Landwirt*innen versorgen uns nicht nur mit dem, was wir zum Überleben brauchen.
Sie sorgen auch für eine Vielfalt an Lebensmitteln in Europa, die ihresgleichen
sucht. Gleichzeitig erhalten und pflegen sie so unsere Kulturlandschaften, die
Felder, Wiesen und Weinberge, die Europa auszeichnen. Wir wollen diese
Landwirtschaft stärken – im Einklang mit der Natur und im Dienste aller
Menschen, der Produzent*innen wie der Verbraucher*innen.
Wir wollen dazu die europäische Agrarpolitik so umbauen, dass diejenigen, die
die Flächen bewirtschaften, unbürokratisch für den Erhalt der Natur und der
Kulturlandschaft bezahlt werden. Denn sie sind es, die diese gesellschaftliche
Leistung erbringen, und nicht die Eigentümer*innen der Flächen.
Statt pauschalen, flächenbezogenen Direktzahlungen in der Gemeinsamen
Agrarpolitik (GAP), die Fehlanreize setzen und nicht zielgerichtet zu einer
zukunftsfähigen landwirtschaftlichen Struktur beitragen, wollen wir konsequent
Leistungen für Klima, Umwelt, Biodiversität, Gesundheit – und damit für das
Gemeinwohl entlohnen. Leistungen sind so zu gestalten, dass sie
Planungssicherheit ermöglichen und direkt bei den Landwirt*innen ankommen, die
vor Ort verankert sind.
Die EU-Agrarpolitik können wir damit so gestalten, dass sie allen in der
Landwirtschaft tätigen Frauen und Männern eine Perspektive bietet, denn jeder
Hof zählt. Indem wir regionale Wertschöpfungsketten vom Bauernhof bis zum Teller
und das Lebensmittelhandwerk stärken, verbessern wir ihre wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen.
Landwirt*innen müssen dabei gegenüber den Verarbeiter*innen und dem Einzelhandel
in der Wertschöpfungskette gestärkt werden. Insbesondere der Einzelhandel kann
und muss einen höheren Beitrag zur Stabilisierung der Erlöse für die Produzenten
und der Preise für die Verbraucher*innen leisten. Wir setzen uns deshalb für
europaweite Regelungen ein, um Preisdumping im Lebensmittelbereich zu beenden.
Gute Lebensmittel für alle
Ernährung ist ein zentraler Teil unserer Kultur und individuellen Identität. Sie
ist maßgeblich für unsere Gesundheit und unsere Lebensqualität. Wir wollen eine
gute Ernährung für alle ermöglichen. Das ist auch ein Beitrag zur Stärkung
regionaler Wirtschaftsräume, denn die Herstellung und Verarbeitung von
Lebensmitteln vor Ort schafft Wohlstand und regionale Identität.
Jede und jeder soll frei entscheiden können, was auf den Teller kommt. Die EU
kann die Entscheidungsfreiheit von Verbraucher*innen schützen, indem sie für
verlässliche Informationen über Herkunft und Inhalt von Lebensmitteln sorgt. Wir
unterstützen daher europaweite Labels, um nachhaltigen, regionalen, saisonalen,
vielfältigen und tierschutzkonformen Konsum zu ermöglichen. Mit einem EU-weiten
Rahmen für nachhaltige Ernährungssysteme stellen wir die Zeichen auf
Nachhaltigkeit. Wir wollen etwa durch Änderungen des Vergaberechts Anreize
setzen für eine bessere Ernährung in der Gemeinschaftsverpflegung, von Kita bis
Krankenhaus. Wir wollen ein Umfeld schaffen, in dem es leicht ist, sich gesund
und nachhaltig zu ernähren. Wir wollen, dass Nahrungsmittel frei von chemischen
Rückständen wie Pestiziden und hormonwirksamen Stoffen sind. So schaffen wir
eine nachhaltige und gesunde Ernährung für alle, besonders für Kinder.
Lebensmittel gehören auf den Teller und nicht in den Müll. Wir setzen uns
deshalb für rechtsverbindliche Maßnahmen ein, um die Lebensmittelverschwendung
bis 2030 zu halbieren, einschließlich der Neubewertung von
Aussortierungsmerkmalen und Supermarktnormen sowie der Einführung von Verzehr-
statt Mindesthaltbarkeitsdaten, um verbindlichere Angaben für die sichere
Verzehrbarkeit von Lebensmitteln zu liefern.
Ökologische Landwirtschaft gestalten
Europas Landwirtschaft muss nachhaltiger wirtschaften, um die Ernährung der
Zukunft zu sichern. Agrarökologische Ansätze, die dieses Ziel verfolgen, können
dabei der gesamten Landwirtschaft helfen. Ökologische Landwirtschaft ist die
Vorreiterin dafür: Unser Ziel ist es, bis 2030 einen Anteil von 25 Prozent
ökologischer Landwirtschaft zu erreichen und diesen Anteil bis 2035 und darüber
hinaus weiter zu erhöhen. Ökologisch wirtschaftende Betriebe erzielen in
Deutschland ein höheres Einkommen pro Person als konventionelle Betriebe. Das
zeigt, dass es sich schon jetzt finanziell lohnt, in eine regionale und
nachhaltige Wirtschaftsweise zu investieren. Wir wollen die Rahmenbedingungen
dafür stärken.
Dazu gehört auch die Forschungs- und Förderpolitik der EU. Es braucht mindestens
30 Prozent der Mittel für den Ökolandbau in der Züchtungsforschung sowie
Unterstützung bei der Entwicklung innovativer Konzepte für die Bio-
Wertschöpfungskette. Außerdem sollen Ökobetriebe nicht mehr doppelt nachweisen
müssen, dass sie Vorschriften einhalten. Das EU-Biosiegel wollen wir beim
Tierschutz, insbesondere in der Eierproduktion, nachschärfen.
Für eine nachhaltige und transparente Landwirtschaft ist es unabdingbar, dass
Betriebe, die gentechnikfrei wirtschaften wollen, dies sicher tun können. Die EU
soll garantieren, dass alle wissen, was bei ihnen auf den Teller kommt und wo es
hergestellt wurde. Transparenz und Wahlfreiheit müssen besonders bei
gentechnisch veränderten Futter- und Lebensmitteln sichergestellt werden.
Patente auf Pflanzen lehnen wir ab, egal ob diese ihren Ursprung in
konventioneller Züchtung oder in gentechnischen Verfahren haben. Damit sichern
wir die Zukunft besonders kleiner und mittelständischer Landwirtschafts- und
Zuchtbetriebe.
Der übermäßige Einsatz von Pestiziden belastet unsere Natur auf vielfache Weise.
Die bisher verabschiedeten europäischen Pläne zur Schadstoffreduktion aber
werden noch nicht konkret umgesetzt. Das wollen wir ändern und dafür sorgen,
dass die Ziele der EU auf wissenschaftlicher Basis weiterentwickelt werden. Die
Mitgliedstaaten wollen wir zu weiteren wirksamen Maßnahmen verpflichten, etwa
einer Pestizidabgabe.
Wir schließen Rechtslücken, die bisher zum Beispiel den Einsatz von
fruchtbarkeitsschädigenden Chemikalien in Dünger oder von Mikroplastik in
Pestiziden erlauben. Die Genehmigungsverfahren für Pestizide wollen wir
reformieren, indem die vorgelegten Studien nicht mehr von den Herstellern,
sondern von den Bewertungsbehörden in Auftrag gegeben werden. Die Hersteller
dürfen sich nicht länger aussuchen können, in welchem Mitgliedstaat die Behörden
ihre Anträge prüfen. Um Zeit und Kapazitäten zu gewinnen, beschleunigen wir die
Genehmigungsverfahren von Stoffen, bei denen früh klar ist, dass sie aufgrund
von Ausschlusskriterien nicht genehmigungsfähig sind. Zudem setzen wir uns für
die konsequente Umsetzung des Verursacherprinzips ein, sodass Unternehmen, die
Pestizide in den Verkehr bringen, für entstandene Schäden im Grundwasser oder in
der Biolandwirtschaft haften.
Mit Nachhaltigkeit Ernährung sichern
Die Landwirtschaft leidet besonders unter der Klimakrise mit langen Dürren und
plötzlichem Starkregen. Wenn wir die Überdüngung beenden, den Einsatz von
fossilen Düngern zurückfahren und die Böden wieder zu Senken von CO2 machen, ist
die Landwirtschaft ein zentraler Teil des natürlichen Klimaschutzes. Deshalb
setzen wir uns für die Wiedervernässung von Mooren, den Aufbau von Holzmasse und
die Weidewirtschaft ein – mit stabilen Einkommensperspektiven für
Landwirt*innen. So kann die Landwirtschaft ihren nötigen Beitrag zum Klimaschutz
und zur Klimaanpassung leisten.
Die Wiedervernässung der Moore geht nur mit den Landwirt*innen zusammen. Uns ist
wichtig, dass die Wertschöpfung in den Moorregionen erhalten bleibt. Deswegen
unterstützen wir Landwirt*innen bei der Bewirtschaftung von wiedervernässten
Moorflächen und fördern den Aufbau neuer Wertschöpfungsketten in ländlichen
Räumen. Sowohl Moore als auch die Weidewirtschaft auf mineralischen Böden sind
ein echter Klimaschützer, da hier deutlich mehr Kohlenstoff gespeichert wird als
im Ackerboden. Außerdem stellt die Weidewirtschaft die tierfreundlichste Haltung
dar. Diese wollen wir stärker fördern.
Die europäischen Meere und ihre Fischbestände sind in einem schlechten Zustand.
Wir werden deshalb die Meeresumwelt besser schützen, um auch den Fischbeständen
und unseren Fischer*innen eine nachhaltige Perspektive zu geben. Deshalb
unterstützen wir den Aktionsplan der Kommission zur Erhaltung der
Fischereiressourcen und zum Schutz der Meeresökosysteme. Wir fördern
Alternativen zur Stellnetz- und Schleppnetzfischerei und gehen gegen besonders
umweltschädliche Fangmethoden vor.
Tiere gut halten
Wir wollen die Tierhaltung so gestalten, dass sie wertvolle Lebensmittel liefern
kann, Tiere als Lebewesen in ihren Bedürfnissen respektiert und Teil einer
nachhaltigen Bewirtschaftung unserer vielfältigen Landschaften ist. Die
industrielle Tierhaltung dagegen gefährdet essenzielle Lebensgrundlagen und die
Gesundheit der Menschen: zoonotische Erreger, multiresistente Keime,
Trinkwasserverschmutzung, Lebensraumzerstörung, Artenverlust,
Lebensmittelverschwendung in der Tiermast und hohe Klimagasemissionen – wenn wir
Tieren schaden, schaden wir uns letztlich selbst.
Deshalb wollen wir weniger Tiere besser halten und die Züchtung auf ihre
Gesundheit konzentrieren. Daher setzen wir uns für die Etablierung, Verbesserung
und bessere Kontrolle einheitlicher europaweiter Tierschutzstandards in Zucht,
Haltung, Transport, Tötung und Handel ein. Das umfasst das Ende von Käfig- und
Kastenhaltung sowie von fehlenden Brandschutzvorkehrungen. Im Mittelpunkt steht
für uns die möglichst lokale Verarbeitung: Wir brauchen eine deutliche
Reduzierung von Lebendtiertransporten. Dabei möchten wir Langstreckentransporte
auf acht Stunden begrenzen und Tiertransporte in schwer kontrollierbare Regionen
unterbinden. Bei der Schlachtung fordern wir eine bessere Kontrolle, ein Ende
der CO2- und Wasserbadbetäubung, die Betäubungspflicht bei der Tötung von
Fischen, Krebsen, Hummern und Tintenfischen und ein Verbot der Tötung von Küken.
Die Gesundheit von Mensch und Tier ist durch den übermäßigen Antibiotikaeinsatz
in der landwirtschaftlichen Tierhaltung massiv bedroht. Derzeit werden mehr
Antibiotika an gesunde Tiere als an kranke Menschen verabreicht. Den
Antibiotikaeinsatz wollen wir drastisch reduzieren, um die Entstehung
multiresistenter Keime zu vermeiden, die eine der größten gesundheitlichen
Bedrohungen auch für den Menschen darstellen. Dafür braucht es eine Umstellung
auf bessere Haltungsformen, eine Steigerung der Tiergesundheit, die
Einschränkung der Gruppenbehandlung und vorrangige Behandlung kranker
Einzeltiere. Reserveantibiotika sollen der Humanmedizin vorbehalten sein.
Änderungsanträge
- Ä1 (Jenny Laube, Eingereicht)
- Ä2 (Jenny Laube, Eingereicht)
- Ä3 (Walter Schmidt, Eingereicht)
- Ä4 (Walter Schmidt, Eingereicht)
- Ä5 (Walter Schmidt, Eingereicht)
- Ä6 (Walter Schmidt, Eingereicht)
- Ä7 (Sonja Gerth (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg), Eingereicht)
- Ä8 (Sonja Gerth (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg), Eingereicht)
- Ä9 (Philip Hiersemenzel, Eingereicht)
- Ä10 (Brigitte Kallmann (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg), Eingereicht)
- Ä11 (Brigitte Kallmann (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg), Eingereicht)
- Ä12 (Brigitte Kallmann (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg), Eingereicht)
- Ä13 (Brigitte Kallmann (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg), Eingereicht)
- Ä14 (Brigitte Kallmann (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg), Eingereicht)
- Ä15 (Brigitte Kallmann (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg), Eingereicht)
- Ä16 (Brigitte Kallmann (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg), Eingereicht)
- Ä17 (Corinne (LAG WiFi Berlin), Zurückgezogen)
- Ä18 (Corinne (LAG WiFi Berlin), Eingereicht)
- Ä19 (Corinne (LAG WiFi Berlin), Eingereicht)
- Ä20 (Corinne (LAG WiFi Berlin), Eingereicht)
- Ä21 (Corinne (LAG WiFi Berlin), Eingereicht)
- Ä22 (Corinne (LAG WiFi Berlin), Eingereicht)
- Ä23 (Corinne (LAG WiFi Berlin), Eingereicht)
- Ä24 (Corinne (LAG WiFi Berlin), Eingereicht)
- Ä25 (Corinne (LAG WiFi Berlin), Eingereicht)
- Ä26 (Corinne (LAG WiFi Berlin), Eingereicht)
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